aliessen. An S. Paolo in Neapel stehen von der Colonnade des Dios- kurentempels, die noch im XVII. Jahrhundert fast vollständig zu sehen bwar, nur noch zwei korinthische Säulen. Den Dioskurentempel in Cora muss man aus zwei korinthischen Säulen mit einem Gebälk- cstücke ergänzen. Der grosse Fortunentempel von Palestrina ist mit all seinem Terrassen- und Treppenwerk von einem Theil des jetzigen Städtchens völlig überbaut; ehemals vielleicht eine der präch- dtigsten Anlagen der alten Welt. Der Dom von Terracina ist in die Trümmer eines korinthischen (?) Tempels, wahrscheinlich des Ju- piter Anxur hineingebaut, von welchem noch der Unterbau und zwei Halbsäulen (hinten) eine bedeutende Idee geben.
Vorzüglich durch die Anlage bedeutend ist der ebenfalls korinthi- esche Herculestempel zu Brescia; an einen Abhang gelehnt und desshalb mehr Breitbau als Tiefbau, ragt er mit seinen drei Cellen auf hohen Substructionen; der Porticus tritt in der Mitte um zwei Säulen vor, und an diesen Vorbau setzt dann die breite Treppe an. Von den Säulen und den Mauern der (jetzt innen zum Museum be- nützten) Cellen ist so viel erhalten, dass das Auge mit dem grössten Vergnügen sich den ehemaligen, hochmalerischen Anblick des Ganzen vergegenwärtigen kann.
Von den Tempeln in Pompeji erhebt sich, seit dem Verschwin- den des altdorischen Heraklestempels, keiner über ein bescheidenes Maass; ihre Säulen, meist aus Ziegeln mit Stuccoüberzug, sind in so beschädigtem Zustand auf unsere Zeit gekommen, dass bei mehreren fselbst die Ordnung zweifelhaft bleibt, der sie angehörten. Der Jupiter- tempel auf dem Forum hat noch Reste seiner korinthischen Vorhalle (ausser der schon erwähnten ionischen Ordnung im Innern); allein das Material gestattete nicht diejenige freie und lebendige Durchbildung, welche das korinthische Capitäl, das Lieblingskind des weissen Mar- mors, verlangt. Pompeji liefert hier, wie in mancher andern Bezie- hung, wichtige Aufschlüsse darüber, wie die Alten auch mit geringen Mitteln einen erfreulichen Anblick hervorzubringen wussten. Allerdings muss das Auge hier (wider Erwarten) gar Vieles restauriren, indem die vielleicht meistentheils hölzernen Gebälke verschwunden und die
Architektur. Tempelfragmente. Pompeji.
aliessen. An S. Paolo in Neapel stehen von der Colonnade des Dios- kurentempels, die noch im XVII. Jahrhundert fast vollständig zu sehen bwar, nur noch zwei korinthische Säulen. Den Dioskurentempel in Cora muss man aus zwei korinthischen Säulen mit einem Gebälk- cstücke ergänzen. Der grosse Fortunentempel von Palestrina ist mit all seinem Terrassen- und Treppenwerk von einem Theil des jetzigen Städtchens völlig überbaut; ehemals vielleicht eine der präch- dtigsten Anlagen der alten Welt. Der Dom von Terracina ist in die Trümmer eines korinthischen (?) Tempels, wahrscheinlich des Ju- piter Anxur hineingebaut, von welchem noch der Unterbau und zwei Halbsäulen (hinten) eine bedeutende Idee geben.
Vorzüglich durch die Anlage bedeutend ist der ebenfalls korinthi- esche Herculestempel zu Brescia; an einen Abhang gelehnt und desshalb mehr Breitbau als Tiefbau, ragt er mit seinen drei Cellen auf hohen Substructionen; der Porticus tritt in der Mitte um zwei Säulen vor, und an diesen Vorbau setzt dann die breite Treppe an. Von den Säulen und den Mauern der (jetzt innen zum Museum be- nützten) Cellen ist so viel erhalten, dass das Auge mit dem grössten Vergnügen sich den ehemaligen, hochmalerischen Anblick des Ganzen vergegenwärtigen kann.
