derne Mörtelbekleidung und wirkt nur noch durch das Allgemeine der Raumschönheit; im wohlerhaltenen Äussern dagegen spricht sich der echte Geist der Frührenaissance mit seiner ganzen anmuthigen Kühn- heit aus. Auf engem Unterbau (so dass der südliche Querarm nicht in die Strasse hinaustreten durfte) wollte Bramante eine bedeutende polygone Flachkuppel mit leichter offener Galerie errichten; in schö- ner und geistvoller Weise bereitet er das Auge darauf vor. Elegant abgestufte Einrahmungen theilen den Unterbau -- Chor und Quer- arme mit runden Abschlüssen, hinter welchen noch gerade Obermauern emporragen -- in schlank scheinende Stockwerke; Pilaster, Wand- candelaber, Gesimse und Medaillons grossentheils von Stein, die Fül- lungen von Backstein. Die genannten runden Abschlüsse der Quer- arme sind für die Lombardie eine traditionelle Form, die schon mit alten Beispielen wie S. Lorenzo in Mailand, S. Fedele in Como etc. zu belegen ist; der Meister, welcher sich hier vielleicht zum ersten Mal darauf einlässt, sollte später dieselbe Anlage in viel höherem Sinne an der Consolazione zu Todi und an S. Peter in Rom wie- dergeben.
a
Ebenfalls früh ist S. Satiro in Mailand; die Kirche nicht ohne verwirrende neuere Ausschmückung, die achteckige Sacristei da- gegen (unten mit Nischen, oben mit einer Galerie, im mittlern Fries Putten und Medaillons) ein köstlicher wohlerhaltener Bau, der Cro- naca's berühmter Sacristei (S. 189, b) zwar nicht an reiner Eleganz des Details gleichkommt, sie aber an Strenge und Bedeutung übertrifft.
b
An S. Eustorgio wird die Kuppel einer Capelle (ich weiss nicht, cwelcher) dem Bramante zugeschrieben, im grossen Hospital der Hof drechts vom Haupthof, im Ospedale militare das alte Gebäude über- ehaupt, im Kloster von S. Ambrogio einer der Seitenhöfe. Die be- treffenden Gebäude sind zum Theil als Casernen schwer zugänglich; an S. Ambrogio habe ich nur das sehr schöne Fragment einer schlan- ken Hofhalle links neben der Kirche im Gedächtniss; den Abbildungen zufolge müssten rechts zwei prachtvolle Renaissancehöfe vorhanden
Hauptkirche; -- in Canobbio am Lago maggiore: eine Kirche; -- in Lodi: die Incoronata; -- in Pavia: die ehemalige Klosterkirche Canepanova und der (doch nur von ihm fundamentirte) Dom. -- Weiter nach Südosten: der Dom zu Carpi, von Andern dem Peruzzi zugeschrieben.
Frührenaissance. Mailand. Bramante.
derne Mörtelbekleidung und wirkt nur noch durch das Allgemeine der Raumschönheit; im wohlerhaltenen Äussern dagegen spricht sich der echte Geist der Frührenaissance mit seiner ganzen anmuthigen Kühn- heit aus. Auf engem Unterbau (so dass der südliche Querarm nicht in die Strasse hinaustreten durfte) wollte Bramante eine bedeutende polygone Flachkuppel mit leichter offener Galerie errichten; in schö- ner und geistvoller Weise bereitet er das Auge darauf vor. Elegant abgestufte Einrahmungen theilen den Unterbau — Chor und Quer- arme mit runden Abschlüssen, hinter welchen noch gerade Obermauern emporragen — in schlank scheinende Stockwerke; Pilaster, Wand- candelaber, Gesimse und Medaillons grossentheils von Stein, die Fül- lungen von Backstein. Die genannten runden Abschlüsse der Quer- arme sind für die Lombardie eine traditionelle Form, die schon mit alten Beispielen wie S. Lorenzo in Mailand, S. Fedele in Como etc. zu belegen ist; der Meister, welcher sich hier vielleicht zum ersten Mal darauf einlässt, sollte später dieselbe Anlage in viel höherem Sinne an der Consolazione zu Todi und an S. Peter in Rom wie- dergeben.
