kleiner Amorin kömmt (grosses Exemplar im grossen Saal des Museo acapitolino, S. 429, d, kleine im Museo Chiaramonti des Vaticans und im bTyrtäuszimmer der Villa Borghese) ist das Verhältniss der Liebenden ein ungleiches; die Göttin sucht den Schmollenden oder zum Gang in die Schlacht Gerüsteten bei sich festzuhalten. Die Gruppe scheint nicht selten zu Porträtbildungen degradirt worden zu sein und ist überhaupt nur in geringer Ausführung vorhanden. -- Herakles und Omphale, offenbar ein später Einfall, sind in der schon erwähnten (S. 424, e) Gruppe des Museums von Neapel (zweiter Gang) diesem an sich gu- ten Motiv nachgebildet.
c
Hermes mit der Nymphe Herse, im grossen Saal des Pal. Farnese zu Rom, bis ins Unkenntliche restaurirt. -- Diess gilt noch von einer Anzahl durchschnittlich sehr gering gearbeiteter Liebespaare in verschiedenen Sammlungen. Bisweilen haben die Restauratoren sogar Figuren zu Gruppen vereinigt, welche gar nicht zusammen- gehörten.
d
In der Libreria des Domes von Siena steht die stark verstüm- melte, vielleicht ziemlich späte Gruppe der drei sich leicht umarmt haltenden Grazien, offenbar nach einem herrlichen Original; in den Contrasten und in der Schneidung der Linien ist noch das Nachbild von grossem Reize 1). Rafael wurde durch dieses Werk zu einem bekannten Bilde angeregt, welches sich jetzt in England befindet; mit grossem Rechte wandte er als Maler die mittlere Figur, die in der Gruppe vom Rücken gesehen wird, um, und zeigte alle drei von vorn; mit grossem Unrecht folgte ihm Canova als Bildhauer hierin nach und brachte eine gegensatzlose Gruppe hervor, welche einzig auf die Vorderansicht berechnet ist. (Galerie Leuchtenberg.)
Von Gruppen des Kampfes ist in den italienischen Samm- elungen eine der bedeutendsten vorhanden: die beiden Ringkämpfer in der Tribuna der Uffizien zu Florenz. Stark überarbeitet und von verschiedenen Händen restaurirt, wie wir das Werk jetzt vor uns sehen, lässt es nur noch ahnen, dass der Moment mit höchster künst- lerischer Berechnung aus der grossen Zahl möglicher Momente ge- wählt war, von einem Bildhauer der alle Geheimnisse der Ringschule
1) Der Gegenstand kommt auch als Relief und als pompejanisches Gemälde vor.
Antike Sculptur. Gruppen. Die Grazien.
kleiner Amorin kömmt (grosses Exemplar im grossen Saal des Museo acapitolino, S. 429, d, kleine im Museo Chiaramonti des Vaticans und im bTyrtäuszimmer der Villa Borghese) ist das Verhältniss der Liebenden ein ungleiches; die Göttin sucht den Schmollenden oder zum Gang in die Schlacht Gerüsteten bei sich festzuhalten. Die Gruppe scheint nicht selten zu Porträtbildungen degradirt worden zu sein und ist überhaupt nur in geringer Ausführung vorhanden. — Herakles und Omphale, offenbar ein später Einfall, sind in der schon erwähnten (S. 424, e) Gruppe des Museums von Neapel (zweiter Gang) diesem an sich gu- ten Motiv nachgebildet.
c
Hermes mit der Nymphe Herse, im grossen Saal des Pal. Farnese zu Rom, bis ins Unkenntliche restaurirt. — Diess gilt noch von einer Anzahl durchschnittlich sehr gering gearbeiteter Liebespaare in verschiedenen Sammlungen. Bisweilen haben die Restauratoren sogar Figuren zu Gruppen vereinigt, welche gar nicht zusammen- gehörten.
