Sie mag aussterben, das ist das einzig Neue, was sie noch erleben kann.
Sie erhalten hierbei ein Bändchen Gedichte von meinem Freunde Stöber. