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Bunge, Gustav von: Der Vegetarianismus. Berlin, 1885.

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Es giebt auf dem ganzen Erdbälle kein einziges
Volk und keine einzige Volksklasse, welche das
Fleisch verschmähten. Wo die Fleischnahrung zu-
zücktritt, geschieht es immer nur aus Noth, niemals
aus Abneigung.

In der Vegetarianerliteratur begegnet man viel-
fach der Angabe, die Inder lebten von rein vegeta-
bilischer Nahrung. Richtig ist, dass die Religion
der Inder im Zusammenhänge mit der Lehre von
der Seelenwanderung das Tödten der Thiere verbie-
tet. Aber die Brahmanen vermochten niemals mit
diesem Verbote durchzudringen1) und Buddha hat
nach der Tradition der Inder gegen den Vorschlag,
den Fleischgenuss zu verbieten, ausdrücklich prote-
stirt2). Buddha selbst -- so erzählt ganz naiv
die Legende -- verspeiste einen Schweinebraten als
letzte Mahlzeit, bevor er einging in's Nirvaua3).
Das Verlangen nach Fleisch ist bei den Indern zu
allen Zeiten mächtiger gewesen als die Religion4).

lung des grossen Oceans. Hamburg 1810. Bd. I. Abth. 1.
S. 251. Abth. IX. S. 519, 521, 638,716. Waitz, Anthropo-
logie d. Naturvölker. Thl. V. Abthl. II. Leipzig 1870. S. 78.
Thl. VI. Leipzig 1872. S. 53, 56, 57, 578.
1) Duncker, Geschichte, des Alterthums. Bd. III. Leip-
zig 1875. S. 129.
2) Kern, Der Buddhismus. Deutsch von H. Jacobi.
Bd. I. Thl. I. S. 237. Leipzig 1882.
3) Kern, 1. c. S. 280. Vergl. auch C. Fr. Koeppen,
Die Religion des Buddha. Bd. I. Berlin 1857. S. 359.
4) 4) P. v. Bohlen, Das alte Indien. Thl. I. Königsberg
1830. S. 161: r Gegenwärtig sogar finden sich in Bombay

Es giebt auf dem ganzen Erdbälle kein einziges
Volk und keine einzige Volksklasse, welche das
Fleisch verschmähten. Wo die Fleischnahrung zu-
zücktritt, geschieht es immer nur aus Noth, niemals
aus Abneigung.

In der Vegetarianerliteratur begegnet man viel-
fach der Angabe, die Inder lebten von rein vegeta-
bilischer Nahrung. Richtig ist, dass die Religion
der Inder im Zusammenhänge mit der Lehre von
der Seelenwanderung das Tödten der Thiere verbie-
tet. Aber die Brahmanen vermochten niemals mit
diesem Verbote durchzudringen1) und Buddha hat
nach der Tradition der Inder gegen den Vorschlag,
den Fleischgenuss zu verbieten, ausdrücklich prote-
stirt2). Buddha selbst — so erzählt ganz naiv
die Legende — verspeiste einen Schweinebraten als
letzte Mahlzeit, bevor er einging in’s Nirvaua3).
Das Verlangen nach Fleisch ist bei den Indern zu
allen Zeiten mächtiger gewesen als die Religion4).

lung des grossen Oceans. Hamburg 1810. Bd. I. Abth. 1.
S. 251. Abth. IX. S. 519, 521, 638,716. Waitz, Anthropo-
logie d. Naturvölker. Thl. V. Abthl. II. Leipzig 1870. S. 78.
Thl. VI. Leipzig 1872. S. 53, 56, 57, 578.
1) Duncker, Geschichte, des Alterthums. Bd. III. Leip-
zig 1875. S. 129.
2) Kern, Der Buddhismus. Deutsch von H. Jacobi.
Bd. I. Thl. I. S. 237. Leipzig 1882.
3) Kern, 1. c. S. 280. Vergl. auch C. Fr. Koeppen,
Die Religion des Buddha. Bd. I. Berlin 1857. S. 359.
4) 4) P. v. Bohlen, Das alte Indien. Thl. I. Königsberg
1830. S. 161: r Gegenwärtig sogar finden sich in Bombay
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[15/0016] Es giebt auf dem ganzen Erdbälle kein einziges Volk und keine einzige Volksklasse, welche das Fleisch verschmähten. Wo die Fleischnahrung zu- zücktritt, geschieht es immer nur aus Noth, niemals aus Abneigung. In der Vegetarianerliteratur begegnet man viel- fach der Angabe, die Inder lebten von rein vegeta- bilischer Nahrung. Richtig ist, dass die Religion der Inder im Zusammenhänge mit der Lehre von der Seelenwanderung das Tödten der Thiere verbie- tet. Aber die Brahmanen vermochten niemals mit diesem Verbote durchzudringen 1) und Buddha hat nach der Tradition der Inder gegen den Vorschlag, den Fleischgenuss zu verbieten, ausdrücklich prote- stirt 2). Buddha selbst — so erzählt ganz naiv die Legende — verspeiste einen Schweinebraten als letzte Mahlzeit, bevor er einging in’s Nirvaua 3). Das Verlangen nach Fleisch ist bei den Indern zu allen Zeiten mächtiger gewesen als die Religion 4). 1) 1) Duncker, Geschichte, des Alterthums. Bd. III. Leip- zig 1875. S. 129. 2) Kern, Der Buddhismus. Deutsch von H. Jacobi. Bd. I. Thl. I. S. 237. Leipzig 1882. 3) Kern, 1. c. S. 280. Vergl. auch C. Fr. Koeppen, Die Religion des Buddha. Bd. I. Berlin 1857. S. 359. 4) 4) P. v. Bohlen, Das alte Indien. Thl. I. Königsberg 1830. S. 161: r Gegenwärtig sogar finden sich in Bombay 1) lung des grossen Oceans. Hamburg 1810. Bd. I. Abth. 1. S. 251. Abth. IX. S. 519, 521, 638,716. Waitz, Anthropo- logie d. Naturvölker. Thl. V. Abthl. II. Leipzig 1870. S. 78. Thl. VI. Leipzig 1872. S. 53, 56, 57, 578.

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Zitationshilfe: Bunge, Gustav von: Der Vegetarianismus. Berlin, 1885, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bunge_vegetarianismus_1885/16>, abgerufen am 23.11.2024.