mit eingeklebten antiken Säulen, immer zwei übereinander an der In- nenseite des Pfeilers; flache Decke.
Einen weitern und bedeutenden Schritt thut inzwischen die tos- canische Baukunst mit der Umbildung des Säulenbündels, den sie doch niemals nordisch lebendig formirt hatte, zum viereckigen, achteckigen oder runden Pfeiler. Erstere Form ist ohne Frage die schönere und reichere, letztere aber für den vorliegenden Fall die wahrere. Der Säulenbündel steht in engem Zusammenhang mit dem Schlanken und Engen nordischer Gothik; er ist nicht bloss das Correspondens von so und so viel Gewölbegurten und Rippen (die man ja zum Theil beibehielt), sondern ein wesentlicher Ausdruck des Strebens nach oben. Wo letzteres nicht als leitendes Princip galt, musste er dem Pfeiler weichen; immerhin aber behielt auch dieser noch eine Andeutung des Tragens verschiedener Lasten, in Gestalt von schmalern polygonen Trägern in den einwärts tretenden Ecken. Statt eines eigentlichen Capitäls werden nunmehr zwei oder drei Blattreihen ganz schlicht um das obere Ende des Pfeilers auf allen vier oder acht Seiten (oder im Kreis, wenn es ein Rundpfeiler ist) herumgelegt; vorzüglich aber ge- winnt die Basis jetzt erst eine consequente Bildung.
Schon hier begegnen wir dem sonst hauptsächlich als Bildhauer berühmten Niccolo Pisano (geboren zwischen 1205 und 1207, lebte noch 1277), als einem Anfänger alles Grossen und Neuen. In seiner frühern Zeit muss er noch der romanischen Bauweise zugethan gewe- sen sein, wenn S. Nicola in Pisa von ihm ist; übrigens hätte era schon hier das nordische Princip der Verjüngung und Umgestaltung des Thurmes nach oben auf merkwürdige Weise geahnt und nur sehr befangen ausgedrückt. (Rund, dann Achteck, weiter eine sechszehn- seitige Bogengalerie um einen runden Kern, endlich ein Sechseck.)
Von seinen gothischen Bauten hat S. Trinita in Florenz schonb viereckige Pfeiler, deren Stellung jedoch mit Rücksicht auf die Capel- lenreihen rechts und links neben den Seitenschiffen eine enge ist, so dass jeder Capelle ein Intervall entspricht. Sodann entwarf Niccolo um 1250 die grosse Franciscanerkirche S. Maria de Frari in Ve-c nedig. Das Misstrauen, welches man in seine Urheberschaft setzt,
Aufhören des Säulenbündels. Niccolò Pisano.
mit eingeklebten antiken Säulen, immer zwei übereinander an der In- nenseite des Pfeilers; flache Decke.
Einen weitern und bedeutenden Schritt thut inzwischen die tos- canische Baukunst mit der Umbildung des Säulenbündels, den sie doch niemals nordisch lebendig formirt hatte, zum viereckigen, achteckigen oder runden Pfeiler. Erstere Form ist ohne Frage die schönere und reichere, letztere aber für den vorliegenden Fall die wahrere. Der Säulenbündel steht in engem Zusammenhang mit dem Schlanken und Engen nordischer Gothik; er ist nicht bloss das Correspondens von so und so viel Gewölbegurten und Rippen (die man ja zum Theil beibehielt), sondern ein wesentlicher Ausdruck des Strebens nach oben. Wo letzteres nicht als leitendes Princip galt, musste er dem Pfeiler weichen; immerhin aber behielt auch dieser noch eine Andeutung des Tragens verschiedener Lasten, in Gestalt von schmalern polygonen Trägern in den einwärts tretenden Ecken. Statt eines eigentlichen Capitäls werden nunmehr zwei oder drei Blattreihen ganz schlicht um das obere Ende des Pfeilers auf allen vier oder acht Seiten (oder im Kreis, wenn es ein Rundpfeiler ist) herumgelegt; vorzüglich aber ge- winnt die Basis jetzt erst eine consequente Bildung.
