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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

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Gothischer Profanbau. Oberitalien.
a

Ebenso derjenige in Bergamo, dessen offene untere Halle auf
Pfeilern und (innen) auf Säulen ruht.

In Parma und Modena nichts von Belang.

Dagegen besitzt Bologna eine Anzahl von Denkmälern, welche
die oberitalische und die toscanische Weise zu einem merkwürdigen
bGanzen vereinigen. -- Vor Allem ist die Loggia de' Mercanti
(oder la Mercanzia) ein sehr schönes Beispiel gothischen Backstein-
baues, angeblich vom Jahr 1294, doch wohl ein Jahrhundert neuer
und vielleicht von der Loggia de' Lanzi in Florenz (s. unten) bedingt.
Der Sinn ist wesentlich ein anderer: es sollte die Fronte einer Art
von Börse und Handelsgerichtslokal werden. -- Das Material lud dazu
ein, die Pfeiler als reiche Säulenbündel zu construiren; andererseits
hängt damit die zaghafte Bildung des Hauptgesimses zusammen. Eine
empfindliche Disharmonie liegt darin, dass (dem mittlern Baldachin
zu Liebe) die Fenster nicht auf die Mitte der beiden untern Spitzbo-
gen kommen. (Die Seitenfronten modern.)

Den Eindruck einer jener grossen Familienburgen des Mittelalters
cgiebt, ebenfalls im Backsteinbau, am ehesten der Palazzo Pepoli,
wo ausser den reichprofilirten gothischen Thorbogen noch ein gewal-
tiger Hof mit Hallen an der einen Seite und vorgewölbten Gängen an
den drei übrigen erhalten ist. Nimmt man den zierlichern Hof des
dHauses Nr. 373 hinzu, so vervollständigt sich einigermassen das Bild
des bolognesischen Privatbaues im XIV. Jahrhundert. -- Das riesige
eSchloss, welches jetzt Palazzo Apostolico heisst, hat an der Vor-
derseite noch einige reiche grosse Fenster; der erste Hof ruht fast
nach altflorentinischer Weise auf achteckigen Pfeilern mit Blätter-
capitälen und nicht völlig halbrunden Bogen.

f

Der Palazzo della ragione zu Ferrara, vom Jahr 1326, ein
merkwürdiger gothischer Backsteinbau, hat bei der vor 20 Jahren
unternommenen Erneuerung eine fast völlig neue Oberfläche erhalten.

g

Der Palazzo della ragione zu Padua ist mehr wegen der unge-
heuern Grösse seines gewölbten obern Saales als aus irgend einem
andern baulichen Grunde merkwürdig. (Die jetzige Gestalt nach 1420.)
Sehr unglückliche Beleuchtung; die Vertheilung der Fresken Miretto's
nicht architektonisch motivirt; die äussere Halle von zwei Stockwer-
ken interessant als diejenige Form, welche Palladio anderthalb Jahr-

Gothischer Profanbau. Oberitalien.
a

Ebenso derjenige in Bergamo, dessen offene untere Halle auf
Pfeilern und (innen) auf Säulen ruht.

In Parma und Modena nichts von Belang.

Dagegen besitzt Bologna eine Anzahl von Denkmälern, welche
die oberitalische und die toscanische Weise zu einem merkwürdigen
bGanzen vereinigen. — Vor Allem ist die Loggia de’ Mercanti
(oder la Mercanzia) ein sehr schönes Beispiel gothischen Backstein-
baues, angeblich vom Jahr 1294, doch wohl ein Jahrhundert neuer
und vielleicht von der Loggia de’ Lanzi in Florenz (s. unten) bedingt.
Der Sinn ist wesentlich ein anderer: es sollte die Fronte einer Art
von Börse und Handelsgerichtslokal werden. — Das Material lud dazu
ein, die Pfeiler als reiche Säulenbündel zu construiren; andererseits
hängt damit die zaghafte Bildung des Hauptgesimses zusammen. Eine
empfindliche Disharmonie liegt darin, dass (dem mittlern Baldachin
zu Liebe) die Fenster nicht auf die Mitte der beiden untern Spitzbo-
gen kommen. (Die Seitenfronten modern.)

