Fassade das reinste Mittelalter verspricht, wird man beim Eintritt in die Kirche beinahe regelmässig durch einen Umbau im Barockstyl enttäuscht. Die historische Pietät, welche seit dem XVI. Jahrhundert manche toscanische Kirche als Werk einheimischer Künstler rettete, fiel weg bei Gebäuden, die man als Werke eines aufgedrungenen bar- barischen Styles betrachtete 1).
a
Die allzu berühmte Kirche S. Michele in Pavia muss zuerst genannt werden, weil ihr vermeintliches Alter -- man verlegte sie in die Zeit des langobardischen Königreiches -- zu dem irrigen Zuge- ständniss einer Priorität Oberitaliens in dem betreffenden Styl Anlass gab. Der ganze jetzige Bau, auch innen leidlich erhalten, stammt aus der letzten Zeit des XI. Jahrhunderts. Die Fassade ist ganz beson- bders gedankenlos. -- Später und etwas belebter: die der Augusti- nerkirche.
c
S. Ambrogio in Mailand, vom gewölbten Vorhof aus (S. 77, f.) ein bedeutender Anblick, mit einer untern und obern Vorhalle, ent- spricht im Innern durch keine Art von Schönheit dem classischen ge- schichtlichen Ruhm. Ungeschickte und frühe Umbauten (die jetzige Gestalt aus dem XII. Jahrhundert); geringes Licht; Anzahl wichtiger Alterthümer.
d
S. Fedele in Como, beträchtlich verbaut, aber wegen der ab- gerundeten Kreuzarme mit Bogenstellungen als mittelalterliche Nach- bildung von S. Lorenzo in Mailand merkwürdig.
e
Der Dom von Modena in seiner jetzigen Gestalt begonnen 1099; aussen mit einer ringsum laufenden Galerie, von welcher je drei Bo- gen durch einen grössern Bogen auf Wandsäulen eingefasst werden; im Innern abwechselnd Säulen mit antikisirenden Capitälen, und starke Pfeiler mit Halbsäulen; die obere Galerie (von jeher) bloss scheinbar,
1) Es ist unglaublich, welche Vorurtheile oft selbst den gebildetsten Italienern in Betreff der "maniera gotica" und der vermeintlichen "Zerstörungen durch die Barbaren" ankleben. Sie halten Dinge für barbarisch, die der schönste Ausdruck und Überrest ihres eigenen städtischen Geistes im Mittelalter sind und beklagen einen Ruin, bei dem vielleicht kaum im hundertsten Fall ein Germane das Brecheisen geführt hat, durchaus auf Rechnung des Nordens. Wo man wieder für das Gothische Partei nimmt, wie z. B. in Mailand, ge- schieht es in einer solchen Weise, dass es besser unterbliebe.
Romanische Architektur. Oberitalien.
Fassade das reinste Mittelalter verspricht, wird man beim Eintritt in die Kirche beinahe regelmässig durch einen Umbau im Barockstyl enttäuscht. Die historische Pietät, welche seit dem XVI. Jahrhundert manche toscanische Kirche als Werk einheimischer Künstler rettete, fiel weg bei Gebäuden, die man als Werke eines aufgedrungenen bar- barischen Styles betrachtete 1).
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Die allzu berühmte Kirche S. Michele in Pavia muss zuerst genannt werden, weil ihr vermeintliches Alter — man verlegte sie in die Zeit des langobardischen Königreiches — zu dem irrigen Zuge- ständniss einer Priorität Oberitaliens in dem betreffenden Styl Anlass gab. Der ganze jetzige Bau, auch innen leidlich erhalten, stammt aus der letzten Zeit des XI. Jahrhunderts. Die Fassade ist ganz beson- bders gedankenlos. — Später und etwas belebter: die der Augusti- nerkirche.
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S. Ambrogio in Mailand, vom gewölbten Vorhof aus (S. 77, f.) ein bedeutender Anblick, mit einer untern und obern Vorhalle, ent- spricht im Innern durch keine Art von Schönheit dem classischen ge- schichtlichen Ruhm. Ungeschickte und frühe Umbauten (die jetzige Gestalt aus dem XII. Jahrhundert); geringes Licht; Anzahl wichtiger Alterthümer.
