geführt. Die Wanddecoration -- dünne Pilaster mit derben Arabesken, Schilde mit schwarzen Halbkugeln, Einrahmungen von grauem Mar- mor -- hat einen spielend decorativen Charakter. Zu diesem Ganzen componirte später Jacopo Sansovino den reichen vegetabilischen Fries mit Putten und das Kranzgesimse, Palladio aber die schönen Fenster, deren Obersims mit Consolen seinen Styl leicht verräth. (Die Attica modern, der kleine Anbau rechts wohl ebenfalls von Formentone.)
Von einfacherer, älterer Renaissance sind die links gelegenen aPrigioni, in der Mitte durch eine hübsche Durchgangshalle unter- brochen. -- Privatpaläste sind wenige oder keine aus dieser Zeit vor- bhanden; Pal. Longo, an sich nicht eben bedeutend, gehört schon dem Styl des XVI. Jahrhunderts an.
Endlich eine der wunderlichsten Kirchen der Frührenaissance: cS. Maria de' miracoli. Die Fassade, im Styl der Lombardi, hat ganz die engräumige venezianische Pracht, welche deren Bauten be- zeichnet; das heiterste Detail -- unterhöhlt gearbeitete Arabesken, runde Freibogen als obere Mauerabschlüsse etc. -- kann den Mangel an Composition nicht ersetzen. Innen ein griechisches Kreuz mit vier Eckräumen; sonderbarer Weise haben hier diese letztern und der mittlere Kreuzraum Tonnengewölbe, während 4 Kuppeln (zwei höhere und zwei niedrigere) auf die 4 Kreuzarme vertheilt sind; der Chor ein hinterer Anbau mit Tonnengewölbe. Candelaberartige Säulen zwi- schen den Hauptpfeilern isoliren die einzelnen Räume; die Durchblicke gewähren mit dem eigenthümlichen Lichteinfall ganz angenehme Ar- chitekturbilder, wozu der Reichthum des Einzelnen -- hier eher im Styl eines Scarpagnino -- ebenfalls beiträgt. Unter den Versuchen im Gebiet des Vielkuppelsystems ist diess Gebäude einer der ge- wagtesten. (Die obern Theile des ganzen Innern sind durch Rococo- stuccaturen nicht gerade entstellt, doch ihres wahren Charakters be- draubt.) -- An S. Maria delle grazie verdient der artige kleine Hof mit dem Brünnchen wenigstens einen Blick.
e
In Bergamo ist die an S. Maria maggiore angebaute Capelle Coleoni innen stark erneuert, aussen eine bunte, reiche und in ihrer
Frührenaissance. Brescia. Bergamo.
geführt. Die Wanddecoration — dünne Pilaster mit derben Arabesken, Schilde mit schwarzen Halbkugeln, Einrahmungen von grauem Mar- mor — hat einen spielend decorativen Charakter. Zu diesem Ganzen componirte später Jacopo Sansovino den reichen vegetabilischen Fries mit Putten und das Kranzgesimse, Palladio aber die schönen Fenster, deren Obersims mit Consolen seinen Styl leicht verräth. (Die Attica modern, der kleine Anbau rechts wohl ebenfalls von Formentone.)
Von einfacherer, älterer Renaissance sind die links gelegenen aPrigioni, in der Mitte durch eine hübsche Durchgangshalle unter- brochen. — Privatpaläste sind wenige oder keine aus dieser Zeit vor- bhanden; Pal. Longo, an sich nicht eben bedeutend, gehört schon dem Styl des XVI. Jahrhunderts an.
Endlich eine der wunderlichsten Kirchen der Frührenaissance: cS. Maria de’ miracoli. Die Fassade, im Styl der Lombardi, hat ganz die engräumige venezianische Pracht, welche deren Bauten be- zeichnet; das heiterste Detail — unterhöhlt gearbeitete Arabesken, runde Freibogen als obere Mauerabschlüsse etc. — kann den Mangel an Composition nicht ersetzen. Innen ein griechisches Kreuz mit vier Eckräumen; sonderbarer Weise haben hier diese letztern und der mittlere Kreuzraum Tonnengewölbe, während 4 Kuppeln (zwei höhere und zwei niedrigere) auf die 4 Kreuzarme vertheilt sind; der Chor ein hinterer Anbau mit Tonnengewölbe. Candelaberartige Säulen zwi- schen den Hauptpfeilern isoliren die einzelnen Räume; die Durchblicke gewähren mit dem eigenthümlichen Lichteinfall ganz angenehme Ar- chitekturbilder, wozu der Reichthum des Einzelnen — hier eher im Styl eines Scarpagnino — ebenfalls beiträgt. Unter den Versuchen im Gebiet des Vielkuppelsystems ist diess Gebäude einer der ge- wagtesten. (Die obern Theile des ganzen Innern sind durch Rococo- stuccaturen nicht gerade entstellt, doch ihres wahren Charakters be- draubt.) — An S. Maria delle grazie verdient der artige kleine Hof mit dem Brünnchen wenigstens einen Blick.
