Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bürger, Gottfried August: Gedichte. Göttingen, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite
"Schlaf süs! Schlaf wol!" Da schlüpft' er hinaus;
Ihm fuhren durch's Leben Entsezen und Graus;
Es roch ihm wie Leichen; er stolpert' entlang,
Beim Schimmer des traurigen Lämpchens, den Gang.
Hui! sprangen die Beiden vom Winkel herbei,
Und bohrten ihn nieder mit dumpfem Geschrei:
"Da! hast du gefrei't um den Thron von Burgund,
Da hast du die Mitgift! da hast du sie, Hund!" --
"O Jesu Maria! Erbarme dich mein!" --
Drauf hülte sein brechendes Auge sich ein.
Ohne Beicht', ohne Nachtmal, ohn' Absolution,
Flog seine verzagende Seele davon.
Der Prinz von Hispania, schäumend vor Wut,
Zerhieb ihm den Busen mit knirschendem Mut:
"Weis her mir dein Herzchen! Ach! pocht ja so sehr! --
Hast lieb gehabt, Herzchen? Hab's Morgen Nacht
mehr!"

Und
„Schlaf ſuͤs! Schlaf wol!„ Da ſchluͤpft’ er hinaus;
Ihm fuhren durch’s Leben Entſezen und Graus;
Es roch ihm wie Leichen; er ſtolpert’ entlang,
Beim Schimmer des traurigen Laͤmpchens, den Gang.
Hui! ſprangen die Beiden vom Winkel herbei,
Und bohrten ihn nieder mit dumpfem Geſchrei:
„Da! haſt du gefrei’t um den Thron von Burgund,
Da haſt du die Mitgift! da haſt du ſie, Hund!„ —
„O Jeſu Maria! Erbarme dich mein!„ —
Drauf huͤlte ſein brechendes Auge ſich ein.
Ohne Beicht’, ohne Nachtmal, ohn’ Abſolution,
Flog ſeine verzagende Seele davon.
Der Prinz von Hiſpania, ſchaͤumend vor Wut,
Zerhieb ihm den Buſen mit knirſchendem Mut:
„Weis her mir dein Herzchen! Ach! pocht ja ſo ſehr! —
Haſt lieb gehabt, Herzchen? Hab’s Morgen Nacht
mehr!„

Und
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <l>
              <pb facs="#f0293" n="222"/>
            </l>
            <lg n="52">
              <l>&#x201E;Schlaf &#x017F;u&#x0364;s! Schlaf wol!&#x201E; Da &#x017F;chlu&#x0364;pft&#x2019; er hinaus;</l><lb/>
              <l>Ihm fuhren durch&#x2019;s Leben Ent&#x017F;ezen und Graus;</l><lb/>
              <l>Es roch ihm wie Leichen; er &#x017F;tolpert&#x2019; entlang,</l><lb/>
              <l>Beim Schimmer des traurigen La&#x0364;mpchens, den Gang.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="53">
              <l>Hui! &#x017F;prangen die Beiden vom Winkel herbei,</l><lb/>
              <l>Und bohrten ihn nieder mit dumpfem Ge&#x017F;chrei:</l><lb/>
              <l>&#x201E;Da! ha&#x017F;t du gefrei&#x2019;t um den Thron von Burgund,</l><lb/>
              <l>Da ha&#x017F;t du die Mitgift! da ha&#x017F;t du &#x017F;ie, Hund!&#x201E; &#x2014;</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="54">
              <l>&#x201E;O Je&#x017F;u Maria! Erbarme dich mein!&#x201E; &#x2014;</l><lb/>
              <l>Drauf hu&#x0364;lte &#x017F;ein brechendes Auge &#x017F;ich ein.</l><lb/>
              <l>Ohne Beicht&#x2019;, ohne Nachtmal, ohn&#x2019; Ab&#x017F;olution,</l><lb/>
              <l>Flog &#x017F;eine verzagende Seele davon.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="55">
              <l>Der Prinz von Hi&#x017F;pania, &#x017F;cha&#x0364;umend vor Wut,</l><lb/>
              <l>Zerhieb ihm den Bu&#x017F;en mit knir&#x017F;chendem Mut:</l><lb/>
              <l>&#x201E;Weis her mir dein Herzchen! Ach! pocht ja &#x017F;o &#x017F;ehr! &#x2014;</l><lb/>
              <l>Ha&#x017F;t lieb gehabt, Herzchen? Hab&#x2019;s Morgen Nacht</l><lb/>
              <l>mehr!&#x201E;</l>
            </lg><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Und</fw><lb/>
            <l>
</l>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[222/0293] „Schlaf ſuͤs! Schlaf wol!„ Da ſchluͤpft’ er hinaus; Ihm fuhren durch’s Leben Entſezen und Graus; Es roch ihm wie Leichen; er ſtolpert’ entlang, Beim Schimmer des traurigen Laͤmpchens, den Gang. Hui! ſprangen die Beiden vom Winkel herbei, Und bohrten ihn nieder mit dumpfem Geſchrei: „Da! haſt du gefrei’t um den Thron von Burgund, Da haſt du die Mitgift! da haſt du ſie, Hund!„ — „O Jeſu Maria! Erbarme dich mein!„ — Drauf huͤlte ſein brechendes Auge ſich ein. Ohne Beicht’, ohne Nachtmal, ohn’ Abſolution, Flog ſeine verzagende Seele davon. Der Prinz von Hiſpania, ſchaͤumend vor Wut, Zerhieb ihm den Buſen mit knirſchendem Mut: „Weis her mir dein Herzchen! Ach! pocht ja ſo ſehr! — Haſt lieb gehabt, Herzchen? Hab’s Morgen Nacht mehr!„ Und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/buerger_gedichte_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/buerger_gedichte_1778/293
Zitationshilfe: Bürger, Gottfried August: Gedichte. Göttingen, 1778, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buerger_gedichte_1778/293>, abgerufen am 22.11.2024.