acapitolino; ein guter Bronzekopf in übelm Zustande: Uffizien in Flo- renz, Bronzen, zweites Zimmer.) Ich gestehe, dass mir gar nichts eine höhere Idee von der griechischen Sculptur giebt, als dass sie diese Züge errathen und dargestellt hat. Ein blinder Dichter und Sänger, mehr war nicht gegeben. Und die Kunst legte in Stirn und Wangen des Greises dieses göttliche geistige Ringen, diese Anstren- gung voll Ahnung und dabei den vollen Ausdruck des Friedens, welchen die Blinden geniessen! An der Büste von Neapel ist jeder Meisselschlag Geist und wunderbares Leben.
Auf Homer muss zunächst folgen die berühmte eherne Büste bdes Museums von Neapel (grosse Bronzen), welche man für das Bildniss Plato's hält. Beim ersten Blick wird der Beschauer eher an einen bärtigen Bacchus denken, allein Manches deutet darauf hin, dass eine historische Person dargestellt sei, und zwar am ehesten ein Weiser oder Gesetzgeber. Nicht ideal, sondern individuell ist z. B. schon die Linie des Profils, die Furchung der Stirn, die Partien der Wangen zunächst der Nase; menschlich jedenfalls die Bildung der Schlüsselbeine. Das Vorhandene als Fragment einer Statue ge- dacht, wird man auf eine sitzende Stellung, einen aufgestützten linken, einen herabhängenden rechten Arm schliessen dürfen. In den per- sönlichen Formen aber lebt ein übermenschlicher Ausdruck der Ruhe und Geisteshoheit, wie der eines milden Herrschers. Der ungeheure Nacken, welcher göttlichen Bildungen entnommen scheint, fügt das Gefühl unwiderstehlicher Kraft hinzu. Das sehr schön alterthümlich gebildete Haupt- und Barthaar dagegen zeigt die Tracht einer be- stimmten Zeit in möglichster Veredelung, sowie die Sculpturen von Ninive eine Haartracht in feierlicher Erstarrung erkennen lassen.
Die grosse Masse der Übrigen steht hauptsächlich an folgenden cOrten beisammen: Im Vatican: Sala delle Muse, Büstenzimmer und dGaleria geografica; -- Museo capitolino: das schon genannte Philo- esophenzimmer; -- Villa Albani: untere Halle des Palastes, und Ne- fbengalerie rechts; -- Museum von Neapel: Grosse Bronzen, erster gGang der Marmore, Halle der berühmten Männer, und Halle des Ti- hberius; -- Uffizien in Florenz: Halle der Inschriften; -- u. a. a. O.
Das Interesse, welches der Beschauer diesen Köpfen widmen wird, hängt natürlich meist von der historischen Theilnahme für die
Antike Sculptur. Köpfe berühmter Griechen.
acapitolino; ein guter Bronzekopf in übelm Zustande: Uffizien in Flo- renz, Bronzen, zweites Zimmer.) Ich gestehe, dass mir gar nichts eine höhere Idee von der griechischen Sculptur giebt, als dass sie diese Züge errathen und dargestellt hat. Ein blinder Dichter und Sänger, mehr war nicht gegeben. Und die Kunst legte in Stirn und Wangen des Greises dieses göttliche geistige Ringen, diese Anstren- gung voll Ahnung und dabei den vollen Ausdruck des Friedens, welchen die Blinden geniessen! An der Büste von Neapel ist jeder Meisselschlag Geist und wunderbares Leben.
Auf Homer muss zunächst folgen die berühmte eherne Büste bdes Museums von Neapel (grosse Bronzen), welche man für das Bildniss Plato’s hält. Beim ersten Blick wird der Beschauer eher an einen bärtigen Bacchus denken, allein Manches deutet darauf hin, dass eine historische Person dargestellt sei, und zwar am ehesten ein Weiser oder Gesetzgeber. Nicht ideal, sondern individuell ist z. B. schon die Linie des Profils, die Furchung der Stirn, die Partien der Wangen zunächst der Nase; menschlich jedenfalls die Bildung der Schlüsselbeine. Das Vorhandene als Fragment einer Statue ge- dacht, wird man auf eine sitzende Stellung, einen aufgestützten linken, einen herabhängenden rechten Arm schliessen dürfen. In den per- sönlichen Formen aber lebt ein übermenschlicher Ausdruck der Ruhe und Geisteshoheit, wie der eines milden Herrschers. Der ungeheure Nacken, welcher göttlichen Bildungen entnommen scheint, fügt das Gefühl unwiderstehlicher Kraft hinzu. Das sehr schön alterthümlich gebildete Haupt- und Barthaar dagegen zeigt die Tracht einer be- stimmten Zeit in möglichster Veredelung, sowie die Sculpturen von Ninive eine Haartracht in feierlicher Erstarrung erkennen lassen.
