wahrhaft harmonischen Eindruck machen kann. Wohin musste es schon im VI. Jahrhundert in Italien gekommen sein, wenn man für die ravennatischen Kirchen, in Ermanglung antiker Bruchstücke, die Säulen und Capitäle aus der Gegend von Constantinopel fertig holen liess? Selbst die baulichen Combinationen und Ideen kamen, wie er- wähnt, theilweise von Osten her.
Und doch keimt neben der Barbarisirung der grössern Bauformen ein Rest schöner Einzelbildung weiter in Gestalt des Ornamentes zu gewissen Zwecken.
Der Schutt Roms war damals unermesslich reich an kleinern Bau- stücken aller Art, die Jedem zu Gebote standen. Aus steinernen und thönernen Consolen, Simsfragmenten, Cassetten u. s. w. entstand im X. Jahrhundert die sog. Casa di Pilato (richtiger Haus des Cres-a centius). Ausserdem aber gab es und giebt es stellenweise noch Plat- ten von kostbaren Steinen, mit welchen einst die Wände der Paläste belegt gewesen waren; es gab Porphyrsäulen und Fragmente solcher, auch vielen grünen numidischen Marmor und Giallo antico. Diese Reste zerschnitt man und setzte daraus neue Zeichnungen zusammen; die zu Scheiben gesägten Porphyrsäulen pflegten dann die Mitte der zu verzierenden Fläche einzunehmen; das Übrige wurde mit gelbem, grünem und weissem Marmor ausgelegt. Das inzwischen sehr empor- gekommene Mosaik half mit seinen Glaspasten und zumal mit Gold nach; doch blieb der Stein in Rom immer das Vorherrschende, und diese Decoration ist daher schon von Anfang an etwas Anderes als die saracenische oder moreske, welche wesentlich auf Glaspasten be- schränkt blieb. Letzteres gilt, wie wir sehen werden, auch von der unteritalischen.
Die Gegenstände, um welche es sich handelt, sind Fussböden, Thürpfosten, bischöfliche Throne, Lesepulte (Ambonen, Analogien), Schranken und Einfassungen von Sitzen, Altäre und Säulen für die Osterkerze. Die der Sculptur und der plastischen Ornamentik 1)
1) Was von dieser in Rom vor dem XII. Jahrhundert vorkommt, ist äusserst barbarisch, und so auch Späteres, was nicht von den Cosmaten herrührt.
Ornamente.
wahrhaft harmonischen Eindruck machen kann. Wohin musste es schon im VI. Jahrhundert in Italien gekommen sein, wenn man für die ravennatischen Kirchen, in Ermanglung antiker Bruchstücke, die Säulen und Capitäle aus der Gegend von Constantinopel fertig holen liess? Selbst die baulichen Combinationen und Ideen kamen, wie er- wähnt, theilweise von Osten her.
Und doch keimt neben der Barbarisirung der grössern Bauformen ein Rest schöner Einzelbildung weiter in Gestalt des Ornamentes zu gewissen Zwecken.
Der Schutt Roms war damals unermesslich reich an kleinern Bau- stücken aller Art, die Jedem zu Gebote standen. Aus steinernen und thönernen Consolen, Simsfragmenten, Cassetten u. s. w. entstand im X. Jahrhundert die sog. Casa di Pilato (richtiger Haus des Cres-a centius). Ausserdem aber gab es und giebt es stellenweise noch Plat- ten von kostbaren Steinen, mit welchen einst die Wände der Paläste belegt gewesen waren; es gab Porphyrsäulen und Fragmente solcher, auch vielen grünen numidischen Marmor und Giallo antico. Diese Reste zerschnitt man und setzte daraus neue Zeichnungen zusammen; die zu Scheiben gesägten Porphyrsäulen pflegten dann die Mitte der zu verzierenden Fläche einzunehmen; das Übrige wurde mit gelbem, grünem und weissem Marmor ausgelegt. Das inzwischen sehr empor- gekommene Mosaik half mit seinen Glaspasten und zumal mit Gold nach; doch blieb der Stein in Rom immer das Vorherrschende, und diese Decoration ist daher schon von Anfang an etwas Anderes als die saracenische oder moreske, welche wesentlich auf Glaspasten be- schränkt blieb. Letzteres gilt, wie wir sehen werden, auch von der unteritalischen.
Die Gegenstände, um welche es sich handelt, sind Fussböden, Thürpfosten, bischöfliche Throne, Lesepulte (Ambonen, Analogien), Schranken und Einfassungen von Sitzen, Altäre und Säulen für die Osterkerze. Die der Sculptur und der plastischen Ornamentik 1)
1) Was von dieser in Rom vor dem XII. Jahrhundert vorkommt, ist äusserst barbarisch, und so auch Späteres, was nicht von den Cosmaten herrührt.
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Ornamente.
wahrhaft harmonischen Eindruck machen kann. Wohin musste es
schon im VI. Jahrhundert in Italien gekommen sein, wenn man für
die ravennatischen Kirchen, in Ermanglung antiker Bruchstücke, die
Säulen und Capitäle aus der Gegend von Constantinopel fertig holen
liess? Selbst die baulichen Combinationen und Ideen kamen, wie er-
wähnt, theilweise von Osten her.
Und doch keimt neben der Barbarisirung der grössern Bauformen
ein Rest schöner Einzelbildung weiter in Gestalt des Ornamentes
zu gewissen Zwecken.
Der Schutt Roms war damals unermesslich reich an kleinern Bau-
stücken aller Art, die Jedem zu Gebote standen. Aus steinernen und
thönernen Consolen, Simsfragmenten, Cassetten u. s. w. entstand im
X. Jahrhundert die sog. Casa di Pilato (richtiger Haus des Cres-
centius). Ausserdem aber gab es und giebt es stellenweise noch Plat-
ten von kostbaren Steinen, mit welchen einst die Wände der Paläste
belegt gewesen waren; es gab Porphyrsäulen und Fragmente solcher,
auch vielen grünen numidischen Marmor und Giallo antico. Diese
Reste zerschnitt man und setzte daraus neue Zeichnungen zusammen;
die zu Scheiben gesägten Porphyrsäulen pflegten dann die Mitte der
zu verzierenden Fläche einzunehmen; das Übrige wurde mit gelbem,
grünem und weissem Marmor ausgelegt. Das inzwischen sehr empor-
gekommene Mosaik half mit seinen Glaspasten und zumal mit Gold
nach; doch blieb der Stein in Rom immer das Vorherrschende, und
diese Decoration ist daher schon von Anfang an etwas Anderes als
die saracenische oder moreske, welche wesentlich auf Glaspasten be-
schränkt blieb. Letzteres gilt, wie wir sehen werden, auch von der
unteritalischen.
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Die Gegenstände, um welche es sich handelt, sind Fussböden,
Thürpfosten, bischöfliche Throne, Lesepulte (Ambonen, Analogien),
Schranken und Einfassungen von Sitzen, Altäre und Säulen für
die Osterkerze. Die der Sculptur und der plastischen Ornamentik 1)
1) Was von dieser in Rom vor dem XII. Jahrhundert vorkommt, ist äusserst
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/117>, abgerufen am 29.11.2024.
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