d
In der Libreria des Domes von Siena steht die stark verstüm- melte, vielleicht ziemlich späte Gruppe der drei sich leicht umarmt haltenden Grazien, offenbar nach einem herrlichen Original; in den Contrasten und in der Schneidung der Linien ist noch das Nachbild von grossem Reize 1). Rafael wurde durch dieses Werk zu einem bekannten Bilde angeregt, welches sich jetzt in England befindet; mit grossem Rechte wandte er als Maler die mittlere Figur, die in der Gruppe vom Rücken gesehen wird, um, und zeigte alle drei von vorn; mit grossem Unrecht folgte ihm Canova als Bildhauer hierin nach und brachte eine gegensatzlose Gruppe hervor, welche einzig auf die Vorderansicht berechnet ist. (Galerie Leuchtenberg.)
Von Gruppen des Kampfes ist in den italienischen Samm- elungen eine der bedeutendsten vorhanden: die beiden Ringkämpfer in der Tribuna der Uffizien zu Florenz. Stark überarbeitet und von verschiedenen Händen restaurirt, wie wir das Werk jetzt vor uns sehen, lässt es nur noch ahnen, dass der Moment mit höchster künst- lerischer Berechnung aus der grossen Zahl möglicher Momente ge- wählt war, von einem Bildhauer der alle Geheimnisse der Ringschule
1) Der Gegenstand kommt auch als Relief und als pompejanisches Gemälde vor.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0522"n="500"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Antike Sculptur. Gruppen. Die Grazien.</hi></fw><lb/>
kleiner Amorin kömmt (grosses Exemplar im grossen Saal des Museo<lb/><noteplace="left">a</note>capitolino, S. 429, d, kleine im Museo Chiaramonti des Vaticans und im<lb/><noteplace="left">b</note>Tyrtäuszimmer der Villa Borghese) ist das Verhältniss der Liebenden<lb/>
ein ungleiches; die Göttin sucht den Schmollenden oder zum Gang in<lb/>
die Schlacht Gerüsteten bei sich festzuhalten. Die Gruppe scheint nicht<lb/>
selten zu Porträtbildungen degradirt worden zu sein und ist überhaupt<lb/>
nur in geringer Ausführung vorhanden. — Herakles und Omphale,<lb/>
offenbar ein später Einfall, sind in der schon erwähnten (S. 424, e)<lb/>
Gruppe des Museums von Neapel (zweiter Gang) diesem an sich gu-<lb/>
ten Motiv nachgebildet.</p><lb/><noteplace="left">c</note><p><hirendition="#g">Hermes</hi> mit der Nymphe <hirendition="#g">Herse</hi>, im grossen Saal des Pal.<lb/>
Farnese zu Rom, bis ins Unkenntliche restaurirt. — Diess gilt noch<lb/>
von einer Anzahl durchschnittlich sehr gering gearbeiteter Liebespaare<lb/>
in verschiedenen Sammlungen. Bisweilen haben die Restauratoren<lb/>
sogar Figuren zu Gruppen vereinigt, welche gar nicht zusammen-<lb/>
gehörten.</p><lb/><noteplace="left">d</note><p>In der Libreria des Domes von Siena steht die stark verstüm-<lb/>
melte, vielleicht ziemlich späte Gruppe der <hirendition="#g">drei</hi> sich leicht umarmt<lb/>
haltenden <hirendition="#g">Grazien</hi>, offenbar nach einem herrlichen Original; in den<lb/>
Contrasten und in der Schneidung der Linien ist noch das Nachbild<lb/>
von grossem Reize <noteplace="foot"n="1)">Der Gegenstand kommt auch als Relief und als pompejanisches Gemälde vor.</note>. Rafael wurde durch dieses Werk zu einem<lb/>
bekannten Bilde angeregt, welches sich jetzt in England befindet; mit<lb/>
grossem Rechte wandte er als Maler die mittlere Figur, die in der<lb/>
Gruppe vom Rücken gesehen wird, um, und zeigte alle drei von<lb/>
