reitung zum Schinden des Marsyas. Die Gründe für die Modernität lassen sich natürlich nur an Ort und Stelle vollständig entwickeln; ich glaube aber behaupten zu dürfen, dass eine solche Behandlung des Haares, ein solcher Kopfbau, ein solches Auge, endlich eine solche Draperie in der alten Kunst schwer mit Parallelen zu belegen sein werden. Das Linien-Motiv und im Ganzen auch die Behandlung ist von einer Vortrefflichkeit, die man allerdings am liebsten den Alten zutraut, wenn auch ersteres zur dargestellten Thätigkeit nicht voll- kommen passt. Jedenfalls würde, höchstens Michelangelo ausgenom- men, sich wohl kein Neuerer dazu melden dürfen 1).
In Betreff der Barbarenfrauen wurde schon angedeutet, dass ihre Darstellung im Ganzen dem Amazonentypus folgt. Diess gilt in abeschränktem Sinne auch von der kolossalen Statue in der Loggia de' Lanzi zu Florenz in welcher man neuerlich Thusnelda, die Ge- mahlin des Arminius, zu erkennen glaubt; sie hat das Schlank-Gewal- tige, auch die Bildung des Kopfes mit den Amazonen gemein, nur das lange Untergewand unterscheidet sie. Herrlich ist der Ausdruck des tiefen, aber gefassten Schmerzes in der plastisch unübertrefflichen Stellung und in dem ruhigen Antlitz mit den aufgelösten Haaren und den klagenden Augen niedergelegt; auch das vorzüglich schöne Ge- wand zeigt, dass wir eine Statue der besten Zeit, wahrscheinlich von dem Triumphbogen eines Fürsten des augusteischen Hauses vor uns haben.
In allen italienischen Sammlungen wird man die Kinderstatuen in einem sehr starken Verhältniss vertreten finden; es sind ihrer im Ganzen wohl mehrere Hunderte. In den antiken Häusern und Gärten müssen sie eine der beliebtesten Zierden gewesen sein und man darf sich Nischen, Brunnen, Lauben oft vorzugsweise durch sie belebt und motivirt denken. Von den neuern Kinderstatuen unterscheiden sie sich sämmtlich durch die Abwesenheit alles Träumerischen und Sen-
1) Der gelehrte Gori sah vor mehr als einem Jahrhundert im Besitz eines Bild- hauers zu Florenz ein kleines Thonexemplar des Arrotino, von Michelan- gelo, "der darin die Fehler des Originals glücklich verbessert hatte". Mus. florent. III, p. 95.
Antike Sculptur. Barbarinnen.
reitung zum Schinden des Marsyas. Die Gründe für die Modernität lassen sich natürlich nur an Ort und Stelle vollständig entwickeln; ich glaube aber behaupten zu dürfen, dass eine solche Behandlung des Haares, ein solcher Kopfbau, ein solches Auge, endlich eine solche Draperie in der alten Kunst schwer mit Parallelen zu belegen sein werden. Das Linien-Motiv und im Ganzen auch die Behandlung ist von einer Vortrefflichkeit, die man allerdings am liebsten den Alten zutraut, wenn auch ersteres zur dargestellten Thätigkeit nicht voll- kommen passt. Jedenfalls würde, höchstens Michelangelo ausgenom- men, sich wohl kein Neuerer dazu melden dürfen 1).
In Betreff der Barbarenfrauen wurde schon angedeutet, dass ihre Darstellung im Ganzen dem Amazonentypus folgt. Diess gilt in abeschränktem Sinne auch von der kolossalen Statue in der Loggia de’ Lanzi zu Florenz in welcher man neuerlich Thusnelda, die Ge- mahlin des Arminius, zu erkennen glaubt; sie hat das Schlank-Gewal- tige, auch die Bildung des Kopfes mit den Amazonen gemein, nur das lange Untergewand unterscheidet sie. Herrlich ist der Ausdruck des tiefen, aber gefassten Schmerzes in der plastisch unübertrefflichen Stellung und in dem ruhigen Antlitz mit den aufgelösten Haaren und den klagenden Augen niedergelegt; auch das vorzüglich schöne Ge- wand zeigt, dass wir eine Statue der besten Zeit, wahrscheinlich von dem Triumphbogen eines Fürsten des augusteischen Hauses vor uns haben.
