gedachte verhüllte Figur einen restaurirten Kopf. -- Von den vier be- atreffenden Statuen des Musenzimmers in der Villa Borghese ist nur etwa die Melpomene besser gearbeitet als das entsprechende vaticani- sche Exemplar; gerade so viel, um das Verlangen zu steigern nach dem gewiss wunderbaren Original dieser Jungfrau mit dem Weinlaub im Haar und mit dem auf den Fels gestützten linken Fuss. -- In der bVilla Ludovisi mehrere gering ausgeführte Musenstatuen von gutem cMotiv. -- An der Treppe des Conservatorenpalastes auf dem Capitol eine vorgebliche Urania, jedenfalls sehr schön als Gewandstatue.
Eine anregende Vergleichung mit den Musen gewähren, am Ein- dgang der Sala rotonda des Vaticans, die zwei grossen Büsten, in wel- chen die (sonst als Musen personificirten) Comödie und Tragödie be- sonders dargestellt sind; Köpfe von reifer Anmuth und mildem Ernst, aber ohne Liebreiz.
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Im Museum von Neapel empfängt uns, und zwar gleich in der untern Vorhalle, eine jener colossalen Musen, wie sie wohl öfter zum Schmuck von grossen Theatern gearbeitet worden sind. Die flüch- tige Arbeit und die Berechnung auf eine Nische deuten klar auf eine derartige decorative Bestimmung hin. (Sie ist nur für die Vorder- ansicht gedacht, wie das Zurücktreten des Oberleibes gegen Hüften und Schenkel und selbst die Profilansicht des Kopfes beweist.) Man nennt sie Urania, und die linke Hand mit dem Globus, welche diesen Namen veranlasst, ist wohl wirklich alt; dem Typus nach ist sie eine, zwar nicht ganz ebenbürtige, Schwester der Pariser Melpomene. Alles ist gross und einfach gegeben, das lange Kleid mit der geraden vor- dern Falte, der auf den Schultern mit Spangen befestigte Mantel, das Vortreten des linken, die Beugung des rechten Fusses. Der Kopf ist mehr den göttlichen Bildungen genähert und scheint zwischen Hera und Aphrodite in der Mitte zu stehen. -- Diess war an sich nicht noth- wendig, denn dass auch das Mädchenhaft-Liebliche des eigentlichen Musentypus sich in höchst colossalem Massstab darstellen lässt, zeigt fder schöne Kopf der Villa Borghese (Hauptsaal) welcher wohl mit Unrecht als Juno gegolten hat. -- (Von ähnlicher Art, aber geringer, gdie colossale Muse im Hof des Pal. Borghese zu Rom, die auch wohl als Apollo Musagetes bezeichnet wird.)
Antike Sculptur. Musen.
gedachte verhüllte Figur einen restaurirten Kopf. — Von den vier be- atreffenden Statuen des Musenzimmers in der Villa Borghese ist nur etwa die Melpomene besser gearbeitet als das entsprechende vaticani- sche Exemplar; gerade so viel, um das Verlangen zu steigern nach dem gewiss wunderbaren Original dieser Jungfrau mit dem Weinlaub im Haar und mit dem auf den Fels gestützten linken Fuss. — In der bVilla Ludovisi mehrere gering ausgeführte Musenstatuen von gutem cMotiv. — An der Treppe des Conservatorenpalastes auf dem Capitol eine vorgebliche Urania, jedenfalls sehr schön als Gewandstatue.
Eine anregende Vergleichung mit den Musen gewähren, am Ein- dgang der Sala rotonda des Vaticans, die zwei grossen Büsten, in wel- chen die (sonst als Musen personificirten) Comödie und Tragödie be- sonders dargestellt sind; Köpfe von reifer Anmuth und mildem Ernst, aber ohne Liebreiz.
