An Schlössern dieser Epoche, und zwar oft ungeheuer grossen, ist zumal in Mittel- und Unteritalien kein Mangel. Sie gehören nicht der Kunstgeschichte an, nehmen aber in der Geschichte des Kriegs- baues ohne Zweifel eine bedeutendere Stelle ein als unsere nordischen Adelsschlösser. Der grosse Aufschwung kam in den italienischen Fe- stungsbau allerdings erst während des XV. Jahrh., als Päpste, Fürsten und Republiken sich auf alle Weise gegenseitig sicher zu stellen suchten. Aus dieser Zeit stammt der jetzige Bestand vieler jener "rocche", welche die italienischen Städte, auch Thalschluchten und Flüsse beherrschen; bedeutende Baumeister wie Bern. Rosellino und Andere waren ihr Le- benlang vorzugsweise mit solchen Aufgaben beschäftigt und auch das Ausland zog die italienischen Ingenieure an sich. Ausser Stande, das Militärische an diesen Bauten zu beurtheilen, nenne ich nur um des hoch- malerischen Anblicks willen die von Filippo Maria Visconti (um 1445) aerrichteten Festungswerke von Bellinzona, bestehend aus drei Schlös- sern und deren Verbindungsmauern nebst einer Mauer bis an den Ti- cino. Von den frühern viscontinischen Bauten ist das schicksalsbe- brühmte Castell von Pavia auch architektonisch als Palast ausgezeichnet, cvon den spätern das Castell von Mailand, welches im XVI. Jahrhun- dert als die vollkommenste Veste der Welt galt; von dem alten Bau sind nur die unzerstörbaren Eckthürme und ein Theil der dazwischen liegenden Mauern ganz kenntlich erhalten, die innern Theile meist umgebaut. -- Von den Angioinen-Schlössern im Königreich Neapel dwird wohl das colossale Castel nuovo der Hauptstadt (unter Carl von Anjou angeblich nach einem Plan des Giovanni Pisano begonnen) eden unbestreitbaren Vorzug behalten. Die stattlichen Mauern und Thürme Neapels vom Carmine bis über Porta Capuana hinauf sind erst aus der Zeit Ferdinands I. von Aragon (1484). -- Über die Thore von Florenz s. Seite 159. -- Von den Thürmen, welche das Abzeichen städtischer Adelswohnungen waren, hat sich in Pavia (noch jetzt) am meisten, in Florenz einer oder der andere, in Bologna die durch fihre Schiefheit allzuberühmte Garisenda und die weniger schiefe aber viel höhere Torre degli Asinelli erhalten. (Erstere wenigstens ab- sichtlich so gebaut.) Ebenda noch einige andere.
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Ausser aller Linie steht endlich das Castell von Ferrara, bei weitem der bedeutendste Anblick, welchen Italien in dieser Gattung
Gothische Architektur. Schlösser.
An Schlössern dieser Epoche, und zwar oft ungeheuer grossen, ist zumal in Mittel- und Unteritalien kein Mangel. Sie gehören nicht der Kunstgeschichte an, nehmen aber in der Geschichte des Kriegs- baues ohne Zweifel eine bedeutendere Stelle ein als unsere nordischen Adelsschlösser. Der grosse Aufschwung kam in den italienischen Fe- stungsbau allerdings erst während des XV. Jahrh., als Päpste, Fürsten und Republiken sich auf alle Weise gegenseitig sicher zu stellen suchten. Aus dieser Zeit stammt der jetzige Bestand vieler jener „rocche“, welche die italienischen Städte, auch Thalschluchten und Flüsse beherrschen; bedeutende Baumeister wie Bern. Rosellino und Andere waren ihr Le- benlang vorzugsweise mit solchen Aufgaben beschäftigt und auch das Ausland zog die italienischen Ingenieure an sich. Ausser Stande, das Militärische an diesen Bauten zu beurtheilen, nenne ich nur um des hoch- malerischen Anblicks willen die von Filippo Maria Visconti (um 1445) aerrichteten Festungswerke von Bellinzona, bestehend aus drei Schlös- sern und deren Verbindungsmauern nebst einer Mauer bis an den Ti- cino. Von den frühern viscontinischen Bauten ist das schicksalsbe- brühmte Castell von Pavia auch architektonisch als Palast ausgezeichnet, cvon den spätern das Castell von Mailand, welches im XVI. Jahrhun- dert als die vollkommenste Veste der Welt galt; von dem alten Bau sind nur die unzerstörbaren Eckthürme und ein Theil der dazwischen liegenden Mauern ganz kenntlich erhalten, die innern Theile meist umgebaut. — Von den Angioinen-Schlössern im Königreich Neapel dwird wohl das colossale Castel nuovo der Hauptstadt (unter Carl von Anjou angeblich nach einem Plan des Giovanni Pisano begonnen) eden unbestreitbaren Vorzug behalten. Die stattlichen Mauern und Thürme Neapels vom Carmine bis über Porta Capuana hinauf sind erst aus der Zeit Ferdinands I. von Aragon (1484). — Über die Thore von Florenz s. Seite 159. — Von den Thürmen, welche das Abzeichen städtischer Adelswohnungen waren, hat sich in Pavia (noch jetzt) am meisten, in Florenz einer oder der andere, in Bologna die durch fihre Schiefheit allzuberühmte Garisenda und die weniger schiefe aber viel höhere Torre degli Asinelli erhalten. (Erstere wenigstens ab- sichtlich so gebaut.) Ebenda noch einige andere.
