julischen Geschlechtes; ihr gelobte Cäsar bei Pharsalus jenen Tempel, von welchem noch in Torre de' Conti unterhalb des Esquilins die kümmerlichen Reste vorhanden sind. -- An den Statuen dieser Gat- tung ist der Kopf natürlich meist das Porträt irgend einer Kaiserin; wo die Göttin selber gemeint ist, trägt sie matronale, aber noch ju- gendlich schöne Züge, wie z. B. die wohlerhaltene und als Decora- tionsfigur gut gearbeitete florentinische Statue beweist.
An den spätern Typus der Aphrodite, wie er sich in der medi- ceischen, in der Venus accroupie u. s. w. zeigt, schliessen sich eine Anzahl halbgöttlicher Wesen verschiedener mythologischer Bedeutung an. Sie sind sämmtlich halb oder ganz bekleidet, denn die Nacktheit ist nur der Göttin und der Buhlerin eigen. Ihre Züge haben bei grossem Reiz und vieler Ähnlichkeit doch nicht das Göttliche der Aphrodite, lassen vielmehr eine Umbildung derselben in das Niedliche und Graziöse erkennen. (Der Kopf schmal und länglich, doch bis- weilen auch jugendlich rund mit kurzem Näschen; der untere Theil des Gesichtes ins Enge gezogen.) Das Wesentliche aber ist das Motiv der Stellung und Bewegung.
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So wird man z. B. zugestehen, dass die vaticanische Da- naide (Galeria delle Statue), welche das Schöpfgefäss vor sich hält, sich schöner neigt als die Kunst diess Motiv sonst dargestellt hat. Die sanfte Bewegung, welche Hals, Rücken, Leib und Hüften beseelt und sich in der Gewandung fortsetzt, hat nicht mehr ihres Gleichen; die Arme sind restaurirt, allerdings trefflich. In den halbgeschlossnen Augen ist der Schmerz über die vergebliche Arbeit leise angedeutet. b(Ein ungleich geringeres und stark restaurirtes Exemplar im Tyrtäus- zimmer der Villa Borghese.)
Diesen nämlichen Typus, welchen man etwa als den der Nym- phen bezeichnen könnte, spricht eine niedrig sitzende bekleidete cFigur 1) aus, welche den einen Arm aufstützt und vor sich abwärts schaut. (Vatican, Galeria delle statue; ein zweites Exemplar im obern Stockwerk des Palastes Barberini zu Rom.) Man glaubte in ihr die trauernde Dido zu erkennen, allein es ist wohl eher eine liebliche,
1) Der Kopf ist eine Restauration, aber wahrscheinlich eine antike.
Antike Sculptur. Danaide.
julischen Geschlechtes; ihr gelobte Cäsar bei Pharsalus jenen Tempel, von welchem noch in Torre de’ Conti unterhalb des Esquilins die kümmerlichen Reste vorhanden sind. — An den Statuen dieser Gat- tung ist der Kopf natürlich meist das Porträt irgend einer Kaiserin; wo die Göttin selber gemeint ist, trägt sie matronale, aber noch ju- gendlich schöne Züge, wie z. B. die wohlerhaltene und als Decora- tionsfigur gut gearbeitete florentinische Statue beweist.
An den spätern Typus der Aphrodite, wie er sich in der medi- ceischen, in der Vénus accroupie u. s. w. zeigt, schliessen sich eine Anzahl halbgöttlicher Wesen verschiedener mythologischer Bedeutung an. Sie sind sämmtlich halb oder ganz bekleidet, denn die Nacktheit ist nur der Göttin und der Buhlerin eigen. Ihre Züge haben bei grossem Reiz und vieler Ähnlichkeit doch nicht das Göttliche der Aphrodite, lassen vielmehr eine Umbildung derselben in das Niedliche und Graziöse erkennen. (Der Kopf schmal und länglich, doch bis- weilen auch jugendlich rund mit kurzem Näschen; der untere Theil des Gesichtes ins Enge gezogen.) Das Wesentliche aber ist das Motiv der Stellung und Bewegung.