Den Eindruck einer jener grossen Familienburgen des Mittelalters
cgiebt, ebenfalls im Backsteinbau, am ehesten der Palazzo Pepoli,
wo ausser den reichprofilirten gothischen Thorbogen noch ein gewal-
tiger Hof mit Hallen an der einen Seite und vorgewölbten Gängen an
den drei übrigen erhalten ist. Nimmt man den zierlichern Hof des
dHauses Nr. 373 hinzu, so vervollständigt sich einigermassen das Bild
des bolognesischen Privatbaues im XIV. Jahrhundert. — Das riesige
eSchloss, welches jetzt Palazzo Apostolico heisst, hat an der Vor-
derseite noch einige reiche grosse Fenster; der erste Hof ruht fast
nach altflorentinischer Weise auf achteckigen Pfeilern mit Blätter-
capitälen und nicht völlig halbrunden Bogen.

f

Der Palazzo della ragione zu Ferrara, vom Jahr 1326, ein
merkwürdiger gothischer Backsteinbau, hat bei der vor 20 Jahren
unternommenen Erneuerung eine fast völlig neue Oberfläche erhalten.

g

Der Palazzo della ragione zu Padua ist mehr wegen der unge-
heuern Grösse seines gewölbten obern Saales als aus irgend einem
andern baulichen Grunde merkwürdig. (Die jetzige Gestalt nach 1420.)
Sehr unglückliche Beleuchtung; die Vertheilung der Fresken Miretto’s
nicht architektonisch motivirt; die äussere Halle von zwei Stockwer-
ken interessant als diejenige Form, welche Palladio anderthalb Jahr-

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[154/0176] Gothischer Profanbau. Oberitalien. Ebenso derjenige in Bergamo, dessen offene untere Halle auf Pfeilern und (innen) auf Säulen ruht. In Parma und Modena nichts von Belang. Dagegen besitzt Bologna eine Anzahl von Denkmälern, welche die oberitalische und die toscanische Weise zu einem merkwürdigen Ganzen vereinigen. — Vor Allem ist die Loggia de’ Mercanti (oder la Mercanzia) ein sehr schönes Beispiel gothischen Backstein- baues, angeblich vom Jahr 1294, doch wohl ein Jahrhundert neuer und vielleicht von der Loggia de’ Lanzi in Florenz (s. unten) bedingt. Der Sinn ist wesentlich ein anderer: es sollte die Fronte einer Art von Börse und Handelsgerichtslokal werden. — Das Material lud dazu ein, die Pfeiler als reiche Säulenbündel zu construiren; andererseits hängt damit die zaghafte Bildung des Hauptgesimses zusammen. Eine empfindliche Disharmonie liegt darin, dass (dem mittlern Baldachin zu Liebe) die Fenster nicht auf die Mitte der beiden untern Spitzbo- gen kommen. (Die Seitenfronten modern.) b Den Eindruck einer jener grossen Familienburgen des Mittelalters giebt, ebenfalls im Backsteinbau, am ehesten der Palazzo Pepoli, wo ausser den reichprofilirten gothischen Thorbogen noch ein gewal- tiger Hof mit Hallen an der einen Seite und vorgewölbten Gängen an den drei übrigen erhalten ist. Nimmt man den zierlichern Hof des Hauses Nr. 373 hinzu, so vervollständigt sich einigermassen das Bild des bolognesischen Privatbaues im XIV. Jahrhundert. — Das riesige Schloss, welches jetzt Palazzo Apostolico heisst, hat an der Vor- derseite noch einige reiche grosse Fenster; der erste Hof ruht fast nach altflorentinischer Weise auf achteckigen Pfeilern mit Blätter- capitälen und nicht völlig halbrunden Bogen. c d e Der Palazzo della ragione zu Ferrara, vom Jahr 1326, ein merkwürdiger gothischer Backsteinbau, hat bei der vor 20 Jahren unternommenen Erneuerung eine fast völlig neue Oberfläche erhalten. Der Palazzo della ragione zu Padua ist mehr wegen der unge- heuern Grösse seines gewölbten obern Saales als aus irgend einem andern baulichen Grunde merkwürdig. (Die jetzige Gestalt nach 1420.) Sehr unglückliche Beleuchtung; die Vertheilung der Fresken Miretto’s nicht architektonisch motivirt; die äussere Halle von zwei Stockwer- ken interessant als diejenige Form, welche Palladio anderthalb Jahr-

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/176>, abgerufen am 05.12.2024.