Schon hier begegnen wir dem sonst hauptsächlich als Bildhauer berühmten Niccolò Pisano (geboren zwischen 1205 und 1207, lebte noch 1277), als einem Anfänger alles Grossen und Neuen. In seiner frühern Zeit muss er noch der romanischen Bauweise zugethan gewe- sen sein, wenn S. Nicola in Pisa von ihm ist; übrigens hätte era schon hier das nordische Princip der Verjüngung und Umgestaltung des Thurmes nach oben auf merkwürdige Weise geahnt und nur sehr befangen ausgedrückt. (Rund, dann Achteck, weiter eine sechszehn- seitige Bogengalerie um einen runden Kern, endlich ein Sechseck.)
Von seinen gothischen Bauten hat S. Trinità in Florenz schonb viereckige Pfeiler, deren Stellung jedoch mit Rücksicht auf die Capel- lenreihen rechts und links neben den Seitenschiffen eine enge ist, so dass jeder Capelle ein Intervall entspricht. Sodann entwarf Niccolò um 1250 die grosse Franciscanerkirche S. Maria de Frari in Ve-c nedig. Das Misstrauen, welches man in seine Urheberschaft setzt,
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Aufhören des Säulenbündels. Niccolò Pisano.
mit eingeklebten antiken Säulen, immer zwei übereinander an der In-
nenseite des Pfeilers; flache Decke.
Einen weitern und bedeutenden Schritt thut inzwischen die tos-
canische Baukunst mit der Umbildung des Säulenbündels, den sie doch
niemals nordisch lebendig formirt hatte, zum viereckigen, achteckigen
oder runden Pfeiler. Erstere Form ist ohne Frage die schönere
und reichere, letztere aber für den vorliegenden Fall die wahrere.
Der Säulenbündel steht in engem Zusammenhang mit dem Schlanken
und Engen nordischer Gothik; er ist nicht bloss das Correspondens
von so und so viel Gewölbegurten und Rippen (die man ja zum Theil
beibehielt), sondern ein wesentlicher Ausdruck des Strebens nach oben.
Wo letzteres nicht als leitendes Princip galt, musste er dem Pfeiler
weichen; immerhin aber behielt auch dieser noch eine Andeutung des
Tragens verschiedener Lasten, in Gestalt von schmalern polygonen
Trägern in den einwärts tretenden Ecken. Statt eines eigentlichen
Capitäls werden nunmehr zwei oder drei Blattreihen ganz schlicht um
das obere Ende des Pfeilers auf allen vier oder acht Seiten (oder im
Kreis, wenn es ein Rundpfeiler ist) herumgelegt; vorzüglich aber ge-
winnt die Basis jetzt erst eine consequente Bildung.
Schon hier begegnen wir dem sonst hauptsächlich als Bildhauer
berühmten Niccolò Pisano (geboren zwischen 1205 und 1207, lebte
noch 1277), als einem Anfänger alles Grossen und Neuen. In seiner
frühern Zeit muss er noch der romanischen Bauweise zugethan gewe-
sen sein, wenn S. Nicola in Pisa von ihm ist; übrigens hätte er
schon hier das nordische Princip der Verjüngung und Umgestaltung
des Thurmes nach oben auf merkwürdige Weise geahnt und nur sehr
befangen ausgedrückt. (Rund, dann Achteck, weiter eine sechszehn-
seitige Bogengalerie um einen runden Kern, endlich ein Sechseck.)
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Von seinen gothischen Bauten hat S. Trinità in Florenz schon
viereckige Pfeiler, deren Stellung jedoch mit Rücksicht auf die Capel-
lenreihen rechts und links neben den Seitenschiffen eine enge ist, so
dass jeder Capelle ein Intervall entspricht. Sodann entwarf Niccolò
um 1250 die grosse Franciscanerkirche S. Maria de Frari in Ve-
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/159>, abgerufen am 25.11.2024.
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