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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

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Loggia de' Lanzi. Pisa.
wir wieder demjenigen Raum- und Formgefühl, welches S. Maria
novella, S. Croce und den neuen Dom von Siena schuf. Der Ort, wo
die Obrigkeit ihre feierlichsten Functionen vollzog, wo sie vor dem
Volk auftrat und mit ihm redete, in einer Zeit, da die Florentiner
sich als das erste Volk der Welt fühlten -- eine solche Räumlichkeit
durfte nicht in winzigem und niedlichem Styl angelegt werden. Mög-
lichst wenige und dabei grossartige Motive konnten allein der "Maje-
stät der Republik" einen richtigen Ausdruck verleihen. Die einfache
Halle von drei Bogen Breite umfasst einen ungeheuern Raum, mit ge-
waltigen Spannungen, über leicht und originell gebildeten Pfeilern;
ihr Oberbau hat unabhängig von antiken Vorbildern gerade diejenige
Form getroffen, welche für Auge und Sinn die hier einzig wohlthuende
ist: über breiter Attica tüchtige Consolen und eine durchbrochene
Balustrade.

Von dem als Kornspeicher erbauten Orsanmicchele ist schon
oben (S. 144) die Rede gewesen.

Die Thore von Florenz, meist aus dem XIII. Jahrhundert, über-a
raschen durch den mächtigen Ernst der Construction, die Grösse der
Pforte und die Höhe des stadtwärts schauenden Bogens. -- Nebst den
meisten andern italienischen Stadtthoren dieser Zeit entbehren sie der
überragenden Seitenthürme, welche häufig an deutschen Stadtthoren
vorkommen; in Italien z. B. am Arco dell' Annunziata zu Lucca, anb
der interessanten Porta della Vacca in Genua, an einem andern Bin-c
nenthor daselbst, etc. Die wenigen daran angebrachten Decorationen
durchgängig solid und einfach; im Bogen gegen die Stadt Fresco-
gemälde, die Mutter Gottes und die Schutzpatrone darstellend.


In Pisa ist das Doganengebäude unweit der mittlern Brücke eind
ernsterer steinerner Zierbau, das jetzige Caffe dell' Ussero gegenübere
am Lungarno ein leichterer backsteinerner (XIV. Jahrhundert, mit
einzelnen Veränderungen der Fenster im Renaissancestyl). Die Flä-
chen, wie sie sich durch die Einrahmung mit Pilastern, Bogen etc.
ergaben, sind ganz naiv mit gothischem Blattwerk ausgefüllt, nach
einem schon wesentlich modernen Gefühl. Einzelne Details von fein-
ster Eleganz.


Loggia de’ Lanzi. Pisa.
wir wieder demjenigen Raum- und Formgefühl, welches S. Maria
novella, S. Croce und den neuen Dom von Siena schuf. Der Ort, wo
die Obrigkeit ihre feierlichsten Functionen vollzog, wo sie vor dem
Volk auftrat und mit ihm redete, in einer Zeit, da die Florentiner
sich als das erste Volk der Welt fühlten — eine solche Räumlichkeit
durfte nicht in winzigem und niedlichem Styl angelegt werden. Mög-
lichst wenige und dabei grossartige Motive konnten allein der „Maje-
stät der Republik“ einen richtigen Ausdruck verleihen. Die einfache
Halle von drei Bogen Breite umfasst einen ungeheuern Raum, mit ge-
waltigen Spannungen, über leicht und originell gebildeten Pfeilern;
ihr Oberbau hat unabhängig von antiken Vorbildern gerade diejenige
Form getroffen, welche für Auge und Sinn die hier einzig wohlthuende
ist: über breiter Attica tüchtige Consolen und eine durchbrochene
Balustrade.

Von dem als Kornspeicher erbauten Orsanmicchele ist schon
oben (S. 144) die Rede gewesen.