vorn; mit grossem Unrecht folgte ihm Canova als Bildhauer hierin<lb/>
nach und brachte eine gegensatzlose Gruppe hervor, welche einzig<lb/>
auf die Vorderansicht berechnet ist. (Galerie Leuchtenberg.)</p><lb/><p>Von <hirendition="#g">Gruppen des Kampfes</hi> ist in den italienischen Samm-<lb/><noteplace="left">e</note>lungen eine der bedeutendsten vorhanden: die beiden <hirendition="#g">Ringkämpfer</hi><lb/>
in der Tribuna der Uffizien zu <hirendition="#g">Florenz</hi>. Stark überarbeitet und von<lb/>
verschiedenen Händen restaurirt, wie wir das Werk jetzt vor uns<lb/>
sehen, lässt es nur noch ahnen, dass der Moment mit höchster künst-<lb/>
lerischer Berechnung aus der grossen Zahl möglicher Momente ge-<lb/>
wählt war, von einem Bildhauer der alle Geheimnisse der Ringschule<lb/></p></div></body></text></TEI>
[500/0522]
Antike Sculptur. Gruppen. Die Grazien.
kleiner Amorin kömmt (grosses Exemplar im grossen Saal des Museo
capitolino, S. 429, d, kleine im Museo Chiaramonti des Vaticans und im
Tyrtäuszimmer der Villa Borghese) ist das Verhältniss der Liebenden
ein ungleiches; die Göttin sucht den Schmollenden oder zum Gang in
die Schlacht Gerüsteten bei sich festzuhalten. Die Gruppe scheint nicht
selten zu Porträtbildungen degradirt worden zu sein und ist überhaupt
nur in geringer Ausführung vorhanden. — Herakles und Omphale,
offenbar ein später Einfall, sind in der schon erwähnten (S. 424, e)
Gruppe des Museums von Neapel (zweiter Gang) diesem an sich gu-
ten Motiv nachgebildet.
a
b
Hermes mit der Nymphe Herse, im grossen Saal des Pal.
Farnese zu Rom, bis ins Unkenntliche restaurirt. — Diess gilt noch
von einer Anzahl durchschnittlich sehr gering gearbeiteter Liebespaare
in verschiedenen Sammlungen. Bisweilen haben die Restauratoren
sogar Figuren zu Gruppen vereinigt, welche gar nicht zusammen-
gehörten.
In der Libreria des Domes von Siena steht die stark verstüm-
melte, vielleicht ziemlich späte Gruppe der drei sich leicht umarmt
haltenden Grazien, offenbar nach einem herrlichen Original; in den
Contrasten und in der Schneidung der Linien ist noch das Nachbild
von grossem Reize 1). Rafael wurde durch dieses Werk zu einem
bekannten Bilde angeregt, welches sich jetzt in England befindet; mit
grossem Rechte wandte er als Maler die mittlere Figur, die in der
Gruppe vom Rücken gesehen wird, um, und zeigte alle drei von
vorn; mit grossem Unrecht folgte ihm Canova als Bildhauer hierin
nach und brachte eine gegensatzlose Gruppe hervor, welche einzig
auf die Vorderansicht berechnet ist. (Galerie Leuchtenberg.)
Von Gruppen des Kampfes ist in den italienischen Samm-
lungen eine der bedeutendsten vorhanden: die beiden Ringkämpfer
in der Tribuna der Uffizien zu Florenz. Stark überarbeitet und von
verschiedenen Händen restaurirt, wie wir das Werk jetzt vor uns
sehen, lässt es nur noch ahnen, dass der Moment mit höchster künst-
lerischer Berechnung aus der grossen Zahl möglicher Momente ge-
wählt war, von einem Bildhauer der alle Geheimnisse der Ringschule
e
1) Der Gegenstand kommt auch als Relief und als pompejanisches Gemälde vor.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 500. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/522>, abgerufen am 18.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.