In allen italienischen Sammlungen wird man die Kinderstatuen in einem sehr starken Verhältniss vertreten finden; es sind ihrer im Ganzen wohl mehrere Hunderte. In den antiken Häusern und Gärten müssen sie eine der beliebtesten Zierden gewesen sein und man darf sich Nischen, Brunnen, Lauben oft vorzugsweise durch sie belebt und motivirt denken. Von den neuern Kinderstatuen unterscheiden sie sich sämmtlich durch die Abwesenheit alles Träumerischen und Sen-
1) Der gelehrte Gori sah vor mehr als einem Jahrhundert im Besitz eines Bild- hauers zu Florenz ein kleines Thonexemplar des Arrotino, von Michelan- gelo, „der darin die Fehler des Originals glücklich verbessert hatte“. Mus. florent. III, p. 95.
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Antike Sculptur. Barbarinnen.
reitung zum Schinden des Marsyas. Die Gründe für die Modernität
lassen sich natürlich nur an Ort und Stelle vollständig entwickeln;
ich glaube aber behaupten zu dürfen, dass eine solche Behandlung
des Haares, ein solcher Kopfbau, ein solches Auge, endlich eine solche
Draperie in der alten Kunst schwer mit Parallelen zu belegen sein
werden. Das Linien-Motiv und im Ganzen auch die Behandlung ist
von einer Vortrefflichkeit, die man allerdings am liebsten den Alten
zutraut, wenn auch ersteres zur dargestellten Thätigkeit nicht voll-
kommen passt. Jedenfalls würde, höchstens Michelangelo ausgenom-
men, sich wohl kein Neuerer dazu melden dürfen 1).
In Betreff der Barbarenfrauen wurde schon angedeutet, dass
ihre Darstellung im Ganzen dem Amazonentypus folgt. Diess gilt in
beschränktem Sinne auch von der kolossalen Statue in der Loggia
de’ Lanzi zu Florenz in welcher man neuerlich Thusnelda, die Ge-
mahlin des Arminius, zu erkennen glaubt; sie hat das Schlank-Gewal-
tige, auch die Bildung des Kopfes mit den Amazonen gemein, nur das
lange Untergewand unterscheidet sie. Herrlich ist der Ausdruck des
tiefen, aber gefassten Schmerzes in der plastisch unübertrefflichen
Stellung und in dem ruhigen Antlitz mit den aufgelösten Haaren und
den klagenden Augen niedergelegt; auch das vorzüglich schöne Ge-
wand zeigt, dass wir eine Statue der besten Zeit, wahrscheinlich von
dem Triumphbogen eines Fürsten des augusteischen Hauses vor uns
haben.
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In allen italienischen Sammlungen wird man die Kinderstatuen
in einem sehr starken Verhältniss vertreten finden; es sind ihrer im
Ganzen wohl mehrere Hunderte. In den antiken Häusern und Gärten
müssen sie eine der beliebtesten Zierden gewesen sein und man darf
sich Nischen, Brunnen, Lauben oft vorzugsweise durch sie belebt und
motivirt denken. Von den neuern Kinderstatuen unterscheiden sie
sich sämmtlich durch die Abwesenheit alles Träumerischen und Sen-
1) Der gelehrte Gori sah vor mehr als einem Jahrhundert im Besitz eines Bild-
hauers zu Florenz ein kleines Thonexemplar des Arrotino, von Michelan-
gelo, „der darin die Fehler des Originals glücklich verbessert hatte“. Mus.
florent. III, p. 95.
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 492. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/514>, abgerufen am 21.11.2024.
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