nahe kommend. Das Äussere ein roher Ziegelbau, klein und un- scheinbar.
Der eigentlichen Kirchen sind unter den Centralbauten allerdings nur wenige bedeutende, wenn S. Lorenzo in Mailand (Seite 51) als antiker Thermenbau ausgeschieden werden muss.
Das einfachste Motiv zeigt der räthselhafte, im V. Jahrhundert höchst wahrscheinlich als Kirche errichtete Bau S. Stefano rotondoa auf dem Coelius zu Rom. Ein innerer Säulenkreis mit Bogen trägt den cylindrischen Oberbau, wozu er im Verlauf der Zeit einer hal- birenden Zwischenmauer auf zwei Säulen und drei Bogen als Unter- stützung bedurfte. Ein äusserer Säulenkreis ist seit dem XV. Jahr- hundert durch dazwischengezogene Mauern zur Grenze der Kirche geworden; der äusserste Mauerumfang wurde aufgegeben und ist nur noch in Trümmern vorhanden. Es sind lauter weite Räume, nicht auf Wölbung, sondern auf flaches Eindecken berechnet. Der Altar unter dem hohen Mittelraum ist modern; an einem erhaltenen Stück des äussersten Umganges ist für den ursprünglichen Altar eine eigene Tri- buna eingerichtet. Die höchst rohen ionischen Capitäle passen kaum zu der beglaubigten Einweihungszeit (468--483), wenn man erwägt, dass diejenigen von S. Maria maggiore kaum 30 Jahre älter sind, allein der Zustand Roms in dieser Zeit würde am Ende jede Missform er- klären.
Weit das wichtigste Gebäude dieser Gattung ist jenes berühmte Achteck San Vitale zu Ravenna, in der letzten Ostgothenzeit er-b baut, zu Anfang der byzantinischen Herrschaft ausgeschmückt (Mitte des VI. Jahrhunderts). Nachahmung centraler Kirchen des Orients, mit oberm und unterm Umgang, dessen acht einzelne Seiten mit Stel- lungen von je zwei Säulen im Halbrund einwärts treten; die Kuppel der Leichtigkeit wegen aus thönernen Hohlkörpern (Amphoren) con- struirt, leider durch Stuccozierrathen entstellt; die Tribuna als beson- derer Ausbau durch den Umgang hindurchgelegt; die jetzige Vorhalle nicht die urprüngliche; die Aussenmauern schlicht. Der Eindruck reich, aber unruhig; das Einwärtstreten der Säulenstellungen aus einem Zweck perspectivischer Scheinerweiterung, welche erst wieder im Barock-
Kirchen von Centralanlage.
nahe kommend. Das Äussere ein roher Ziegelbau, klein und un- scheinbar.
Der eigentlichen Kirchen sind unter den Centralbauten allerdings nur wenige bedeutende, wenn S. Lorenzo in Mailand (Seite 51) als antiker Thermenbau ausgeschieden werden muss.
Das einfachste Motiv zeigt der räthselhafte, im V. Jahrhundert höchst wahrscheinlich als Kirche errichtete Bau S. Stefano rotondoa auf dem Coelius zu Rom. Ein innerer Säulenkreis mit Bogen trägt den cylindrischen Oberbau, wozu er im Verlauf der Zeit einer hal- birenden Zwischenmauer auf zwei Säulen und drei Bogen als Unter- stützung bedurfte. Ein äusserer Säulenkreis ist seit dem XV. Jahr- hundert durch dazwischengezogene Mauern zur Grenze der Kirche geworden; der äusserste Mauerumfang wurde aufgegeben und ist nur noch in Trümmern vorhanden. Es sind lauter weite Räume, nicht auf Wölbung, sondern auf flaches Eindecken berechnet. Der Altar unter dem hohen Mittelraum ist modern; an einem erhaltenen Stück des äussersten Umganges ist für den ursprünglichen Altar eine eigene Tri- buna eingerichtet. Die höchst rohen ionischen Capitäle passen kaum zu der beglaubigten Einweihungszeit (468—483), wenn man erwägt, dass diejenigen von S. Maria maggiore kaum 30 Jahre älter sind, allein der Zustand Roms in dieser Zeit würde am Ende jede Missform er- klären.
