entwerfen, was aus der zweiten Hälfte des XV. Jahrhunderts in Rom auf unsere Zeit kommen sollte 1).
Baccio war vielleicht ein geübter Techniker, allein keiner von den- jenigen Künstlern, welche die neue Formenfreiheit genial und schön zu handhaben wussten. Sein wichtigstes Werk, die Kirche S. Ago-a stino, ist in Betreff des Innern ein ziemlich nüchterner Versuch hohen Gewölbebaues auf Pfeilern mit kleiner Kuppel, wobei er wie Brunellesco die untern Wände in Nischen auflöste. Mit der phanta- sievollen Annunziata von Arezzo könnte dieses (überdiess unangenehm beleuchtete) Gebäude keinen Vergleich aushalten. An der Fassade macht sich jene bei Alberti zuerst bemerkte Verbindung des obern Stockwerkes mit den hervorragenden Theilen des untern auf eine recht üble Weise bemerklich; die beiden Voluten haben nämlich die Ge- stalt eines colossal vergrösserten Winkelblattes des ionischen Capi- täls. -- An S. Maria del Popolo ist die Fassade oben umgebaut,b sonst aber schlicht und gut; das Innere, hier ein Pfeilerbau mit Halb- säulen, von jeher etwas gedrückt, hat durch moderne Verkleisterung allen höhern baulichen Reiz verloren, und die achteckige Kuppel kann gegen die sonstige breite Masse nicht mehr aufkommen. -- Einer kleinern Aufgabe, wie S. Pietro in Montorio, genügte Baccioc recht wohl; dieses Kirchlein, einschiffig gewölbt, mit Querschiff, Ca- pellen als Wandnischen und polygonem Chorabschluss, bildet ein sehr tüchtiges Ganzes und würde mit der ursprünglichen Decoration einen trefflichen Effect machen. -- Beim Bau der sixtinischen Capelled lag vielleicht ein bindendes Programm und die Rücksicht auf die schon vorhandenen vaticanischen Bauten vor; sonst liesse sich schwer den- ken, dass für die päpstliche Hauskirche eine so absolut schlichte Form gewählt worden wäre. -- Mehrere ältere Kirchen sind von Baccio mit Fassaden versehen worden; so S. Pietro in Vincoli, SS. Apo-e stoli. Er berief sich vielleicht auf die mittelalterliche Kirche S. Sabaf oder auf das frische Beispiel von S. Marco und legte eine gewölbte Doppelhalle vor die Kirche, mit weitgespannten Rundbogen, unten auf achteckigen Pfeilern, oben auf Säulen. Diess macht zwar keinen kirch-
1) An S. Giacomo degli Spagnuoli (1450) ist nur noch das reiche Portal be-* merkenswerth, bei S. Salvatore in Lauro der aus derselben Zeit stammende** graziöse Klosterhof, beides anonyme Werke.
B. Cicerone. 13
Baccio Pintelli.
entwerfen, was aus der zweiten Hälfte des XV. Jahrhunderts in Rom auf unsere Zeit kommen sollte 1).
