was vielleicht geschieht, keinen Theil nehmen werde, so ge- schieht es weder aus Mißbilligung, noch aus Furcht, sondern nur weil ich im gegenwärtigem Zeitpunkte jede revolutionäre Bewegung als eine vergebliche Unternehmung betrachte". Diese Motivirung der Nichtbetheiligung involvirt doch wohl das Zugeständniß der Mitwisserschaft! Auch die Erkundi- gung nach den Freunden spricht nicht dagegen, er will wissen, ob sie sich wirklich betheiligt, ob sie aufgegriffen worden u. s. w. ... Hingegen stimme ich mit Dr. Ludwig Büchner dahin überein, daß Georg in jener verhängnißvollen April- nacht nicht in Frankfurt war. Selbst das hessische Gericht hatte für seine Ansicht keinen triftigeren Beweis, als den sonderbaren Schluß: wer 1835 ein Hochverräther gewesen, werde es auch schon 1833 gewesen sein. Niemand hat Büchner in Frankfurt selbst gesehen oder gesprochen -- die Behauptung basirt nur auf vagen Gerüchten, deren Hin- fälligkeit sich schon durch einen äußeren Umstand beweisen läßt: durch Datum und Poststempel jenes Briefes. Büchner hat ihn am zweiten Tag nach dem Attentat, in Straßburg aufgegeben. Das wäre denn doch, falls er wirklich in Frank- furt mitgethan hätte, bei den Verkehrsverhältnissen jener Zeit eine märchenhaft rasche Flucht gewesen! Eben so schlagend sprechen innere Gründe dagegen, die politischen Ueberzeugungen Büchners, wie wir sie oben dargelegt. Auch der Brief bestätigt sie. Wohl meint er: "Wenn in unserer Zeit etwas helfen soll, so ist es Gewalt. Unsere Land- stände sind ein Satyre auf die gesunde Vernunft" -- wohl bezeichnet er das "Gesetz" des absolutistischen Staates als "eine ewige, rohe Gewalt, angethan dem Recht und der gesunden Vernunft", wohl werde er "mit Mund und Hand
was vielleicht geſchieht, keinen Theil nehmen werde, ſo ge- ſchieht es weder aus Mißbilligung, noch aus Furcht, ſondern nur weil ich im gegenwärtigem Zeitpunkte jede revolutionäre Bewegung als eine vergebliche Unternehmung betrachte". Dieſe Motivirung der Nichtbetheiligung involvirt doch wohl das Zugeſtändniß der Mitwiſſerſchaft! Auch die Erkundi- gung nach den Freunden ſpricht nicht dagegen, er will wiſſen, ob ſie ſich wirklich betheiligt, ob ſie aufgegriffen worden u. ſ. w. ... Hingegen ſtimme ich mit Dr. Ludwig Büchner dahin überein, daß Georg in jener verhängnißvollen April- nacht nicht in Frankfurt war. Selbſt das heſſiſche Gericht hatte für ſeine Anſicht keinen triftigeren Beweis, als den ſonderbaren Schluß: wer 1835 ein Hochverräther geweſen, werde es auch ſchon 1833 geweſen ſein. Niemand hat Büchner in Frankfurt ſelbſt geſehen oder geſprochen — die Behauptung baſirt nur auf vagen Gerüchten, deren Hin- fälligkeit ſich ſchon durch einen äußeren Umſtand beweiſen läßt: durch Datum und Poſtſtempel jenes Briefes. Büchner hat ihn am zweiten Tag nach dem Attentat, in Straßburg aufgegeben. Das wäre denn doch, falls er wirklich in Frank- furt mitgethan hätte, bei den Verkehrsverhältniſſen jener Zeit eine märchenhaft raſche Flucht geweſen! Eben ſo ſchlagend ſprechen innere Gründe dagegen, die politiſchen Ueberzeugungen Büchners, wie wir ſie oben dargelegt. Auch der Brief beſtätigt ſie. Wohl meint er: "Wenn in unſerer Zeit etwas helfen ſoll, ſo iſt es Gewalt. Unſere Land- ſtände ſind ein Satyre auf die geſunde Vernunft" — wohl bezeichnet er das "Geſetz" des abſolutiſtiſchen Staates als "eine ewige, rohe Gewalt, angethan dem Recht und der geſunden Vernunft", wohl werde er "mit Mund und Hand
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0072"n="LVI"/>
was vielleicht geſchieht, keinen Theil nehmen werde, ſo ge-<lb/>ſchieht es weder aus Mißbilligung, noch aus Furcht, ſondern<lb/>
nur weil ich im gegenwärtigem Zeitpunkte jede revolutionäre<lb/>