a
Ebenfalls früh ist S. Satiro in Mailand; die Kirche nicht ohne verwirrende neuere Ausschmückung, die achteckige Sacristei da- gegen (unten mit Nischen, oben mit einer Galerie, im mittlern Fries Putten und Medaillons) ein köstlicher wohlerhaltener Bau, der Cro- naca’s berühmter Sacristei (S. 189, b) zwar nicht an reiner Eleganz des Details gleichkommt, sie aber an Strenge und Bedeutung übertrifft.
b
An S. Eustorgio wird die Kuppel einer Capelle (ich weiss nicht, cwelcher) dem Bramante zugeschrieben, im grossen Hospital der Hof drechts vom Haupthof, im Ospedale militare das alte Gebäude über- ehaupt, im Kloster von S. Ambrogio einer der Seitenhöfe. Die be- treffenden Gebäude sind zum Theil als Casernen schwer zugänglich; an S. Ambrogio habe ich nur das sehr schöne Fragment einer schlan- ken Hofhalle links neben der Kirche im Gedächtniss; den Abbildungen zufolge müssten rechts zwei prachtvolle Renaissancehöfe vorhanden
Hauptkirche; — in Canobbio am Lago maggiore: eine Kirche; — in Lodi: die Incoronata; — in Pavia: die ehemalige Klosterkirche Canepanova und der (doch nur von ihm fundamentirte) Dom. — Weiter nach Südosten: der Dom zu Carpi, von Andern dem Peruzzi zugeschrieben.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0222"n="200"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Frührenaissance. Mailand. Bramante.</hi></fw><lb/>
derne Mörtelbekleidung und wirkt nur noch durch das Allgemeine der<lb/>
Raumschönheit; im wohlerhaltenen Äussern dagegen spricht sich der<lb/>
echte Geist der Frührenaissance mit seiner ganzen anmuthigen Kühn-<lb/>
heit aus. Auf engem Unterbau (so dass der südliche Querarm nicht<lb/>
in die Strasse hinaustreten durfte) wollte Bramante eine bedeutende<lb/>
polygone Flachkuppel mit leichter offener Galerie errichten; in schö-<lb/>
ner und geistvoller Weise bereitet er das Auge darauf vor. Elegant<lb/>
abgestufte Einrahmungen theilen den Unterbau — Chor und Quer-<lb/>
arme mit runden Abschlüssen, hinter welchen noch gerade Obermauern<lb/>
emporragen — in schlank scheinende Stockwerke; Pilaster, Wand-<lb/>
candelaber, Gesimse und Medaillons grossentheils von Stein, die Fül-<lb/>
lungen von Backstein. Die genannten runden Abschlüsse der Quer-<lb/>
arme sind für die Lombardie eine traditionelle Form, die schon mit<lb/>
alten Beispielen wie S. Lorenzo in Mailand, S. Fedele in Como etc.<lb/>
zu belegen ist; der Meister, welcher sich hier vielleicht zum ersten<lb/>
Mal darauf einlässt, sollte später dieselbe Anlage in viel höherem<lb/>
Sinne an der Consolazione zu Todi und an S. Peter in Rom wie-<lb/>
dergeben.</p><lb/><noteplace="left">a</note><p>Ebenfalls früh ist S. <hirendition="#g">Satiro</hi> in Mailand; die Kirche nicht ohne<lb/>
verwirrende neuere Ausschmückung, die achteckige <hirendition="#g">Sacristei</hi> da-<lb/>
gegen (unten mit Nischen, oben mit einer Galerie, im mittlern Fries<lb/>
Putten und Medaillons) ein köstlicher wohlerhaltener Bau, der Cro-<lb/>
naca’s berühmter Sacristei (S. 189, b) zwar nicht an reiner Eleganz des<lb/>
Details gleichkommt, sie aber an Strenge und Bedeutung übertrifft.</p><lb/><noteplace="left">b</note><p>An S. Eustorgio wird die Kuppel einer Capelle (ich weiss nicht,<lb/><noteplace="left">c</note>welcher) dem Bramante zugeschrieben, im grossen Hospital der Hof<lb/><noteplace="left">d</note>rechts vom Haupthof, im Ospedale militare das alte Gebäude über-<lb/><noteplace="left">e</note>haupt, im Kloster von S. Ambrogio einer der Seitenhöfe. Die be-<lb/>
treffenden Gebäude sind zum Theil als Casernen schwer zugänglich;<lb/>
an S. Ambrogio habe ich nur das sehr schöne Fragment einer schlan-<lb/>
ken Hofhalle links neben der Kirche im Gedächtniss; den Abbildungen<lb/>
zufolge müssten rechts zwei prachtvolle Renaissancehöfe vorhanden<lb/><notexml:id="seg2pn_8_2"prev="#seg2pn_8_1"place="foot"n="1)">Hauptkirche; — in Canobbio am Lago maggiore: eine Kirche; — in Lodi:<lb/>
die Incoronata; — in Pavia: die ehemalige Klosterkirche Canepanova und<lb/>
der (doch nur von ihm fundamentirte) Dom. — Weiter nach Südosten: der<lb/>
Dom zu Carpi, von Andern dem Peruzzi zugeschrieben.</note><lb/></p></div></body></text></TEI>
[200/0222]
Frührenaissance. Mailand. Bramante.