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S. Fedele in Como, beträchtlich verbaut, aber wegen der ab- gerundeten Kreuzarme mit Bogenstellungen als mittelalterliche Nach- bildung von S. Lorenzo in Mailand merkwürdig.
e
Der Dom von Modena in seiner jetzigen Gestalt begonnen 1099; aussen mit einer ringsum laufenden Galerie, von welcher je drei Bo- gen durch einen grössern Bogen auf Wandsäulen eingefasst werden; im Innern abwechselnd Säulen mit antikisirenden Capitälen, und starke Pfeiler mit Halbsäulen; die obere Galerie (von jeher) bloss scheinbar,
1) Es ist unglaublich, welche Vorurtheile oft selbst den gebildetsten Italienern in Betreff der „maniera gotica“ und der vermeintlichen „Zerstörungen durch die Barbaren“ ankleben. Sie halten Dinge für barbarisch, die der schönste Ausdruck und Überrest ihres eigenen städtischen Geistes im Mittelalter sind und beklagen einen Ruin, bei dem vielleicht kaum im hundertsten Fall ein Germane das Brecheisen geführt hat, durchaus auf Rechnung des Nordens. Wo man wieder für das Gothische Partei nimmt, wie z. B. in Mailand, ge- schieht es in einer solchen Weise, dass es besser unterbliebe.
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Romanische Architektur. Oberitalien.
Fassade das reinste Mittelalter verspricht, wird man beim Eintritt in
die Kirche beinahe regelmässig durch einen Umbau im Barockstyl
enttäuscht. Die historische Pietät, welche seit dem XVI. Jahrhundert
manche toscanische Kirche als Werk einheimischer Künstler rettete,
fiel weg bei Gebäuden, die man als Werke eines aufgedrungenen bar-
barischen Styles betrachtete 1).
Die allzu berühmte Kirche S. Michele in Pavia muss zuerst
genannt werden, weil ihr vermeintliches Alter — man verlegte sie in
die Zeit des langobardischen Königreiches — zu dem irrigen Zuge-
ständniss einer Priorität Oberitaliens in dem betreffenden Styl Anlass
gab. Der ganze jetzige Bau, auch innen leidlich erhalten, stammt aus
der letzten Zeit des XI. Jahrhunderts. Die Fassade ist ganz beson-
ders gedankenlos. — Später und etwas belebter: die der Augusti-
nerkirche.
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S. Ambrogio in Mailand, vom gewölbten Vorhof aus (S. 77, f.)
ein bedeutender Anblick, mit einer untern und obern Vorhalle, ent-
spricht im Innern durch keine Art von Schönheit dem classischen ge-
schichtlichen Ruhm. Ungeschickte und frühe Umbauten (die jetzige
Gestalt aus dem XII. Jahrhundert); geringes Licht; Anzahl wichtiger
Alterthümer.
S. Fedele in Como, beträchtlich verbaut, aber wegen der ab-
gerundeten Kreuzarme mit Bogenstellungen als mittelalterliche Nach-
bildung von S. Lorenzo in Mailand merkwürdig.
Der Dom von Modena in seiner jetzigen Gestalt begonnen 1099;
aussen mit einer ringsum laufenden Galerie, von welcher je drei Bo-
gen durch einen grössern Bogen auf Wandsäulen eingefasst werden;
im Innern abwechselnd Säulen mit antikisirenden Capitälen, und starke
Pfeiler mit Halbsäulen; die obere Galerie (von jeher) bloss scheinbar,
1) Es ist unglaublich, welche Vorurtheile oft selbst den gebildetsten Italienern
in Betreff der „maniera gotica“ und der vermeintlichen „Zerstörungen durch
die Barbaren“ ankleben. Sie halten Dinge für barbarisch, die der schönste
Ausdruck und Überrest ihres eigenen städtischen Geistes im Mittelalter sind
und beklagen einen Ruin, bei dem vielleicht kaum im hundertsten Fall ein
Germane das Brecheisen geführt hat, durchaus auf Rechnung des Nordens.
Wo man wieder für das Gothische Partei nimmt, wie z. B. in Mailand, ge-
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/142>, abgerufen am 27.11.2024.
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