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So wird man z. B. zugestehen, dass die vaticanische Da- naide (Galeria delle Statue), welche das Schöpfgefäss vor sich hält, sich schöner neigt als die Kunst diess Motiv sonst dargestellt hat. Die sanfte Bewegung, welche Hals, Rücken, Leib und Hüften beseelt und sich in der Gewandung fortsetzt, hat nicht mehr ihres Gleichen; die Arme sind restaurirt, allerdings trefflich. In den halbgeschlossnen Augen ist der Schmerz über die vergebliche Arbeit leise angedeutet. b(Ein ungleich geringeres und stark restaurirtes Exemplar im Tyrtäus- zimmer der Villa Borghese.)
Diesen nämlichen Typus, welchen man etwa als den der Nym- phen bezeichnen könnte, spricht eine niedrig sitzende bekleidete cFigur 1) aus, welche den einen Arm aufstützt und vor sich abwärts schaut. (Vatican, Galeria delle statue; ein zweites Exemplar im obern Stockwerk des Palastes Barberini zu Rom.) Man glaubte in ihr die trauernde Dido zu erkennen, allein es ist wohl eher eine liebliche,
1) Der Kopf ist eine Restauration, aber wahrscheinlich eine antike.
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Antike Sculptur. Danaide.
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kümmerlichen Reste vorhanden sind. — An den Statuen dieser Gat-
tung ist der Kopf natürlich meist das Porträt irgend einer Kaiserin;
wo die Göttin selber gemeint ist, trägt sie matronale, aber noch ju-
gendlich schöne Züge, wie z. B. die wohlerhaltene und als Decora-
tionsfigur gut gearbeitete florentinische Statue beweist.
An den spätern Typus der Aphrodite, wie er sich in der medi-
ceischen, in der Vénus accroupie u. s. w. zeigt, schliessen sich eine
Anzahl halbgöttlicher Wesen verschiedener mythologischer Bedeutung
an. Sie sind sämmtlich halb oder ganz bekleidet, denn die Nacktheit
ist nur der Göttin und der Buhlerin eigen. Ihre Züge haben bei
grossem Reiz und vieler Ähnlichkeit doch nicht das Göttliche der
Aphrodite, lassen vielmehr eine Umbildung derselben in das Niedliche
und Graziöse erkennen. (Der Kopf schmal und länglich, doch bis-
weilen auch jugendlich rund mit kurzem Näschen; der untere Theil
des Gesichtes ins Enge gezogen.) Das Wesentliche aber ist das
Motiv der Stellung und Bewegung.
So wird man z. B. zugestehen, dass die vaticanische Da-
naide (Galeria delle Statue), welche das Schöpfgefäss vor sich hält,
sich schöner neigt als die Kunst diess Motiv sonst dargestellt hat.
Die sanfte Bewegung, welche Hals, Rücken, Leib und Hüften beseelt
und sich in der Gewandung fortsetzt, hat nicht mehr ihres Gleichen;
die Arme sind restaurirt, allerdings trefflich. In den halbgeschlossnen
Augen ist der Schmerz über die vergebliche Arbeit leise angedeutet.
(Ein ungleich geringeres und stark restaurirtes Exemplar im Tyrtäus-
zimmer der Villa Borghese.)
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Diesen nämlichen Typus, welchen man etwa als den der Nym-
phen bezeichnen könnte, spricht eine niedrig sitzende bekleidete
Figur 1) aus, welche den einen Arm aufstützt und vor sich abwärts
schaut. (Vatican, Galeria delle statue; ein zweites Exemplar im obern
Stockwerk des Palastes Barberini zu Rom.) Man glaubte in ihr die
trauernde Dido zu erkennen, allein es ist wohl eher eine liebliche,
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1) Der Kopf ist eine Restauration, aber wahrscheinlich eine antike.
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 454. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/476>, abgerufen am 18.12.2024.
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