Baccio war vielleicht ein geübter Techniker, allein keiner von den- jenigen Künstlern, welche die neue Formenfreiheit genial und schön zu handhaben wussten. Sein wichtigstes Werk, die Kirche S. Ago-a stino, ist in Betreff des Innern ein ziemlich nüchterner Versuch hohen Gewölbebaues auf Pfeilern mit kleiner Kuppel, wobei er wie Brunellesco die untern Wände in Nischen auflöste. Mit der phanta- sievollen Annunziata von Arezzo könnte dieses (überdiess unangenehm beleuchtete) Gebäude keinen Vergleich aushalten. An der Fassade macht sich jene bei Alberti zuerst bemerkte Verbindung des obern Stockwerkes mit den hervorragenden Theilen des untern auf eine recht üble Weise bemerklich; die beiden Voluten haben nämlich die Ge- stalt eines colossal vergrösserten Winkelblattes des ionischen Capi- täls. — An S. Maria del Popolo ist die Fassade oben umgebaut,b sonst aber schlicht und gut; das Innere, hier ein Pfeilerbau mit Halb- säulen, von jeher etwas gedrückt, hat durch moderne Verkleisterung allen höhern baulichen Reiz verloren, und die achteckige Kuppel kann gegen die sonstige breite Masse nicht mehr aufkommen. — Einer kleinern Aufgabe, wie S. Pietro in Montorio, genügte Baccioc recht wohl; dieses Kirchlein, einschiffig gewölbt, mit Querschiff, Ca- pellen als Wandnischen und polygonem Chorabschluss, bildet ein sehr tüchtiges Ganzes und würde mit der ursprünglichen Decoration einen trefflichen Effect machen. — Beim Bau der sixtinischen Capelled lag vielleicht ein bindendes Programm und die Rücksicht auf die schon vorhandenen vaticanischen Bauten vor; sonst liesse sich schwer den- ken, dass für die päpstliche Hauskirche eine so absolut schlichte Form gewählt worden wäre. — Mehrere ältere Kirchen sind von Baccio mit Fassaden versehen worden; so S. Pietro in Vincoli, SS. Apo-e stoli. Er berief sich vielleicht auf die mittelalterliche Kirche S. Sabaf oder auf das frische Beispiel von S. Marco und legte eine gewölbte Doppelhalle vor die Kirche, mit weitgespannten Rundbogen, unten auf achteckigen Pfeilern, oben auf Säulen. Diess macht zwar keinen kirch-
1) An S. Giacomo degli Spagnuoli (1450) ist nur noch das reiche Portal be-* merkenswerth, bei S. Salvatore in Lauro der aus derselben Zeit stammende** graziöse Klosterhof, beides anonyme Werke.
B. Cicerone. 13
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[193/0215]
Baccio Pintelli.
entwerfen, was aus der zweiten Hälfte des XV. Jahrhunderts in Rom
auf unsere Zeit kommen sollte 1).
Baccio war vielleicht ein geübter Techniker, allein keiner von den-
jenigen Künstlern, welche die neue Formenfreiheit genial und schön
zu handhaben wussten. Sein wichtigstes Werk, die Kirche S. Ago-
stino, ist in Betreff des Innern ein ziemlich nüchterner Versuch
hohen Gewölbebaues auf Pfeilern mit kleiner Kuppel, wobei er wie
Brunellesco die untern Wände in Nischen auflöste. Mit der phanta-
sievollen Annunziata von Arezzo könnte dieses (überdiess unangenehm
beleuchtete) Gebäude keinen Vergleich aushalten. An der Fassade
macht sich jene bei Alberti zuerst bemerkte Verbindung des obern
Stockwerkes mit den hervorragenden Theilen des untern auf eine recht
üble Weise bemerklich; die beiden Voluten haben nämlich die Ge-
stalt eines colossal vergrösserten Winkelblattes des ionischen Capi-
täls. — An S. Maria del Popolo ist die Fassade oben umgebaut,
sonst aber schlicht und gut; das Innere, hier ein Pfeilerbau mit Halb-
säulen, von jeher etwas gedrückt, hat durch moderne Verkleisterung
allen höhern baulichen Reiz verloren, und die achteckige Kuppel kann
gegen die sonstige breite Masse nicht mehr aufkommen. — Einer
kleinern Aufgabe, wie S. Pietro in Montorio, genügte Baccio
recht wohl; dieses Kirchlein, einschiffig gewölbt, mit Querschiff, Ca-
pellen als Wandnischen und polygonem Chorabschluss, bildet ein sehr
tüchtiges Ganzes und würde mit der ursprünglichen Decoration einen
trefflichen Effect machen. — Beim Bau der sixtinischen Capelle
lag vielleicht ein bindendes Programm und die Rücksicht auf die schon
vorhandenen vaticanischen Bauten vor; sonst liesse sich schwer den-
ken, dass für die päpstliche Hauskirche eine so absolut schlichte Form
gewählt worden wäre. — Mehrere ältere Kirchen sind von Baccio
mit Fassaden versehen worden; so S. Pietro in Vincoli, SS. Apo-
stoli. Er berief sich vielleicht auf die mittelalterliche Kirche S. Saba
oder auf das frische Beispiel von S. Marco und legte eine gewölbte
Doppelhalle vor die Kirche, mit weitgespannten Rundbogen, unten auf
achteckigen Pfeilern, oben auf Säulen. Diess macht zwar keinen kirch-
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merkenswerth, bei S. Salvatore in Lauro der aus derselben Zeit stammende
graziöse Klosterhof, beides anonyme Werke.
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/215>, abgerufen am 05.12.2024.
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