Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

Gothische Decoration. Grabmäler.
luxus zur Sitte. Blosse gothische Giebel auf gewundenen Säulchen
über dem als Sockel behandelten Sarcophag stehend kommen z. B.
ain S. Croce zu Florenz (Querschiff) vor, in Fällen wo statt einer
Hinterwand der Durchblick verlangt wurde. Sonst ist die in Mittel-
italien mehrmals und in trefflichem Styl vorkommende Gestalt die einer
vollständigen gothischen Nische mit einem Gemälde oder Mosaik; unten
steht darin der Sarcophag, mit der liegenden Statue des Verstorbenen, zu
deren Haupt und Füssen Engel schützend das Leichentuch halten. So an
bden beiden schönen cosmatischen Gräbern des Cardinal Consalvo
(+ 1299) in S. Maria maggiore, rechts vom Hauptaltar, und des Bischofs
cDurandus in S. Maria sopra Minerva zu Rom 1). -- An den nea-
politanischen
Gräbern ist insgemein dieses Motiv mit einem der
obengenannten in eine nicht eben glückliche Verbindung gebracht; der
Sarcophag wird auf Säulen oder statt deren auf Caryatiden (allego-
rische Tugenden) gestellt, so dass die darauf liegende Statue kaum
mehr sichtbar ist; die beiden Engel aber, der geringen Höhe der Ni-
sche wegen meist nur klein, machen sich hier mit dem Wegziehen
des (steinernen) Nischenvorhanges mehr als billig zu thun. Der Giebel
über der Nische hat dann noch seine besondere Ausbildung und seine
Statuetten, ja oft noch einen besondern Baldachin, der das Ganze um-
schliesst. Ausserdem erreicht das bauliche Gehäuse namentlich an den
dAngioinengräbern in S. Chiara und S. Giovanni a Carbonara
einen ausserordentlichen doch niemals reinen und schönen Reichthum.
Diese und das zwar von Giotto aber nicht eben glücklich angeordnete
eGrabmal Tarlati im Dom von Arezzo werden bei der Sculptur wieder
zu erwähnen sein.

Rom hat seine ältern Papstgräber in Bruchstücken, wobei die
bauliche Einfassung durchweg verloren ging, in die Crypta von S. Peter,
die Sagre grotte vaticane, verwiesen. Das Grab Gregors VII im Dom
von Salerno ist modern; im Dom von Perugia ruht der grosse Inno-
cenz III mit zwei Amtsnachfolgern unterhalb einer bescheidenen In-
schrifttafel (im rechten Querschiff). Allein in S. Domenico zu Pe-
frugia (linkes Querschiff) ist wenigstens ein Papstgrab ersten Ranges

1) In S. Domenico zu Orvieto soll das schöne Grabmal eines Cardinals de Braye
von Arnolfo herrühren.

Gothische Decoration. Grabmäler.
luxus zur Sitte. Blosse gothische Giebel auf gewundenen Säulchen
über dem als Sockel behandelten Sarcophag stehend kommen z. B.
ain S. Croce zu Florenz (Querschiff) vor, in Fällen wo statt einer
Hinterwand der Durchblick verlangt wurde. Sonst ist die in Mittel-
italien mehrmals und in trefflichem Styl vorkommende Gestalt die einer
vollständigen gothischen Nische mit einem Gemälde oder Mosaik; unten
steht darin der Sarcophag, mit der liegenden Statue des Verstorbenen, zu
deren Haupt und Füssen Engel schützend das Leichentuch halten. So an
bden beiden schönen cosmatischen Gräbern des Cardinal Consalvo
(† 1299) in S. Maria maggiore, rechts vom Hauptaltar, und des Bischofs
cDurandus in S. Maria sopra Minerva zu Rom 1). — An den nea-
politanischen
Gräbern ist insgemein dieses Motiv mit einem der
obengenannten in eine nicht eben glückliche Verbindung gebracht; der
Sarcophag wird auf Säulen oder statt deren auf Caryatiden (allego-
rische Tugenden) gestellt, so dass die darauf liegende Statue kaum
mehr sichtbar ist; die beiden Engel aber, der geringen Höhe der Ni-
sche wegen meist nur klein, machen sich hier mit dem Wegziehen
des (steinernen) Nischenvorhanges mehr als billig zu thun. Der Giebel
über der Nische hat dann noch seine besondere Ausbildung und seine
Statuetten, ja oft noch einen besondern Baldachin, der das Ganze um-
schliesst. Ausserdem erreicht das bauliche Gehäuse namentlich an den
dAngioinengräbern in S. Chiara und S. Giovanni a Carbonara
einen ausserordentlichen doch niemals reinen und schönen Reichthum.
Diese und das zwar von Giotto aber nicht eben glücklich angeordnete
eGrabmal Tarlati im Dom von Arezzo werden bei der Sculptur wieder
zu erwähnen sein.

