Paläste scheint gewesen zu sein. (Eine Anzahl Composita-Capitälea in der Kirche Ara Celi zu Rom.)
Weit die grösste Anzahl erhaltener antiker Säulen, wohl in der Regel von Tempeln, findet man in den christlichen Basiliken Italiens, wo sie Mittelschiff und Vorhalle tragen, auch wohl auf alle Weise eingemauert stehen. Beim Sieg des Christenthums waren gewiss die heidnischen Tempel überall die ersten Gebäude, welche ihren Schmuck für die Kirchen hergeben mussten. Die ältern Basiliken, aus dem ersten christlichen Jahrtausend, da die Auswahl noch grösser war, ruhen in der Regel auf den ehemaligen Aussensäulen von einem antiken Ge- bäude, welche sich desshalb gleich sind und identische Capitäle haben. (Glänzendes Beispiel: S. Sabina auf dem Aventin). Später war manb schon genöthigt, Säulen von verschiedener Ordnung und Grösse von verschiedenen Gebäuden zusammen zu lesen, die einen zu kürzen, die andern durch Untersätze zu verlängern und mit barbarisch nachge- ahmten Capitälen nachzuhelfen. -- So wurden wohl die Tempel zu Kirchen umgewandelt, aber in einem ganz andern Sinne als man sich es wohl vorstellt. -- Wir zählen diese Bauten nicht hier auf, weil ihr wesentliches Interesse eine andere Stelle in Anspruch nimmt und weil die Detailbildung, namentlich an den korinthischen Säulen der Ba- siliken ausserhalb Roms, selten oder nirgends so vollkommen rein und schön ist, dass sie schon hier als klassisch erwähnt zu werden verdiente.
So gross nun der Verbrauch von Tempelsäulen für die Kirchen sein mochte, so weit man herkam, um in Rom Säulen zu holen 1), so ist doch das gänzliche Verschwinden vieler Tausende derselben immer noch eine unerklärte Thatsache. Rechne man hinzu die verlornen Ge- bälke, deren einzelne Theile doch, vom Architrav bis zum Kranzge- simse, also oft in einem Durchmesser bis zu sechs Fuss, aus Einem Stück gearbeitet wurden und sich, wenn sie noch da wären, bemerk- lich machen müssten. Neben den zwei Riesenfragmenten vom Son-
1) Bekanntlich geschah dies z. B. durch Carl den Grossen. -- Noch im XII. Jahr- hundert hing es an einem Haar, dass nicht für den Neubau von S. Denys bei Paris die Säulen fertig von Rom bezogen wurden.
Schicksal der Säulen etc.
Paläste scheint gewesen zu sein. (Eine Anzahl Composita-Capitälea in der Kirche Ara Celi zu Rom.)
Weit die grösste Anzahl erhaltener antiker Säulen, wohl in der Regel von Tempeln, findet man in den christlichen Basiliken Italiens, wo sie Mittelschiff und Vorhalle tragen, auch wohl auf alle Weise eingemauert stehen. Beim Sieg des Christenthums waren gewiss die heidnischen Tempel überall die ersten Gebäude, welche ihren Schmuck für die Kirchen hergeben mussten. Die ältern Basiliken, aus dem ersten christlichen Jahrtausend, da die Auswahl noch grösser war, ruhen in der Regel auf den ehemaligen Aussensäulen von einem antiken Ge- bäude, welche sich desshalb gleich sind und identische Capitäle haben. (Glänzendes Beispiel: S. Sabina auf dem Aventin). Später war manb schon genöthigt, Säulen von verschiedener Ordnung und Grösse von verschiedenen Gebäuden zusammen zu lesen, die einen zu kürzen, die andern durch Untersätze zu verlängern und mit barbarisch nachge- ahmten Capitälen nachzuhelfen. — So wurden wohl die Tempel zu Kirchen umgewandelt, aber in einem ganz andern Sinne als man sich es wohl vorstellt. — Wir zählen diese Bauten nicht hier auf, weil ihr wesentliches Interesse eine andere Stelle in Anspruch nimmt und weil die Detailbildung, namentlich an den korinthischen Säulen der Ba- siliken ausserhalb Roms, selten oder nirgends so vollkommen rein und schön ist, dass sie schon hier als klassisch erwähnt zu werden verdiente.
