in jeder Beziehung Mustergültiges hervorzubringen; von ihrem unver- gänglichen relativen Werth wird weiter die Rede sein.
Es lässt sich voraussehen, dass die Renaissance noch lange in der heutigen Architektur eine grosse Rolle spielen wird. Durch ihren scheinbaren Mangel an Ernst empfiehlt sie sich für jede Art von Prachtbekleidung; man glaubt mit ihr durchzukommen ohne irgend eine Consequenz mit in den Kauf nehmen zu müssen. Ich verkenne daneben nicht die erfolgreiche Bemühung geistvoller Architekten, die Formen der Renaissance zu reinigen, sie namentlich mit der griechi- schen Profilbildung in Zusammenhang zu bringen. Und wenn ein Vor- bild für Bauten, wie sie unser Jahrhundert bedarf, rückwärts und auswärts gesucht werden soll, so hat dieser Styl, der allein ähnliche Aufgaben ganz schön löste, gewiss den Vorzug vor allen andern. Nur suche man ihm zuerst seinen Ernst und dann erst seine spielende Zierlichkeit abzugewinnen. Man ergründe vorzüglich auch sein Ver- hältniss zum Material; der gewöhnliche Baustein spricht sich eigen- thümlich kräftig aus; einen bestimmten Ausdruck des Reichthums wird man dem Marmor, einen bestimmten dem Erz, einen andern dem Holz, und wiederum einen verschiedenen dem Stucco zugemuthet fin- den; und zwischen all diesem bleibt noch ein besonderes Gebiet für die Malerei unverkürzt übrig. Äusserst beherzigenswerth bleibt es, dass kein Stoff sich für etwas ausgiebt, was er nicht ist. Es giebt z. B. keine falsche, von Mörtel nachgeahmte Rustica vor den mittlern Jahrzehnden des XVI. Jahrhunderts; wer in den guten Zeiten der Renaissance nur mit Mörtel zu bauen vermag, gesteht es zu und be- gnügt sich mit der Derbheit der steinernen Fenstergewandungen und Gesimse. Aufgemalte Rustica kommt freilich schon frühe vor, al- lein dann in rein decorativem Sinne, nicht mit der Absicht zu täu- aschen. (Ein sehr frühes Beispiel, vielleicht noch aus dem XIV. Jahr- hundert, am Palast Conte Bardi in Florenz, via del fosso, N. 187). Sie ist auch ganz anders behandelt als das, was etwa an modernen Häusern von dieser Art (mit Schlagschatten etc.) hingemalt wird.
Renaissance. Verhältniss zum Stoff.
in jeder Beziehung Mustergültiges hervorzubringen; von ihrem unver- gänglichen relativen Werth wird weiter die Rede sein.
Es lässt sich voraussehen, dass die Renaissance noch lange in der heutigen Architektur eine grosse Rolle spielen wird. Durch ihren scheinbaren Mangel an Ernst empfiehlt sie sich für jede Art von Prachtbekleidung; man glaubt mit ihr durchzukommen ohne irgend eine Consequenz mit in den Kauf nehmen zu müssen. Ich verkenne daneben nicht die erfolgreiche Bemühung geistvoller Architekten, die Formen der Renaissance zu reinigen, sie namentlich mit der griechi- schen Profilbildung in Zusammenhang zu bringen. Und wenn ein Vor- bild für Bauten, wie sie unser Jahrhundert bedarf, rückwärts und auswärts gesucht werden soll, so hat dieser Styl, der allein ähnliche Aufgaben ganz schön löste, gewiss den Vorzug vor allen andern. Nur suche man ihm zuerst seinen Ernst und dann erst seine spielende Zierlichkeit abzugewinnen. Man ergründe vorzüglich auch sein Ver- hältniss zum Material; der gewöhnliche Baustein spricht sich eigen- thümlich kräftig aus; einen bestimmten Ausdruck des Reichthums wird man dem Marmor, einen bestimmten