Rom hat seine ältern Papstgräber in Bruchstücken, wobei die
bauliche Einfassung durchweg verloren ging, in die Crypta von S. Peter,
die Sagre grotte vaticane, verwiesen. Das Grab Gregors VII im Dom
von Salerno ist modern; im Dom von Perugia ruht der grosse Inno-
cenz III mit zwei Amtsnachfolgern unterhalb einer bescheidenen In-
schrifttafel (im rechten Querschiff). Allein in S. Domenico zu Pe-
frugia (linkes Querschiff) ist wenigstens ein Papstgrab ersten Ranges

1) In S. Domenico zu Orvieto soll das schöne Grabmal eines Cardinals de Braye
von Arnolfo herrühren.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0188" n="166"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Gothische Decoration. Grabmäler.</hi></fw><lb/>
luxus zur Sitte. Blosse gothische Giebel auf gewundenen Säulchen<lb/>
über dem als Sockel behandelten Sarcophag stehend kommen z. B.<lb/><note place="left">a</note>in S. Croce zu Florenz (Querschiff) vor, in Fällen wo statt einer<lb/>
Hinterwand der Durchblick verlangt wurde. Sonst ist die in Mittel-<lb/>
italien mehrmals und in trefflichem Styl vorkommende Gestalt die einer<lb/>
vollständigen gothischen Nische mit einem Gemälde oder Mosaik; unten<lb/>
steht darin der Sarcophag, mit der liegenden Statue des Verstorbenen, zu<lb/>
deren Haupt und Füssen Engel schützend das Leichentuch halten. So an<lb/><note place="left">b</note>den beiden schönen cosmatischen Gräbern des <hi rendition="#g">Cardinal Consalvo</hi><lb/>
(&#x2020; 1299) in S. Maria maggiore, rechts vom Hauptaltar, und des Bischofs<lb/><note place="left">c</note><hi rendition="#g">Durandus</hi> in S. Maria sopra Minerva zu Rom <note place="foot" n="1)">In S. Domenico zu Orvieto soll das schöne Grabmal eines Cardinals de Braye<lb/>
von Arnolfo herrühren.</note>. &#x2014; An den <hi rendition="#g">nea-<lb/>
politanischen</hi> Gräbern ist insgemein dieses Motiv mit einem der<lb/>
obengenannten in eine nicht eben glückliche Verbindung gebracht; der<lb/>
Sarcophag wird auf Säulen oder statt deren auf Caryatiden (allego-<lb/>
rische Tugenden) gestellt, so dass die darauf liegende Statue kaum<lb/>
mehr sichtbar ist; die beiden Engel aber, der geringen Höhe der Ni-<lb/>
sche wegen meist nur klein, machen sich hier mit dem Wegziehen<lb/>
des (steinernen) Nischenvorhanges mehr als billig zu thun. Der Giebel<lb/>
über der Nische hat dann noch seine besondere Ausbildung und seine<lb/>
Statuetten, ja oft noch einen besondern Baldachin, der das Ganze um-<lb/>
schliesst. Ausserdem erreicht das bauliche Gehäuse namentlich an den<lb/><note place="left">d</note><hi rendition="#g">Angioinengräbern</hi> in S. Chiara und S. Giovanni a Carbonara<lb/>
einen ausserordentlichen doch niemals reinen und schönen Reichthum.<lb/>
Diese und das zwar von Giotto aber nicht eben glücklich angeordnete<lb/><note place="left">e</note>Grabmal Tarlati im Dom von Arezzo werden bei der Sculptur wieder<lb/>
zu erwähnen sein.</p><lb/>
        <p>Rom hat seine ältern <hi rendition="#g">Papstgräber</hi> in Bruchstücken, wobei die<lb/>