Weit das wichtigste Gebäude dieser Gattung ist jenes berühmte Achteck San Vitale zu Ravenna, in der letzten Ostgothenzeit er-b baut, zu Anfang der byzantinischen Herrschaft ausgeschmückt (Mitte des VI. Jahrhunderts). Nachahmung centraler Kirchen des Orients, mit oberm und unterm Umgang, dessen acht einzelne Seiten mit Stel- lungen von je zwei Säulen im Halbrund einwärts treten; die Kuppel der Leichtigkeit wegen aus thönernen Hohlkörpern (Amphoren) con- struirt, leider durch Stuccozierrathen entstellt; die Tribuna als beson- derer Ausbau durch den Umgang hindurchgelegt; die jetzige Vorhalle nicht die urprüngliche; die Aussenmauern schlicht. Der Eindruck reich, aber unruhig; das Einwärtstreten der Säulenstellungen aus einem Zweck perspectivischer Scheinerweiterung, welche erst wieder im Barock-
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Kirchen von Centralanlage.
nahe kommend. Das Äussere ein roher Ziegelbau, klein und un-
scheinbar.
Der eigentlichen Kirchen sind unter den Centralbauten allerdings
nur wenige bedeutende, wenn S. Lorenzo in Mailand (Seite 51) als
antiker Thermenbau ausgeschieden werden muss.
Das einfachste Motiv zeigt der räthselhafte, im V. Jahrhundert
höchst wahrscheinlich als Kirche errichtete Bau S. Stefano rotondo
auf dem Coelius zu Rom. Ein innerer Säulenkreis mit Bogen trägt
den cylindrischen Oberbau, wozu er im Verlauf der Zeit einer hal-
birenden Zwischenmauer auf zwei Säulen und drei Bogen als Unter-
stützung bedurfte. Ein äusserer Säulenkreis ist seit dem XV. Jahr-
hundert durch dazwischengezogene Mauern zur Grenze der Kirche
geworden; der äusserste Mauerumfang wurde aufgegeben und ist nur
noch in Trümmern vorhanden. Es sind lauter weite Räume, nicht auf
Wölbung, sondern auf flaches Eindecken berechnet. Der Altar unter
dem hohen Mittelraum ist modern; an einem erhaltenen Stück des
äussersten Umganges ist für den ursprünglichen Altar eine eigene Tri-
buna eingerichtet. Die höchst rohen ionischen Capitäle passen kaum
zu der beglaubigten Einweihungszeit (468—483), wenn man erwägt,
dass diejenigen von S. Maria maggiore kaum 30 Jahre älter sind, allein
der Zustand Roms in dieser Zeit würde am Ende jede Missform er-
klären.
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Weit das wichtigste Gebäude dieser Gattung ist jenes berühmte
Achteck San Vitale zu Ravenna, in der letzten Ostgothenzeit er-
baut, zu Anfang der byzantinischen Herrschaft ausgeschmückt (Mitte
des VI. Jahrhunderts). Nachahmung centraler Kirchen des Orients,
mit oberm und unterm Umgang, dessen acht einzelne Seiten mit Stel-
lungen von je zwei Säulen im Halbrund einwärts treten; die Kuppel
der Leichtigkeit wegen aus thönernen Hohlkörpern (Amphoren) con-
struirt, leider durch Stuccozierrathen entstellt; die Tribuna als beson-
derer Ausbau durch den Umgang hindurchgelegt; die jetzige Vorhalle
nicht die urprüngliche; die Aussenmauern schlicht. Der Eindruck reich,
aber unruhig; das Einwärtstreten der Säulenstellungen aus einem Zweck
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/115>, abgerufen am 29.11.2024.
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