(kleine Bronzen, besonders das dritte Zimmer) enthält doch nur We-a niges von erstem Werthe, wie die Pallas, den behelmten Jüngling, mehrere tanzende Satyrn, das verhüllte Weibchen etc., zwischen zahl- reichen römischen Arbeiten. Auch bei den Terracotten desselbenb Museums (fünftes Zimmer der Terracotten) scheint das Beste zu fehlen. (Die Krugträgerin und die verhüllte Tänzerin -- beide von erstem Range -- wird man in Italien nur in Abgüssen vorfinden.) -- Die flo- rentinische Sammlung (Uffizien, zweites Zimmer der Bronzen) enthältc manches Vorzügliche, zugleich in etwas günstigerer Aufstellung. -- Es würde uns sehr weit führen, wenn wir näher auf den Styl dieser kleinen Meisterwerke und seine Bedingungen eingehen wollten; viel- leicht wendet sich ihnen die Vorliebe des Beschauers sehr rasch zu und in diesem Falle wird er erkennen, wie die Kunst auch in diesem bisweilen winzigen Massstabe kein einziges ihrer hohen, bleibenden Gesetze aufgab. Die kleinsten Figürchen sind plastisch untadelhaft gedacht; das Nette und Zierliche der Erscheinung diente nicht zum Deckmantel für lahme Formen und Linien. Man fühlt es durch, dass nicht ein Decorator den Künstler spielt, sondern dass eine Kunst die des Grössten fähig ist, sich zu ihrem eigenen Ergötzen im Kleinen ergeht. (Es ist natürlich von den bessern und ältern die Rede, denn die römischen sind zum Theil allerdings lahme Fabrikarbeit.)
In den römischen Sammlungen findet sich eine bedeutende An- zahl marmorner Statuetten, welche trotz der meist nur mittel- guten Arbeit doch ein eigenthümliches Interesse haben. Sie sind näm- lich wohl fast durchgängig (und selbst wo man es nicht direct beweisen kann) kleine Wiederholungen grosser Statuen und dienen somit zum unfehlbaren Beleg für die Werthschätzung, in welcher die grossen Ori- ginale standen. Ausserdem beachte man die Einfachheit der Arbeit, welche mit dem Geleckten und Auspolirten moderner Alabastercopien in offenem Gegensatze steht. Offenbar verlangte man im Alterthum von dem Copisten nur, dass er das Motiv des Ganzen mit mässigen Mit- teln wiedergebe; das Übrige ergänzte die Phantasie und das Gedächt-d niss. (Hauptstellen: das Museo Chiaramonti und der obere Gange des Vaticans, sowie die hintern Räume der Villa Borghese. Manchesf auch im Dogenpalast zu Venedig, Camera a letto.)
B. Cicerone. 32
Statuetten.
(kleine Bronzen, besonders das dritte Zimmer) enthält doch nur We-a niges von erstem Werthe, wie die Pallas, den behelmten Jüngling, mehrere tanzende Satyrn, das verhüllte Weibchen etc., zwischen zahl- reichen römischen Arbeiten. Auch bei den Terracotten desselbenb Museums (fünftes Zimmer der Terracotten) scheint das Beste zu fehlen. (Die Krugträgerin und die verhüllte Tänzerin — beide von erstem Range — wird man in Italien nur in Abgüssen vorfinden.) — Die flo- rentinische Sammlung (Uffizien, zweites Zimmer der Bronzen) enthältc manches Vorzügliche, zugleich in etwas günstigerer Aufstellung. — Es würde uns sehr weit führen, wenn wir näher auf den Styl dieser kleinen Meisterwerke und seine Bedingungen eingehen wollten; viel- leicht wendet sich ihnen die Vorliebe des Beschauers sehr rasch zu und in diesem Falle wird er erkennen, wie die Kunst auch in diesem bisweilen winzigen Massstabe kein einziges ihrer hohen, bleibenden Gesetze aufgab. Die kleinsten Figürchen sind plastisch untadelhaft gedacht; das Nette und Zierliche der Erscheinung diente nicht zum Deckmantel für lahme Formen und Linien. Man fühlt es durch, dass nicht ein Decorator den Künstler spielt, sondern dass eine Kunst die des Grössten fähig ist, sich zu ihrem eigenen Ergötzen im Kleinen ergeht. (Es ist natürlich von den bessern und ältern die Rede, denn die römischen sind zum Theil allerdings lahme Fabrikarbeit.)