bauliche Einfassung durchweg verloren ging, in die Crypta von S. Peter,<lb/>
die Sagre grotte vaticane, verwiesen. Das Grab Gregors VII im Dom<lb/>
von Salerno ist modern; im Dom von Perugia ruht der grosse Inno-<lb/>
cenz III mit zwei Amtsnachfolgern unterhalb einer bescheidenen In-<lb/>
schrifttafel (im rechten Querschiff). Allein in S. <hi rendition="#g">Domenico</hi> zu <hi rendition="#g">Pe-</hi><lb/><note place="left">f</note><hi rendition="#g">rugia</hi> (linkes Querschiff) ist wenigstens ein Papstgrab ersten Ranges<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[166/0188] Gothische Decoration. Grabmäler. luxus zur Sitte. Blosse gothische Giebel auf gewundenen Säulchen über dem als Sockel behandelten Sarcophag stehend kommen z. B. in S. Croce zu Florenz (Querschiff) vor, in Fällen wo statt einer Hinterwand der Durchblick verlangt wurde. Sonst ist die in Mittel- italien mehrmals und in trefflichem Styl vorkommende Gestalt die einer vollständigen gothischen Nische mit einem Gemälde oder Mosaik; unten steht darin der Sarcophag, mit der liegenden Statue des Verstorbenen, zu deren Haupt und Füssen Engel schützend das Leichentuch halten. So an den beiden schönen cosmatischen Gräbern des Cardinal Consalvo († 1299) in S. Maria maggiore, rechts vom Hauptaltar, und des Bischofs Durandus in S. Maria sopra Minerva zu Rom 1). — An den nea- politanischen Gräbern ist insgemein dieses Motiv mit einem der obengenannten in eine nicht eben glückliche Verbindung gebracht; der Sarcophag wird auf Säulen oder statt deren auf Caryatiden (allego- rische Tugenden) gestellt, so dass die darauf liegende Statue kaum mehr sichtbar ist; die beiden Engel aber, der geringen Höhe der Ni- sche wegen meist nur klein, machen sich hier mit dem Wegziehen des (steinernen) Nischenvorhanges mehr als billig zu thun. Der Giebel über der Nische hat dann noch seine besondere Ausbildung und seine Statuetten, ja oft noch einen besondern Baldachin, der das Ganze um- schliesst. Ausserdem erreicht das bauliche Gehäuse namentlich an den Angioinengräbern in S. Chiara und S. Giovanni a Carbonara einen ausserordentlichen doch niemals reinen und schönen Reichthum. Diese und das zwar von Giotto aber nicht eben glücklich angeordnete Grabmal Tarlati im Dom von Arezzo werden bei der Sculptur wieder zu erwähnen sein. a b c d e Rom hat seine ältern Papstgräber in Bruchstücken, wobei die bauliche Einfassung durchweg verloren ging, in die Crypta von S. Peter, die Sagre grotte vaticane, verwiesen. Das Grab Gregors VII im Dom von Salerno ist modern; im Dom von Perugia ruht der grosse Inno- cenz III mit zwei Amtsnachfolgern unterhalb einer bescheidenen In- schrifttafel (im rechten Querschiff). Allein in S. Domenico zu Pe- rugia (linkes Querschiff) ist wenigstens ein Papstgrab ersten Ranges f 1) In S. Domenico zu Orvieto soll das schöne Grabmal eines Cardinals de Braye von Arnolfo herrühren.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/188
Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/188>, abgerufen am 05.12.2024.