So gross nun der Verbrauch von Tempelsäulen für die Kirchen sein mochte, so weit man herkam, um in Rom Säulen zu holen 1), so ist doch das gänzliche Verschwinden vieler Tausende derselben immer noch eine unerklärte Thatsache. Rechne man hinzu die verlornen Ge- bälke, deren einzelne Theile doch, vom Architrav bis zum Kranzge- simse, also oft in einem Durchmesser bis zu sechs Fuss, aus Einem Stück gearbeitet wurden und sich, wenn sie noch da wären, bemerk- lich machen müssten. Neben den zwei Riesenfragmenten vom Son-
1) Bekanntlich geschah dies z. B. durch Carl den Grossen. — Noch im XII. Jahr- hundert hing es an einem Haar, dass nicht für den Neubau von S. Denys bei Paris die Säulen fertig von Rom bezogen wurden.
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Schicksal der Säulen etc.
Paläste scheint gewesen zu sein. (Eine Anzahl Composita-Capitäle
in der Kirche Ara Celi zu Rom.)
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Weit die grösste Anzahl erhaltener antiker Säulen, wohl in der
Regel von Tempeln, findet man in den christlichen Basiliken Italiens,
wo sie Mittelschiff und Vorhalle tragen, auch wohl auf alle Weise
eingemauert stehen. Beim Sieg des Christenthums waren gewiss die
heidnischen Tempel überall die ersten Gebäude, welche ihren Schmuck
für die Kirchen hergeben mussten. Die ältern Basiliken, aus dem ersten
christlichen Jahrtausend, da die Auswahl noch grösser war, ruhen in
der Regel auf den ehemaligen Aussensäulen von einem antiken Ge-
bäude, welche sich desshalb gleich sind und identische Capitäle haben.
(Glänzendes Beispiel: S. Sabina auf dem Aventin). Später war man
schon genöthigt, Säulen von verschiedener Ordnung und Grösse von
verschiedenen Gebäuden zusammen zu lesen, die einen zu kürzen, die
andern durch Untersätze zu verlängern und mit barbarisch nachge-
ahmten Capitälen nachzuhelfen. — So wurden wohl die Tempel zu
Kirchen umgewandelt, aber in einem ganz andern Sinne als man sich
es wohl vorstellt. — Wir zählen diese Bauten nicht hier auf, weil ihr
wesentliches Interesse eine andere Stelle in Anspruch nimmt und weil
die Detailbildung, namentlich an den korinthischen Säulen der Ba-
siliken ausserhalb Roms, selten oder nirgends so vollkommen rein und
schön ist, dass sie schon hier als klassisch erwähnt zu werden verdiente.
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So gross nun der Verbrauch von Tempelsäulen für die Kirchen
sein mochte, so weit man herkam, um in Rom Säulen zu holen 1), so
ist doch das gänzliche Verschwinden vieler Tausende derselben immer
noch eine unerklärte Thatsache. Rechne man hinzu die verlornen Ge-
bälke, deren einzelne Theile doch, vom Architrav bis zum Kranzge-
simse, also oft in einem Durchmesser bis zu sechs Fuss, aus Einem
Stück gearbeitet wurden und sich, wenn sie noch da wären, bemerk-
lich machen müssten. Neben den zwei Riesenfragmenten vom Son-
1) Bekanntlich geschah dies z. B. durch Carl den Grossen. — Noch im XII. Jahr-
hundert hing es an einem Haar, dass nicht für den Neubau von S. Denys
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/49>, abgerufen am 04.12.2024.
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