Das Herz pocht wilder an die schwachen Rippen, Das Zauberwort schwebt auf den blassen Lippen -- Noch ein Geheimnis möcht' er uns entdecken, Den letzten, größten Traum in's Dasein wecken. -- O Herr des Himmels, sei ihm jetzt nicht taub! Noch eine Stunde gönn' ihm, o Geschick, Verlösche uns nicht des Propheten Blick! Umsonst -- es bricht die müde Brust in Staub, Und mit ihr wieder eine Freiheitsstütze; Auf's stille Herz fällt die gelähmte Hand, Daß sie im Tod noch vor der Welt es schütze! Und die so reich vor seinem Geiste stand, Er darf die Zukunft nicht zur Blüthe treiben, Und seine Träume müssen Träume bleiben; Ein unvollendet Lied sinkt er in's Grab, Der Verse schönsten nimmt er mit hinab.
Du flammst nun wieder nach durchbrochner Schranke In Gottes Haupt ein leuchtender Gedanke; Am kalten Herde sitzen wir allein, Und weinen in die Asche still hinein. O, mein Jahrhundert, sammle sie geschwind! -- Er war ein Held, und mehr: Er war dein Kind! An deiner Brust hast du ihn aufgesäugt, Dein Banner einzig hat er ja geschwenkt! Vor dir allein hat er sein Knie gebeugt, Vor dir, vor dir allein sein Schwert gesenkt; Für dich und mit dir hat er kühn gestritten, Für dich und mit dir hat er treu gelitten; Um deinetwillen stieß sein Vaterland Ihn aus, gleich wie der Mutterborn die Welle, Daß sie am fremden, freudenlosen Strand Mit allen Himmeln in der Brust zerschelle. An fremdem, freudenlosem Strande, ja! Denn wessen Herz stand hier dem seinen nah,
Das Herz pocht wilder an die ſchwachen Rippen, Das Zauberwort ſchwebt auf den blaſſen Lippen — Noch ein Geheimnis möcht' er uns entdecken, Den letzten, größten Traum in's Daſein wecken. — O Herr des Himmels, ſei ihm jetzt nicht taub! Noch eine Stunde gönn' ihm, o Geſchick, Verlöſche uns nicht des Propheten Blick! Umſonſt — es bricht die müde Bruſt in Staub, Und mit ihr wieder eine Freiheitsſtütze; Auf's ſtille Herz fällt die gelähmte Hand, Daß ſie im Tod noch vor der Welt es ſchütze! Und die ſo reich vor ſeinem Geiſte ſtand, Er darf die Zukunft nicht zur Blüthe treiben, Und ſeine Träume müſſen Träume bleiben; Ein unvollendet Lied ſinkt er in's Grab, Der Verſe ſchönſten nimmt er mit hinab.
Du flammſt nun wieder nach durchbrochner Schranke In Gottes Haupt ein leuchtender Gedanke; Am kalten Herde ſitzen wir allein, Und weinen in die Aſche ſtill hinein. O, mein Jahrhundert, ſammle ſie geſchwind! — Er war ein Held, und mehr: Er war dein Kind! An deiner Bruſt haſt du ihn aufgeſäugt, Dein Banner einzig hat er ja geſchwenkt! Vor dir allein hat er ſein Knie gebeugt, Vor dir, vor dir allein ſein Schwert geſenkt; Für dich und mit dir hat er kühn geſtritten, Für dich und mit dir hat er treu gelitten; Um deinetwillen ſtieß ſein Vaterland Ihn aus, gleich wie der Mutterborn die Welle, Daß ſie am fremden, freudenloſen Strand Mit allen Himmeln in der Bruſt zerſchelle. An fremdem, freudenloſem Strande, ja! Denn weſſen Herz ſtand hier dem ſeinen nah,
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Das Herz pocht wilder an die ſchwachen Rippen,
Das Zauberwort ſchwebt auf den blaſſen Lippen —
Noch ein Geheimnis möcht' er uns entdecken,
Den letzten, größten Traum in's Daſein wecken. —
O Herr des Himmels, ſei ihm jetzt nicht taub!
Noch eine Stunde gönn' ihm, o Geſchick,
Verlöſche uns nicht des Propheten Blick!
Umſonſt — es bricht die müde Bruſt in Staub,
Und mit ihr wieder eine Freiheitsſtütze;
Auf's ſtille Herz fällt die gelähmte Hand,
Daß ſie im Tod noch vor der Welt es ſchütze!
Und die ſo reich vor ſeinem Geiſte ſtand,
Er darf die Zukunft nicht zur Blüthe treiben,
Und ſeine Träume müſſen Träume bleiben;
Ein unvollendet Lied ſinkt er in's Grab,
Der Verſe ſchönſten nimmt er mit hinab.
Du flammſt nun wieder nach durchbrochner Schranke
In Gottes Haupt ein leuchtender Gedanke;
Am kalten Herde ſitzen wir allein,
Und weinen in die Aſche ſtill hinein.
O, mein Jahrhundert, ſammle ſie geſchwind! —
Er war ein Held, und mehr: Er war dein Kind!
An deiner Bruſt haſt du ihn aufgeſäugt,
Dein Banner einzig hat er ja geſchwenkt!
Vor dir allein hat er ſein Knie gebeugt,
Vor dir, vor dir allein ſein Schwert geſenkt;
Für dich und mit dir hat er kühn geſtritten,
Für dich und mit dir hat er treu gelitten;
Um deinetwillen ſtieß ſein Vaterland
Ihn aus, gleich wie der Mutterborn die Welle,
Daß ſie am fremden, freudenloſen Strand
Mit allen Himmeln in der Bruſt zerſchelle.
An fremdem, freudenloſem Strande, ja!
Denn weſſen Herz ſtand hier dem ſeinen nah,
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Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. 439. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/635>, abgerufen am 25.11.2024.
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