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Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879.

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im Innern währt fort, der Kampf der Republikaner gegen
Perier. Wie leidenschaftlich Büchner davon bewegt wird,
beweist die unverzeihliche Brutalität seiner Mittheilung, "daß
Perier die Cholera hatte, die Cholera aber leider nicht ihn".
Eben derselbe Brief jedoch, in welchem sich der republikanische
Fanatismus bis zur Rohheit versteigt, enthält auch einen
scharfen Hieb auf die "republikanischen Zierbengel", die mit
rothen Hüten herumlaufen. Nichts kann Büchner's An-
sichten in jenen Tagen schärfer charakterisiren, als die vier
Zeilen jenes dritten Briefes aus Straßburg (S. 326). Be-
kanntlich erlag der geniale Casimir Perier, am 16. Mai
1832, dennoch derselben Seuche, der populäre Marschall
Soult trat an seine Stelle und wußte durch imponirendes
Auftreten nach Außen die inneren Stürme zu sänftigen, aber
auch da bleibt Büchner bei seinem Lieblingswort: ... "doch
nur eine Comödie! Der König und die Kammern regieren,
und das Volk bezahlt!" Von hohem biographischem Werthe
ist der Brief vom 5. April 1833 (S. 328), welcher sich
mit dem Frankfurter Attentat vom 3. April beschäftigt. Wir
werden später auf diesen in der Idee hochherzigen, in der
Ausführung knabenhaften Aufruhr zurückkommen, weil er
für die politischen Verhältnisse, die Büchner bei seiner Heim-
kehr vorfand, von Wichtigkeit war. Hier aber haben wir
uns an der Hand dieses Briefes über die Richtigkeit zweier
entgegengesetzten Behauptungen auszusprechen, welche bisher
über Büchners Beziehung zu den Frankfurter Ereignissen
aufgestellt worden.

Er habe, meinen die Einen, um den Aufruhr gewußt,
sei in alle Vorbereitungen eingeweiht gewesen, habe in Frank-
furt selbst thätigen Antheil genommen und sei nur zufällig

im Innern währt fort, der Kampf der Republikaner gegen
Périer. Wie leidenſchaftlich Büchner davon bewegt wird,
beweiſt die unverzeihliche Brutalität ſeiner Mittheilung, "daß
Périer die Cholera hatte, die Cholera aber leider nicht ihn".
Eben derſelbe Brief jedoch, in welchem ſich der republikaniſche
Fanatismus bis zur Rohheit verſteigt, enthält auch einen
ſcharfen Hieb auf die "republikaniſchen Zierbengel", die mit
rothen Hüten herumlaufen. Nichts kann Büchner's An-
ſichten in jenen Tagen ſchärfer charakteriſiren, als die vier
Zeilen jenes dritten Briefes aus Straßburg (S. 326). Be-
kanntlich erlag der geniale Caſimir Périer, am 16. Mai
1832, dennoch derſelben Seuche, der populäre Marſchall
Soult trat an ſeine Stelle und wußte durch imponirendes
Auftreten nach Außen die inneren Stürme zu ſänftigen, aber
auch da bleibt Büchner bei ſeinem Lieblingswort: ... "doch
nur eine Comödie! Der König und die Kammern regieren,
und das Volk bezahlt!" Von hohem biographiſchem Werthe
iſt der Brief vom 5. April 1833 (S. 328), welcher ſich
mit dem Frankfurter Attentat vom 3. April beſchäftigt. Wir
werden ſpäter auf dieſen in der Idee hochherzigen, in der
Ausführung knabenhaften Aufruhr zurückkommen, weil er
für die politiſchen Verhältniſſe, die Büchner bei ſeiner Heim-
kehr vorfand, von Wichtigkeit war. Hier aber haben wir
uns an der Hand dieſes Briefes über die Richtigkeit zweier
entgegengeſetzten Behauptungen auszuſprechen, welche bisher
über Büchners Beziehung zu den Frankfurter Ereigniſſen
aufgeſtellt worden.

Er habe, meinen die Einen, um den Aufruhr gewußt,
ſei in alle Vorbereitungen eingeweiht geweſen, habe in Frank-
furt ſelbſt thätigen Antheil genommen und ſei nur zufällig

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[LIV/0070] im Innern währt fort, der Kampf der Republikaner gegen Périer. Wie leidenſchaftlich Büchner davon bewegt wird, beweiſt die unverzeihliche Brutalität ſeiner Mittheilung, "daß Périer die Cholera hatte, die Cholera aber leider nicht ihn". Eben derſelbe Brief jedoch, in welchem ſich der republikaniſche Fanatismus bis zur Rohheit verſteigt, enthält auch einen ſcharfen Hieb auf die "republikaniſchen Zierbengel", die mit rothen Hüten herumlaufen. Nichts kann Büchner's An- ſichten in jenen Tagen ſchärfer charakteriſiren, als die vier Zeilen jenes dritten Briefes aus Straßburg (S. 326). Be- kanntlich erlag der geniale Caſimir Périer, am 16. Mai 1832, dennoch derſelben Seuche, der populäre Marſchall Soult trat an ſeine Stelle und wußte durch imponirendes Auftreten nach Außen die inneren Stürme zu ſänftigen, aber auch da bleibt Büchner bei ſeinem Lieblingswort: ... "doch nur eine Comödie! Der König und die Kammern regieren, und das Volk bezahlt!" Von hohem biographiſchem Werthe iſt der Brief vom 5. April 1833 (S. 328), welcher ſich mit dem Frankfurter Attentat vom 3. April beſchäftigt. Wir werden ſpäter auf dieſen in der Idee hochherzigen, in der Ausführung knabenhaften Aufruhr zurückkommen, weil er für die politiſchen Verhältniſſe, die Büchner bei ſeiner Heim- kehr vorfand, von Wichtigkeit war. Hier aber haben wir uns an der Hand dieſes Briefes über die Richtigkeit zweier entgegengeſetzten Behauptungen auszuſprechen, welche bisher über Büchners Beziehung zu den Frankfurter Ereigniſſen aufgeſtellt worden. Er habe, meinen die Einen, um den Aufruhr gewußt, ſei in alle Vorbereitungen eingeweiht geweſen, habe in Frank- furt ſelbſt thätigen Antheil genommen und ſei nur zufällig

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Zitationshilfe: Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. LIV. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/70>, abgerufen am 27.11.2024.