e
In Bergamo ist die an S. Maria maggiore angebaute Capelle Coleoni innen stark erneuert, aussen eine bunte, reiche und in ihrer
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0248"n="226"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Frührenaissance. Brescia. Bergamo.</hi></fw><lb/>
geführt. Die Wanddecoration — dünne Pilaster mit derben Arabesken,<lb/>
Schilde mit schwarzen Halbkugeln, Einrahmungen von grauem Mar-<lb/>
mor — hat einen spielend decorativen Charakter. Zu diesem Ganzen<lb/>
componirte später Jacopo Sansovino den reichen vegetabilischen Fries<lb/>
mit Putten und das Kranzgesimse, Palladio aber die schönen Fenster,<lb/>
deren Obersims mit Consolen seinen Styl leicht verräth. (Die Attica<lb/>
modern, der kleine Anbau rechts wohl ebenfalls von Formentone.)</p><lb/><p>Von einfacherer, älterer Renaissance sind die links gelegenen<lb/><noteplace="left">a</note>Prigioni, in der Mitte durch eine hübsche Durchgangshalle unter-<lb/>
brochen. — Privatpaläste sind wenige oder keine aus dieser Zeit vor-<lb/><noteplace="left">b</note>handen; Pal. Longo, an sich nicht eben bedeutend, gehört schon dem<lb/>
Styl des XVI. Jahrhunderts an.</p><lb/><p>Endlich eine der wunderlichsten Kirchen der Frührenaissance:<lb/><noteplace="left">c</note>S. <hirendition="#g">Maria de’ miracoli</hi>. Die Fassade, im Styl der Lombardi, hat<lb/>
ganz die engräumige venezianische Pracht, welche deren Bauten be-<lb/>
zeichnet; das heiterste Detail — unterhöhlt gearbeitete Arabesken,<lb/>
runde Freibogen als obere Mauerabschlüsse etc. — kann den Mangel<lb/>
an Composition nicht ersetzen. Innen ein griechisches Kreuz mit vier<lb/>
Eckräumen; sonderbarer Weise haben hier diese letztern und der<lb/>
mittlere Kreuzraum Tonnengewölbe, während 4 Kuppeln (zwei höhere<lb/>
und zwei niedrigere) auf die 4 Kreuzarme vertheilt sind; der Chor<lb/>
ein hinterer Anbau mit Tonnengewölbe. Candelaberartige Säulen zwi-<lb/>
schen den Hauptpfeilern isoliren die einzelnen Räume; die Durchblicke<lb/>
gewähren mit dem eigenthümlichen Lichteinfall ganz angenehme Ar-<lb/>
chitekturbilder, wozu der Reichthum des Einzelnen — hier eher im<lb/>
Styl eines Scarpagnino — ebenfalls beiträgt. Unter den Versuchen<lb/>
im Gebiet des Vielkuppelsystems ist diess Gebäude einer der ge-<lb/>
wagtesten. (Die obern Theile des ganzen Innern sind durch Rococo-<lb/>
stuccaturen nicht gerade entstellt, doch ihres wahren Charakters be-<lb/><noteplace="left">d</note>raubt.) — An S. Maria delle grazie verdient der artige kleine Hof<lb/>
mit dem Brünnchen wenigstens einen Blick.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><noteplace="left">e</note><p>In <hirendition="#g">Bergamo</hi> ist die an S. Maria maggiore angebaute <hirendition="#g">Capelle<lb/>
Coleoni</hi> innen stark erneuert, aussen eine bunte, reiche und in ihrer<lb/></p></div></body></text></TEI>
[226/0248]
Frührenaissance. Brescia. Bergamo.
geführt. Die Wanddecoration — dünne Pilaster mit derben Arabesken,
Schilde mit schwarzen Halbkugeln, Einrahmungen von grauem Mar-
mor — hat einen spielend decorativen Charakter. Zu diesem Ganzen
componirte später Jacopo Sansovino den reichen vegetabilischen Fries
mit Putten und das Kranzgesimse, Palladio aber die schönen Fenster,
deren Obersims mit Consolen seinen Styl leicht verräth. (Die Attica
modern, der kleine Anbau rechts wohl ebenfalls von Formentone.)
Von einfacherer, älterer Renaissance sind die links gelegenen
Prigioni, in der Mitte durch eine hübsche Durchgangshalle unter-
brochen. — Privatpaläste sind wenige oder keine aus dieser Zeit vor-
handen; Pal. Longo, an sich nicht eben bedeutend, gehört schon dem
Styl des XVI. Jahrhunderts an.
a
b
Endlich eine der wunderlichsten Kirchen der Frührenaissance:
S. Maria de’ miracoli. Die Fassade, im Styl der Lombardi, hat
ganz die engräumige venezianische Pracht, welche deren Bauten be-
zeichnet; das heiterste Detail — unterhöhlt gearbeitete Arabesken,
runde Freibogen als obere Mauerabschlüsse etc. — kann den Mangel
an Composition nicht ersetzen. Innen ein griechisches Kreuz mit vier
Eckräumen; sonderbarer Weise haben hier diese letztern und der
mittlere Kreuzraum Tonnengewölbe, während 4 Kuppeln (zwei höhere
und zwei niedrigere) auf die 4 Kreuzarme vertheilt sind; der Chor
ein hinterer Anbau mit Tonnengewölbe. Candelaberartige Säulen zwi-
schen den Hauptpfeilern isoliren die einzelnen Räume; die Durchblicke
gewähren mit dem eigenthümlichen Lichteinfall ganz angenehme Ar-
chitekturbilder, wozu der Reichthum des Einzelnen — hier eher im
Styl eines Scarpagnino — ebenfalls beiträgt. Unter den Versuchen
im Gebiet des Vielkuppelsystems ist diess Gebäude einer der ge-
wagtesten. (Die obern Theile des ganzen Innern sind durch Rococo-
stuccaturen nicht gerade entstellt, doch ihres wahren Charakters be-
raubt.) — An S. Maria delle grazie verdient der artige kleine Hof
mit dem Brünnchen wenigstens einen Blick.
c
d
In Bergamo ist die an S. Maria maggiore angebaute Capelle
Coleoni innen stark erneuert, aussen eine bunte, reiche und in ihrer
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/248>, abgerufen am 05.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.