1) Copenhagen hat keine Waarenmakler; we- nigstens hatte es sie noch nicht in dem Jahre 1782, als ich zum zweitenmal dort war. Der damalige Seekrieg vergrösserte die Handlung dieser Stadt ganz ungemein, und führte derselben von dem Dänischen Freihaven St. Thomas in Westindien Waaren zu, die man dort gar nicht kannte, und denen man in den Briefen an die Committenten ganz unrechte Namen, wenigstens in Bezeichnung der Gattung, gab. An- fangs traute man diesen Bezeichnungen. Wenn aber die committirte Waare an den Ort ihrer Bestim- mung kam, war sie bald von einer bessern, bald von einer schlechtern Gattung. Wer die bessere bekam, schwieg still; wenn sie aber schlechter ausfiel, so ent- stand eine nicht ungerechte Schadensklage. Die Folge davon war, daß man seine Commission nicht eher bestimmt gab, als nachdem die Proben mit der Post übersandt waren. Von manchen Waaren wurden die Proben von dortigen Kaufleuten selbst nach Ham- burg oder Amsterdam gesandt, mit der Bitte, ihnen die Gattung der Waare zu benennen und den Preis, den sie gelten könnten, zu bestimmen. Ich spöttle nicht etwa, sondern ich sage die Wahrheit, zu deren Bestättigung ich anführen darf, daß dortige Kaufleute in dem Gefühl dieser Verlegenheit mich baten, einen oder mehrere waarenkundige Männer zu veranlassen,
2 Buch. Von dem Waarenhandel.
1) Copenhagen hat keine Waarenmakler; we- nigſtens hatte es ſie noch nicht in dem Jahre 1782, als ich zum zweitenmal dort war. Der damalige Seekrieg vergroͤſſerte die Handlung dieſer Stadt ganz ungemein, und fuͤhrte derſelben von dem Daͤniſchen Freihaven St. Thomas in Weſtindien Waaren zu, die man dort gar nicht kannte, und denen man in den Briefen an die Committenten ganz unrechte Namen, wenigſtens in Bezeichnung der Gattung, gab. An- fangs traute man dieſen Bezeichnungen. Wenn aber die committirte Waare an den Ort ihrer Beſtim- mung kam, war ſie bald von einer beſſern, bald von einer ſchlechtern Gattung. Wer die beſſere bekam, ſchwieg ſtill; wenn ſie aber ſchlechter ausfiel, ſo ent- ſtand eine nicht ungerechte Schadensklage. Die Folge davon war, daß man ſeine Commiſſion nicht eher beſtimmt gab, als nachdem die Proben mit der Poſt uͤberſandt waren. Von manchen Waaren wurden die Proben von dortigen Kaufleuten ſelbſt nach Ham- burg oder Amſterdam geſandt, mit der Bitte, ihnen die Gattung der Waare zu benennen und den Preis, den ſie gelten koͤnnten, zu beſtimmen. Ich ſpoͤttle nicht etwa, ſondern ich ſage die Wahrheit, zu deren Beſtaͤttigung ich anfuͤhren darf, daß dortige Kaufleute in dem Gefuͤhl dieſer Verlegenheit mich baten, einen oder mehrere waarenkundige Maͤnner zu veranlaſſen,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><pbfacs="#f0162"n="140"/><fwplace="top"type="header">2 Buch. Von dem Waarenhandel.</fw><lb/><p>1) Copenhagen hat keine Waarenmakler; we-<lb/>
nigſtens hatte es ſie noch nicht in dem Jahre 1782,<lb/>
als ich zum zweitenmal dort war. Der damalige<lb/>
Seekrieg vergroͤſſerte die Handlung dieſer Stadt ganz<lb/>
ungemein, und fuͤhrte derſelben von dem Daͤniſchen<lb/>
Freihaven St. Thomas in Weſtindien Waaren zu,<lb/>
die man dort gar nicht kannte, und denen man in den<lb/>
Briefen an die Committenten ganz unrechte Namen,<lb/>
wenigſtens in Bezeichnung der Gattung, gab. An-<lb/>
fangs traute man dieſen Bezeichnungen. Wenn<lb/>
aber die committirte Waare an den Ort ihrer Beſtim-<lb/>
mung kam, war ſie bald von einer beſſern, bald von<lb/>
einer ſchlechtern Gattung. Wer die beſſere bekam,<lb/>ſchwieg ſtill; wenn ſie aber ſchlechter ausfiel, ſo ent-<lb/>ſtand eine nicht ungerechte Schadensklage. Die Folge<lb/>
davon war, daß man ſeine Commiſſion nicht eher<lb/>
beſtimmt gab, als nachdem die Proben mit der Poſt<lb/>
uͤberſandt waren. Von manchen Waaren wurden<lb/>
die Proben von dortigen Kaufleuten ſelbſt nach Ham-<lb/>
burg oder Amſterdam geſandt, mit der Bitte, ihnen<lb/>
die Gattung der Waare zu benennen und den Preis,<lb/>
den ſie gelten koͤnnten, zu beſtimmen. Ich ſpoͤttle<lb/>
nicht etwa, ſondern ich ſage die Wahrheit, zu deren<lb/>
Beſtaͤttigung ich anfuͤhren darf, daß dortige Kaufleute<lb/>
in dem Gefuͤhl dieſer Verlegenheit mich baten, einen<lb/>
oder mehrere waarenkundige Maͤnner zu veranlaſſen,<lb/></p></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[140/0162]
2 Buch. Von dem Waarenhandel.
1) Copenhagen hat keine Waarenmakler; we-
nigſtens hatte es ſie noch nicht in dem Jahre 1782,
als ich zum zweitenmal dort war. Der damalige
Seekrieg vergroͤſſerte die Handlung dieſer Stadt ganz
ungemein, und fuͤhrte derſelben von dem Daͤniſchen
Freihaven St. Thomas in Weſtindien Waaren zu,
die man dort gar nicht kannte, und denen man in den
Briefen an die Committenten ganz unrechte Namen,
wenigſtens in Bezeichnung der Gattung, gab. An-
fangs traute man dieſen Bezeichnungen. Wenn
aber die committirte Waare an den Ort ihrer Beſtim-
mung kam, war ſie bald von einer beſſern, bald von
einer ſchlechtern Gattung. Wer die beſſere bekam,
ſchwieg ſtill; wenn ſie aber ſchlechter ausfiel, ſo ent-
ſtand eine nicht ungerechte Schadensklage. Die Folge
davon war, daß man ſeine Commiſſion nicht eher
beſtimmt gab, als nachdem die Proben mit der Poſt
uͤberſandt waren. Von manchen Waaren wurden
die Proben von dortigen Kaufleuten ſelbſt nach Ham-
burg oder Amſterdam geſandt, mit der Bitte, ihnen
die Gattung der Waare zu benennen und den Preis,
den ſie gelten koͤnnten, zu beſtimmen. Ich ſpoͤttle
nicht etwa, ſondern ich ſage die Wahrheit, zu deren
Beſtaͤttigung ich anfuͤhren darf, daß dortige Kaufleute
in dem Gefuͤhl dieſer Verlegenheit mich baten, einen
oder mehrere waarenkundige Maͤnner zu veranlaſſen,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Büsch, Johann Georg: Theoretisch-Praktische Darstellung der Handlung in deren mannigfaltigen Geschäften. Bd. 1. Hamburg, 1792, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buesch_handlung01_1792/162>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.