gelungen, selbst Cäsar zu besiegen, Rom blieb dennoch Sklavin; aus dem Rumpfe der Hyder wären nur neue Rachen hervorgewachsen. Die Geschichte bestätigt diese Be- hauptung. Die That eines Brutus war nur ein leeres Schattenbild einer untergegangenen Zeit. Was hätte es also Cato genützt, wenn er noch länger die Flamme des Bürger- krieges entzündet, wenn er auch Roms Schicksal noch um einige Jahre aufgehalten hätte? Er sah, Rom und mit ihm die Freiheit waren nicht mehr zu retten. --
Noch leichter läßt sich der andere Einwurf, als hätte Cato sich seinem, wenn auch unterjochten Vaterlande, den- noch erhalten müssen, beseitigen. Es gibt Menschen, die ihrem größeren Charakter gemäß mehr zu allgemeinen großen Diensten für das Vaterland, als zu besondern Hülfsleistungen gegen einzelne Nothleidende verpflichtet sind. Ein solcher war Cato. Sein großer Wirkungskreis war ihm ge- nommen, seinen Grundsätzen gemäß konnte er nicht mehr handeln. Cato war zu groß, als daß er die freie Stirne dem Sklavenjoche des Usurpators hätte beugen, als daß er, um seinen Mitbürgern eine Gnade zu erbetteln, vor einem Cäsar hätte kriechen können. Kleineren Seelen überließ er dies; doch wie wenig durch Nachgeben und Fügsamkeit er- reicht wurde, kann Ciceros Beispiel lehren. Cato schlug einen andern Weg ein, noch den letzten großen Dienst seinem Vaterlande zu erweisen; sein Selbstmord war eine Auf- opferung für dasselbe! Wäre Cato leben geblieben, hätte er sich mit Verleugnung aller seiner Grundsätze dem Usur- pator unterworfen, so hätte dieses Leben die Billigung Cäsars enthalten; hätte er dies nicht gewollt, so hätte er in offenem Kampf auftreten und unnützes Blut vergießen
gelungen, ſelbſt Cäſar zu beſiegen, Rom blieb dennoch Sklavin; aus dem Rumpfe der Hyder wären nur neue Rachen hervorgewachſen. Die Geſchichte beſtätigt dieſe Be- hauptung. Die That eines Brutus war nur ein leeres Schattenbild einer untergegangenen Zeit. Was hätte es alſo Cato genützt, wenn er noch länger die Flamme des Bürger- krieges entzündet, wenn er auch Roms Schickſal noch um einige Jahre aufgehalten hätte? Er ſah, Rom und mit ihm die Freiheit waren nicht mehr zu retten. —
Noch leichter läßt ſich der andere Einwurf, als hätte Cato ſich ſeinem, wenn auch unterjochten Vaterlande, den- noch erhalten müſſen, beſeitigen. Es gibt Menſchen, die ihrem größeren Charakter gemäß mehr zu allgemeinen großen Dienſten für das Vaterland, als zu beſondern Hülfsleiſtungen gegen einzelne Nothleidende verpflichtet ſind. Ein ſolcher war Cato. Sein großer Wirkungskreis war ihm ge- nommen, ſeinen Grundſätzen gemäß konnte er nicht mehr handeln. Cato war zu groß, als daß er die freie Stirne dem Sklavenjoche des Uſurpators hätte beugen, als daß er, um ſeinen Mitbürgern eine Gnade zu erbetteln, vor einem Cäſar hätte kriechen können. Kleineren Seelen überließ er dies; doch wie wenig durch Nachgeben und Fügſamkeit er- reicht wurde, kann Ciceros Beiſpiel lehren. Cato ſchlug einen andern Weg ein, noch den letzten großen Dienſt ſeinem Vaterlande zu erweiſen; ſein Selbſtmord war eine Auf- opferung für daſſelbe! Wäre Cato leben geblieben, hätte er ſich mit Verleugnung aller ſeiner Grundſätze dem Uſur- pator unterworfen, ſo hätte dieſes Leben die Billigung Cäſars enthalten; hätte er dies nicht gewollt, ſo hätte er in offenem Kampf auftreten und unnützes Blut vergießen
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gelungen, ſelbſt Cäſar zu beſiegen, Rom blieb dennoch
Sklavin; aus dem Rumpfe der Hyder wären nur neue
Rachen hervorgewachſen. Die Geſchichte beſtätigt dieſe Be-
hauptung. Die That eines Brutus war nur ein leeres
Schattenbild einer untergegangenen Zeit. Was hätte es alſo
Cato genützt, wenn er noch länger die Flamme des Bürger-
krieges entzündet, wenn er auch Roms Schickſal noch um
einige Jahre aufgehalten hätte? Er ſah, Rom und mit
ihm die Freiheit waren nicht mehr zu retten. —
Noch leichter läßt ſich der andere Einwurf, als hätte
Cato ſich ſeinem, wenn auch unterjochten Vaterlande, den-
noch erhalten müſſen, beſeitigen. Es gibt Menſchen, die
ihrem größeren Charakter gemäß mehr zu allgemeinen großen
Dienſten für das Vaterland, als zu beſondern Hülfsleiſtungen
gegen einzelne Nothleidende verpflichtet ſind. Ein ſolcher
war Cato. Sein großer Wirkungskreis war ihm ge-
nommen, ſeinen Grundſätzen gemäß konnte er nicht mehr
handeln. Cato war zu groß, als daß er die freie Stirne
dem Sklavenjoche des Uſurpators hätte beugen, als daß er,
um ſeinen Mitbürgern eine Gnade zu erbetteln, vor einem
Cäſar hätte kriechen können. Kleineren Seelen überließ er
dies; doch wie wenig durch Nachgeben und Fügſamkeit er-
reicht wurde, kann Ciceros Beiſpiel lehren. Cato ſchlug
einen andern Weg ein, noch den letzten großen Dienſt ſeinem
Vaterlande zu erweiſen; ſein Selbſtmord war eine Auf-
opferung für daſſelbe! Wäre Cato leben geblieben, hätte
er ſich mit Verleugnung aller ſeiner Grundſätze dem Uſur-
pator unterworfen, ſo hätte dieſes Leben die Billigung
Cäſars enthalten; hätte er dies nicht gewollt, ſo hätte er
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Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. 405. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/601>, abgerufen am 22.11.2024.
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