Von den Tempeln in Pompeji erhebt sich, seit dem Verschwin- den des altdorischen Heraklestempels, keiner über ein bescheidenes Maass; ihre Säulen, meist aus Ziegeln mit Stuccoüberzug, sind in so beschädigtem Zustand auf unsere Zeit gekommen, dass bei mehreren fselbst die Ordnung zweifelhaft bleibt, der sie angehörten. Der Jupiter- tempel auf dem Forum hat noch Reste seiner korinthischen Vorhalle (ausser der schon erwähnten ionischen Ordnung im Innern); allein das Material gestattete nicht diejenige freie und lebendige Durchbildung, welche das korinthische Capitäl, das Lieblingskind des weissen Mar- mors, verlangt. Pompeji liefert hier, wie in mancher andern Bezie- hung, wichtige Aufschlüsse darüber, wie die Alten auch mit geringen Mitteln einen erfreulichen Anblick hervorzubringen wussten. Allerdings muss das Auge hier (wider Erwarten) gar Vieles restauriren, indem die vielleicht meistentheils hölzernen Gebälke verschwunden und die
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Architektur. Tempelfragmente. Pompeji.
liessen. An S. Paolo in Neapel stehen von der Colonnade des Dios-
kurentempels, die noch im XVII. Jahrhundert fast vollständig zu sehen
war, nur noch zwei korinthische Säulen. Den Dioskurentempel
in Cora muss man aus zwei korinthischen Säulen mit einem Gebälk-
stücke ergänzen. Der grosse Fortunentempel von Palestrina
ist mit all seinem Terrassen- und Treppenwerk von einem Theil des
jetzigen Städtchens völlig überbaut; ehemals vielleicht eine der präch-
tigsten Anlagen der alten Welt. Der Dom von Terracina ist in
die Trümmer eines korinthischen (?) Tempels, wahrscheinlich des Ju-
piter Anxur hineingebaut, von welchem noch der Unterbau und zwei
Halbsäulen (hinten) eine bedeutende Idee geben.
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Vorzüglich durch die Anlage bedeutend ist der ebenfalls korinthi-
sche Herculestempel zu Brescia; an einen Abhang gelehnt und
desshalb mehr Breitbau als Tiefbau, ragt er mit seinen drei Cellen
auf hohen Substructionen; der Porticus tritt in der Mitte um zwei
Säulen vor, und an diesen Vorbau setzt dann die breite Treppe an.
Von den Säulen und den Mauern der (jetzt innen zum Museum be-
nützten) Cellen ist so viel erhalten, dass das Auge mit dem grössten
Vergnügen sich den ehemaligen, hochmalerischen Anblick des Ganzen
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Von den Tempeln in Pompeji erhebt sich, seit dem Verschwin-
den des altdorischen Heraklestempels, keiner über ein bescheidenes
Maass; ihre Säulen, meist aus Ziegeln mit Stuccoüberzug, sind in so
beschädigtem Zustand auf unsere Zeit gekommen, dass bei mehreren
selbst die Ordnung zweifelhaft bleibt, der sie angehörten. Der Jupiter-
tempel auf dem Forum hat noch Reste seiner korinthischen Vorhalle
(ausser der schon erwähnten ionischen Ordnung im Innern); allein das
Material gestattete nicht diejenige freie und lebendige Durchbildung,
welche das korinthische Capitäl, das Lieblingskind des weissen Mar-
mors, verlangt. Pompeji liefert hier, wie in mancher andern Bezie-
hung, wichtige Aufschlüsse darüber, wie die Alten auch mit geringen
Mitteln einen erfreulichen Anblick hervorzubringen wussten. Allerdings
muss das Auge hier (wider Erwarten) gar Vieles restauriren, indem
die vielleicht meistentheils hölzernen Gebälke verschwunden und die
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/46>, abgerufen am 04.12.2024.
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