Bewegung als eine vergebliche Unternehmung betrachte".<lb/><hirendition="#g">Dieſe</hi> Motivirung der Nichtbetheiligung involvirt doch wohl<lb/>
das Zugeſtändniß der Mitwiſſerſchaft! Auch die Erkundi-<lb/>
gung nach den Freunden ſpricht nicht dagegen, er will wiſſen,<lb/>
ob ſie ſich wirklich betheiligt, ob ſie aufgegriffen worden u.<lb/>ſ. w. ... Hingegen ſtimme ich mit <hirendition="#aq">Dr.</hi> Ludwig Büchner<lb/>
dahin überein, daß Georg in jener verhängnißvollen April-<lb/>
nacht nicht in Frankfurt war. Selbſt das heſſiſche Gericht<lb/>
hatte für ſeine Anſicht keinen triftigeren Beweis, als den<lb/>ſonderbaren Schluß: wer 1835 ein Hochverräther geweſen,<lb/>
werde es auch ſchon 1833 geweſen ſein. Niemand hat<lb/>
Büchner in Frankfurt ſelbſt geſehen oder geſprochen — die<lb/>
Behauptung baſirt nur auf vagen Gerüchten, deren Hin-<lb/>
fälligkeit ſich ſchon durch einen äußeren Umſtand beweiſen<lb/>
läßt: durch Datum und Poſtſtempel jenes Briefes. Büchner<lb/>
hat ihn am zweiten Tag nach dem Attentat, in Straßburg<lb/>
aufgegeben. Das wäre denn doch, falls er wirklich in Frank-<lb/>
furt mitgethan hätte, bei den Verkehrsverhältniſſen jener<lb/>
Zeit eine märchenhaft raſche Flucht geweſen! Eben ſo<lb/>ſchlagend ſprechen innere Gründe dagegen, die politiſchen<lb/>
Ueberzeugungen Büchners, wie wir ſie oben dargelegt. Auch<lb/>
der Brief beſtätigt ſie. Wohl meint er: "Wenn in unſerer<lb/>
Zeit etwas helfen ſoll, ſo iſt es <hirendition="#g">Gewalt</hi>. Unſere Land-<lb/>ſtände ſind ein Satyre auf die geſunde Vernunft" — wohl<lb/>
bezeichnet er das "Geſetz" des abſolutiſtiſchen Staates als<lb/>
"eine ewige, rohe Gewalt, angethan dem Recht und der<lb/>
geſunden Vernunft", wohl werde er "mit Mund und Hand<lb/></p></div></body></text></TEI>
[LVI/0072]
was vielleicht geſchieht, keinen Theil nehmen werde, ſo ge-
ſchieht es weder aus Mißbilligung, noch aus Furcht, ſondern
nur weil ich im gegenwärtigem Zeitpunkte jede revolutionäre
Bewegung als eine vergebliche Unternehmung betrachte".
Dieſe Motivirung der Nichtbetheiligung involvirt doch wohl
das Zugeſtändniß der Mitwiſſerſchaft! Auch die Erkundi-
gung nach den Freunden ſpricht nicht dagegen, er will wiſſen,
ob ſie ſich wirklich betheiligt, ob ſie aufgegriffen worden u.
ſ. w. ... Hingegen ſtimme ich mit Dr. Ludwig Büchner
dahin überein, daß Georg in jener verhängnißvollen April-
nacht nicht in Frankfurt war. Selbſt das heſſiſche Gericht
hatte für ſeine Anſicht keinen triftigeren Beweis, als den
ſonderbaren Schluß: wer 1835 ein Hochverräther geweſen,
werde es auch ſchon 1833 geweſen ſein. Niemand hat
Büchner in Frankfurt ſelbſt geſehen oder geſprochen — die
Behauptung baſirt nur auf vagen Gerüchten, deren Hin-
fälligkeit ſich ſchon durch einen äußeren Umſtand beweiſen
läßt: durch Datum und Poſtſtempel jenes Briefes. Büchner
hat ihn am zweiten Tag nach dem Attentat, in Straßburg
aufgegeben. Das wäre denn doch, falls er wirklich in Frank-
furt mitgethan hätte, bei den Verkehrsverhältniſſen jener
Zeit eine märchenhaft raſche Flucht geweſen! Eben ſo
ſchlagend ſprechen innere Gründe dagegen, die politiſchen
Ueberzeugungen Büchners, wie wir ſie oben dargelegt. Auch
der Brief beſtätigt ſie. Wohl meint er: "Wenn in unſerer
Zeit etwas helfen ſoll, ſo iſt es Gewalt. Unſere Land-
ſtände ſind ein Satyre auf die geſunde Vernunft" — wohl
bezeichnet er das "Geſetz" des abſolutiſtiſchen Staates als
"eine ewige, rohe Gewalt, angethan dem Recht und der
geſunden Vernunft", wohl werde er "mit Mund und Hand
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. LVI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/72>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.