Die Thore von Florenz, meist aus dem XIII. Jahrhundert, über-a
raschen durch den mächtigen Ernst der Construction, die Grösse der
Pforte und die Höhe des stadtwärts schauenden Bogens. — Nebst den
meisten andern italienischen Stadtthoren dieser Zeit entbehren sie der
überragenden Seitenthürme, welche häufig an deutschen Stadtthoren
vorkommen; in Italien z. B. am Arco dell’ Annunziata zu Lucca, anb
der interessanten Porta della Vacca in Genua, an einem andern Bin-c
nenthor daselbst, etc. Die wenigen daran angebrachten Decorationen
durchgängig solid und einfach; im Bogen gegen die Stadt Fresco-
gemälde, die Mutter Gottes und die Schutzpatrone darstellend.


In Pisa ist das Doganengebäude unweit der mittlern Brücke eind
ernsterer steinerner Zierbau, das jetzige Caffe dell’ Ussero gegenübere
am Lungarno ein leichterer backsteinerner (XIV. Jahrhundert, mit
einzelnen Veränderungen der Fenster im Renaissancestyl). Die Flä-
chen, wie sie sich durch die Einrahmung mit Pilastern, Bogen etc.
ergaben, sind ganz naiv mit gothischem Blattwerk ausgefüllt, nach
einem schon wesentlich modernen Gefühl. Einzelne Details von fein-
ster Eleganz.


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[159/0181] Loggia de’ Lanzi. Pisa. wir wieder demjenigen Raum- und Formgefühl, welches S. Maria novella, S. Croce und den neuen Dom von Siena schuf. Der Ort, wo die Obrigkeit ihre feierlichsten Functionen vollzog, wo sie vor dem Volk auftrat und mit ihm redete, in einer Zeit, da die Florentiner sich als das erste Volk der Welt fühlten — eine solche Räumlichkeit durfte nicht in winzigem und niedlichem Styl angelegt werden. Mög- lichst wenige und dabei grossartige Motive konnten allein der „Maje- stät der Republik“ einen richtigen Ausdruck verleihen. Die einfache Halle von drei Bogen Breite umfasst einen ungeheuern Raum, mit ge- waltigen Spannungen, über leicht und originell gebildeten Pfeilern; ihr Oberbau hat unabhängig von antiken Vorbildern gerade diejenige Form getroffen, welche für Auge und Sinn die hier einzig wohlthuende ist: über breiter Attica tüchtige Consolen und eine durchbrochene Balustrade. Von dem als Kornspeicher erbauten Orsanmicchele ist schon oben (S. 144) die Rede gewesen. Die Thore von Florenz, meist aus dem XIII. Jahrhundert, über- raschen durch den mächtigen Ernst der Construction, die Grösse der Pforte und die Höhe des stadtwärts schauenden Bogens. — Nebst den meisten andern italienischen Stadtthoren dieser Zeit entbehren sie der überragenden Seitenthürme, welche häufig an deutschen Stadtthoren vorkommen; in Italien z. B. am Arco dell’ Annunziata zu Lucca, an der interessanten Porta della Vacca in Genua, an einem andern Bin- nenthor daselbst, etc. Die wenigen daran angebrachten Decorationen durchgängig solid und einfach; im Bogen gegen die Stadt Fresco- gemälde, die Mutter Gottes und die Schutzpatrone darstellend. a b c In Pisa ist das Doganengebäude unweit der mittlern Brücke ein ernsterer steinerner Zierbau, das jetzige Caffe dell’ Ussero gegenüber am Lungarno ein leichterer backsteinerner (XIV. Jahrhundert, mit einzelnen Veränderungen der Fenster im Renaissancestyl). Die Flä- chen, wie sie sich durch die Einrahmung mit Pilastern, Bogen etc. ergaben, sind ganz naiv mit gothischem Blattwerk ausgefüllt, nach einem schon wesentlich modernen Gefühl. Einzelne Details von fein- ster Eleganz. d e

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/181>, abgerufen am 05.12.2024.