Die grosse Masse der Übrigen steht hauptsächlich an folgenden cOrten beisammen: Im Vatican: Sala delle Muse, Büstenzimmer und dGaleria geografica; — Museo capitolino: das schon genannte Philo- esophenzimmer; — Villa Albani: untere Halle des Palastes, und Ne- fbengalerie rechts; — Museum von Neapel: Grosse Bronzen, erster gGang der Marmore, Halle der berühmten Männer, und Halle des Ti- hberius; — Uffizien in Florenz: Halle der Inschriften; — u. a. a. O.
Das Interesse, welches der Beschauer diesen Köpfen widmen wird, hängt natürlich meist von der historischen Theilnahme für die
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Antike Sculptur. Köpfe berühmter Griechen.
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renz, Bronzen, zweites Zimmer.) Ich gestehe, dass mir gar nichts
eine höhere Idee von der griechischen Sculptur giebt, als dass sie
diese Züge errathen und dargestellt hat. Ein blinder Dichter und
Sänger, mehr war nicht gegeben. Und die Kunst legte in Stirn und
Wangen des Greises dieses göttliche geistige Ringen, diese Anstren-
gung voll Ahnung und dabei den vollen Ausdruck des Friedens,
welchen die Blinden geniessen! An der Büste von Neapel ist jeder
Meisselschlag Geist und wunderbares Leben.
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Auf Homer muss zunächst folgen die berühmte eherne Büste
des Museums von Neapel (grosse Bronzen), welche man für das
Bildniss Plato’s hält. Beim ersten Blick wird der Beschauer eher
an einen bärtigen Bacchus denken, allein Manches deutet darauf hin,
dass eine historische Person dargestellt sei, und zwar am ehesten
ein Weiser oder Gesetzgeber. Nicht ideal, sondern individuell ist
z. B. schon die Linie des Profils, die Furchung der Stirn, die Partien
der Wangen zunächst der Nase; menschlich jedenfalls die Bildung
der Schlüsselbeine. Das Vorhandene als Fragment einer Statue ge-
dacht, wird man auf eine sitzende Stellung, einen aufgestützten linken,
einen herabhängenden rechten Arm schliessen dürfen. In den per-
sönlichen Formen aber lebt ein übermenschlicher Ausdruck der Ruhe
und Geisteshoheit, wie der eines milden Herrschers. Der ungeheure
Nacken, welcher göttlichen Bildungen entnommen scheint, fügt das
Gefühl unwiderstehlicher Kraft hinzu. Das sehr schön alterthümlich
gebildete Haupt- und Barthaar dagegen zeigt die Tracht einer be-
stimmten Zeit in möglichster Veredelung, sowie die Sculpturen von
Ninive eine Haartracht in feierlicher Erstarrung erkennen lassen.
b
Die grosse Masse der Übrigen steht hauptsächlich an folgenden
Orten beisammen: Im Vatican: Sala delle Muse, Büstenzimmer und
Galeria geografica; — Museo capitolino: das schon genannte Philo-
sophenzimmer; — Villa Albani: untere Halle des Palastes, und Ne-
bengalerie rechts; — Museum von Neapel: Grosse Bronzen, erster
Gang der Marmore, Halle der berühmten Männer, und Halle des Ti-
berius; — Uffizien in Florenz: Halle der Inschriften; — u. a. a. O.
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Das Interesse, welches der Beschauer diesen Köpfen widmen
wird, hängt natürlich meist von der historischen Theilnahme für die
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 512. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/534>, abgerufen am 18.12.2024.
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