In den römischen Sammlungen findet sich eine bedeutende An- zahl marmorner Statuetten, welche trotz der meist nur mittel- guten Arbeit doch ein eigenthümliches Interesse haben. Sie sind näm- lich wohl fast durchgängig (und selbst wo man es nicht direct beweisen kann) kleine Wiederholungen grosser Statuen und dienen somit zum unfehlbaren Beleg für die Werthschätzung, in welcher die grossen Ori- ginale standen. Ausserdem beachte man die Einfachheit der Arbeit, welche mit dem Geleckten und Auspolirten moderner Alabastercopien in offenem Gegensatze steht. Offenbar verlangte man im Alterthum von dem Copisten nur, dass er das Motiv des Ganzen mit mässigen Mit- teln wiedergebe; das Übrige ergänzte die Phantasie und das Gedächt-d niss. (Hauptstellen: das Museo Chiaramonti und der obere Gange des Vaticans, sowie die hintern Räume der Villa Borghese. Manchesf auch im Dogenpalast zu Venedig, Camera a letto.)
B. Cicerone. 32
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(kleine Bronzen, besonders das dritte Zimmer) enthält doch nur We-
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mehrere tanzende Satyrn, das verhüllte Weibchen etc., zwischen zahl-
reichen römischen Arbeiten. Auch bei den Terracotten desselben
Museums (fünftes Zimmer der Terracotten) scheint das Beste zu fehlen.
(Die Krugträgerin und die verhüllte Tänzerin — beide von erstem
Range — wird man in Italien nur in Abgüssen vorfinden.) — Die flo-
rentinische Sammlung (Uffizien, zweites Zimmer der Bronzen) enthält
manches Vorzügliche, zugleich in etwas günstigerer Aufstellung. —
Es würde uns sehr weit führen, wenn wir näher auf den Styl dieser
kleinen Meisterwerke und seine Bedingungen eingehen wollten; viel-
leicht wendet sich ihnen die Vorliebe des Beschauers sehr rasch zu
und in diesem Falle wird er erkennen, wie die Kunst auch in diesem
bisweilen winzigen Massstabe kein einziges ihrer hohen, bleibenden
Gesetze aufgab. Die kleinsten Figürchen sind plastisch untadelhaft
gedacht; das Nette und Zierliche der Erscheinung diente nicht zum
Deckmantel für lahme Formen und Linien. Man fühlt es durch, dass
nicht ein Decorator den Künstler spielt, sondern dass eine Kunst die
des Grössten fähig ist, sich zu ihrem eigenen Ergötzen im Kleinen
ergeht. (Es ist natürlich von den bessern und ältern die Rede, denn
die römischen sind zum Theil allerdings lahme Fabrikarbeit.)
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In den römischen Sammlungen findet sich eine bedeutende An-
zahl marmorner Statuetten, welche trotz der meist nur mittel-
guten Arbeit doch ein eigenthümliches Interesse haben. Sie sind näm-
lich wohl fast durchgängig (und selbst wo man es nicht direct beweisen
kann) kleine Wiederholungen grosser Statuen und dienen somit zum
unfehlbaren Beleg für die Werthschätzung, in welcher die grossen Ori-
ginale standen. Ausserdem beachte man die Einfachheit der Arbeit,
welche mit dem Geleckten und Auspolirten moderner Alabastercopien
in offenem Gegensatze steht. Offenbar verlangte man im Alterthum von
dem Copisten nur, dass er das Motiv des Ganzen mit mässigen Mit-
teln wiedergebe; das Übrige ergänzte die Phantasie und das Gedächt-
niss. (Hauptstellen: das Museo Chiaramonti und der obere Gang
des Vaticans, sowie die hintern Räume der Villa Borghese. Manches
auch im Dogenpalast zu Venedig, Camera a letto.)
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 497. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/519>, abgerufen am 18.12.2024.
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