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Ausser aller Linie steht endlich das Castell von Ferrara, bei weitem der bedeutendste Anblick, welchen Italien in dieser Gattung
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Gothische Architektur. Schlösser.
An Schlössern dieser Epoche, und zwar oft ungeheuer grossen,
ist zumal in Mittel- und Unteritalien kein Mangel. Sie gehören nicht
der Kunstgeschichte an, nehmen aber in der Geschichte des Kriegs-
baues ohne Zweifel eine bedeutendere Stelle ein als unsere nordischen
Adelsschlösser. Der grosse Aufschwung kam in den italienischen Fe-
stungsbau allerdings erst während des XV. Jahrh., als Päpste, Fürsten
und Republiken sich auf alle Weise gegenseitig sicher zu stellen suchten.
Aus dieser Zeit stammt der jetzige Bestand vieler jener „rocche“, welche
die italienischen Städte, auch Thalschluchten und Flüsse beherrschen;
bedeutende Baumeister wie Bern. Rosellino und Andere waren ihr Le-
benlang vorzugsweise mit solchen Aufgaben beschäftigt und auch das
Ausland zog die italienischen Ingenieure an sich. Ausser Stande, das
Militärische an diesen Bauten zu beurtheilen, nenne ich nur um des hoch-
malerischen Anblicks willen die von Filippo Maria Visconti (um 1445)
errichteten Festungswerke von Bellinzona, bestehend aus drei Schlös-
sern und deren Verbindungsmauern nebst einer Mauer bis an den Ti-
cino. Von den frühern viscontinischen Bauten ist das schicksalsbe-
rühmte Castell von Pavia auch architektonisch als Palast ausgezeichnet,
von den spätern das Castell von Mailand, welches im XVI. Jahrhun-
dert als die vollkommenste Veste der Welt galt; von dem alten Bau
sind nur die unzerstörbaren Eckthürme und ein Theil der dazwischen
liegenden Mauern ganz kenntlich erhalten, die innern Theile meist
umgebaut. — Von den Angioinen-Schlössern im Königreich Neapel
wird wohl das colossale Castel nuovo der Hauptstadt (unter Carl
von Anjou angeblich nach einem Plan des Giovanni Pisano begonnen)
den unbestreitbaren Vorzug behalten. Die stattlichen Mauern und
Thürme Neapels vom Carmine bis über Porta Capuana hinauf sind
erst aus der Zeit Ferdinands I. von Aragon (1484). — Über die Thore
von Florenz s. Seite 159. — Von den Thürmen, welche das Abzeichen
städtischer Adelswohnungen waren, hat sich in Pavia (noch jetzt)
am meisten, in Florenz einer oder der andere, in Bologna die durch
ihre Schiefheit allzuberühmte Garisenda und die weniger schiefe aber
viel höhere Torre degli Asinelli erhalten. (Erstere wenigstens ab-
sichtlich so gebaut.) Ebenda noch einige andere.
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Ausser aller Linie steht endlich das Castell von Ferrara, bei
weitem der bedeutendste Anblick, welchen Italien in dieser Gattung
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/184>, abgerufen am 05.12.2024.
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