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Im Museum von Neapel empfängt uns, und zwar gleich in der untern Vorhalle, eine jener colossalen Musen, wie sie wohl öfter zum Schmuck von grossen Theatern gearbeitet worden sind. Die flüch- tige Arbeit und die Berechnung auf eine Nische deuten klar auf eine derartige decorative Bestimmung hin. (Sie ist nur für die Vorder- ansicht gedacht, wie das Zurücktreten des Oberleibes gegen Hüften und Schenkel und selbst die Profilansicht des Kopfes beweist.) Man nennt sie Urania, und die linke Hand mit dem Globus, welche diesen Namen veranlasst, ist wohl wirklich alt; dem Typus nach ist sie eine, zwar nicht ganz ebenbürtige, Schwester der Pariser Melpomene. Alles ist gross und einfach gegeben, das lange Kleid mit der geraden vor- dern Falte, der auf den Schultern mit Spangen befestigte Mantel, das Vortreten des linken, die Beugung des rechten Fusses. Der Kopf ist mehr den göttlichen Bildungen genähert und scheint zwischen Hera und Aphrodite in der Mitte zu stehen. — Diess war an sich nicht noth- wendig, denn dass auch das Mädchenhaft-Liebliche des eigentlichen Musentypus sich in höchst colossalem Massstab darstellen lässt, zeigt fder schöne Kopf der Villa Borghese (Hauptsaal) welcher wohl mit Unrecht als Juno gegolten hat. — (Von ähnlicher Art, aber geringer, gdie colossale Muse im Hof des Pal. Borghese zu Rom, die auch wohl als Apollo Musagetes bezeichnet wird.)
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Antike Sculptur. Musen.
gedachte verhüllte Figur einen restaurirten Kopf. — Von den vier be-
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etwa die Melpomene besser gearbeitet als das entsprechende vaticani-
sche Exemplar; gerade so viel, um das Verlangen zu steigern nach
dem gewiss wunderbaren Original dieser Jungfrau mit dem Weinlaub
im Haar und mit dem auf den Fels gestützten linken Fuss. — In der
Villa Ludovisi mehrere gering ausgeführte Musenstatuen von gutem
Motiv. — An der Treppe des Conservatorenpalastes auf dem Capitol
eine vorgebliche Urania, jedenfalls sehr schön als Gewandstatue.
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Eine anregende Vergleichung mit den Musen gewähren, am Ein-
gang der Sala rotonda des Vaticans, die zwei grossen Büsten, in wel-
chen die (sonst als Musen personificirten) Comödie und Tragödie be-
sonders dargestellt sind; Köpfe von reifer Anmuth und mildem Ernst,
aber ohne Liebreiz.
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Im Museum von Neapel empfängt uns, und zwar gleich in der
untern Vorhalle, eine jener colossalen Musen, wie sie wohl öfter
zum Schmuck von grossen Theatern gearbeitet worden sind. Die flüch-
tige Arbeit und die Berechnung auf eine Nische deuten klar auf eine
derartige decorative Bestimmung hin. (Sie ist nur für die Vorder-
ansicht gedacht, wie das Zurücktreten des Oberleibes gegen Hüften
und Schenkel und selbst die Profilansicht des Kopfes beweist.) Man
nennt sie Urania, und die linke Hand mit dem Globus, welche diesen
Namen veranlasst, ist wohl wirklich alt; dem Typus nach ist sie eine,
zwar nicht ganz ebenbürtige, Schwester der Pariser Melpomene. Alles
ist gross und einfach gegeben, das lange Kleid mit der geraden vor-
dern Falte, der auf den Schultern mit Spangen befestigte Mantel, das
Vortreten des linken, die Beugung des rechten Fusses. Der Kopf ist
mehr den göttlichen Bildungen genähert und scheint zwischen Hera
und Aphrodite in der Mitte zu stehen. — Diess war an sich nicht noth-
wendig, denn dass auch das Mädchenhaft-Liebliche des eigentlichen
Musentypus sich in höchst colossalem Massstab darstellen lässt, zeigt
der schöne Kopf der Villa Borghese (Hauptsaal) welcher wohl mit
Unrecht als Juno gegolten hat. — (Von ähnlicher Art, aber geringer,
die colossale Muse im Hof des Pal. Borghese zu Rom, die auch wohl
als Apollo Musagetes bezeichnet wird.)
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 460. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/482>, abgerufen am 18.12.2024.
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