dem Erz, einen andern dem Holz, und wiederum einen verschiedenen dem Stucco zugemuthet fin- den; und zwischen all diesem bleibt noch ein besonderes Gebiet für die Malerei unverkürzt übrig. Äusserst beherzigenswerth bleibt es, dass kein Stoff sich für etwas ausgiebt, was er nicht ist. Es giebt z. B. keine falsche, von Mörtel nachgeahmte Rustica vor den mittlern Jahrzehnden des XVI. Jahrhunderts; wer in den guten Zeiten der Renaissance nur mit Mörtel zu bauen vermag, gesteht es zu und be- gnügt sich mit der Derbheit der steinernen Fenstergewandungen und Gesimse. Aufgemalte Rustica kommt freilich schon frühe vor, al- lein dann in rein decorativem Sinne, nicht mit der Absicht zu täu- aschen. (Ein sehr frühes Beispiel, vielleicht noch aus dem XIV. Jahr- hundert, am Palast Conte Bardi in Florenz, via del fosso, N. 187). Sie ist auch ganz anders behandelt als das, was etwa an modernen Häusern von dieser Art (mit Schlagschatten etc.) hingemalt wird.
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Renaissance. Verhältniss zum Stoff.
in jeder Beziehung Mustergültiges hervorzubringen; von ihrem unver-
gänglichen relativen Werth wird weiter die Rede sein.
Es lässt sich voraussehen, dass die Renaissance noch lange in
der heutigen Architektur eine grosse Rolle spielen wird. Durch ihren
scheinbaren Mangel an Ernst empfiehlt sie sich für jede Art von
Prachtbekleidung; man glaubt mit ihr durchzukommen ohne irgend
eine Consequenz mit in den Kauf nehmen zu müssen. Ich verkenne
daneben nicht die erfolgreiche Bemühung geistvoller Architekten, die
Formen der Renaissance zu reinigen, sie namentlich mit der griechi-
schen Profilbildung in Zusammenhang zu bringen. Und wenn ein Vor-
bild für Bauten, wie sie unser Jahrhundert bedarf, rückwärts und
auswärts gesucht werden soll, so hat dieser Styl, der allein ähnliche
Aufgaben ganz schön löste, gewiss den Vorzug vor allen andern. Nur
suche man ihm zuerst seinen Ernst und dann erst seine spielende
Zierlichkeit abzugewinnen. Man ergründe vorzüglich auch sein Ver-
hältniss zum Material; der gewöhnliche Baustein spricht sich eigen-
thümlich kräftig aus; einen bestimmten Ausdruck des Reichthums
wird man dem Marmor, einen bestimmten dem Erz, einen andern dem
Holz, und wiederum einen verschiedenen dem Stucco zugemuthet fin-
den; und zwischen all diesem bleibt noch ein besonderes Gebiet für
die Malerei unverkürzt übrig. Äusserst beherzigenswerth bleibt es,
dass kein Stoff sich für etwas ausgiebt, was er nicht ist. Es giebt
z. B. keine falsche, von Mörtel nachgeahmte Rustica vor den mittlern
Jahrzehnden des XVI. Jahrhunderts; wer in den guten Zeiten der
Renaissance nur mit Mörtel zu bauen vermag, gesteht es zu und be-
gnügt sich mit der Derbheit der steinernen Fenstergewandungen und
Gesimse. Aufgemalte Rustica kommt freilich schon frühe vor, al-
lein dann in rein decorativem Sinne, nicht mit der Absicht zu täu-
schen. (Ein sehr frühes Beispiel, vielleicht noch aus dem XIV. Jahr-
hundert, am Palast Conte Bardi in Florenz, via del fosso, N. 187).
Sie ist auch ganz anders behandelt als das, was etwa an modernen
Häusern von dieser Art (mit Schlagschatten etc.) hingemalt wird.
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/192>, abgerufen am 05.12.2024.
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