derne Mörtelbekleidung und wirkt nur noch durch das Allgemeine der
Raumschönheit; im wohlerhaltenen Äussern dagegen spricht sich der
echte Geist der Frührenaissance mit seiner ganzen anmuthigen Kühn-
heit aus. Auf engem Unterbau (so dass der südliche Querarm nicht
in die Strasse hinaustreten durfte) wollte Bramante eine bedeutende
polygone Flachkuppel mit leichter offener Galerie errichten; in schö-
ner und geistvoller Weise bereitet er das Auge darauf vor. Elegant
abgestufte Einrahmungen theilen den Unterbau — Chor und Quer-
arme mit runden Abschlüssen, hinter welchen noch gerade Obermauern
emporragen — in schlank scheinende Stockwerke; Pilaster, Wand-
candelaber, Gesimse und Medaillons grossentheils von Stein, die Fül-
lungen von Backstein. Die genannten runden Abschlüsse der Quer-
arme sind für die Lombardie eine traditionelle Form, die schon mit
alten Beispielen wie S. Lorenzo in Mailand, S. Fedele in Como etc.
zu belegen ist; der Meister, welcher sich hier vielleicht zum ersten
Mal darauf einlässt, sollte später dieselbe Anlage in viel höherem
Sinne an der Consolazione zu Todi und an S. Peter in Rom wie-
dergeben.
Ebenfalls früh ist S. Satiro in Mailand; die Kirche nicht ohne
verwirrende neuere Ausschmückung, die achteckige Sacristei da-
gegen (unten mit Nischen, oben mit einer Galerie, im mittlern Fries
Putten und Medaillons) ein köstlicher wohlerhaltener Bau, der Cro-
naca’s berühmter Sacristei (S. 189, b) zwar nicht an reiner Eleganz des
Details gleichkommt, sie aber an Strenge und Bedeutung übertrifft.
An S. Eustorgio wird die Kuppel einer Capelle (ich weiss nicht,
welcher) dem Bramante zugeschrieben, im grossen Hospital der Hof
rechts vom Haupthof, im Ospedale militare das alte Gebäude über-
haupt, im Kloster von S. Ambrogio einer der Seitenhöfe. Die be-
treffenden Gebäude sind zum Theil als Casernen schwer zugänglich;
an S. Ambrogio habe ich nur das sehr schöne Fragment einer schlan-
ken Hofhalle links neben der Kirche im Gedächtniss; den Abbildungen
zufolge müssten rechts zwei prachtvolle Renaissancehöfe vorhanden
1)
c
d
e
1) Hauptkirche; — in Canobbio am Lago maggiore: eine Kirche; — in Lodi:
die Incoronata; — in Pavia: die ehemalige Klosterkirche Canepanova und
der (doch nur von ihm fundamentirte) Dom. — Weiter nach Südosten: der
Dom zu Carpi, von Andern dem Peruzzi zugeschrieben.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/222>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.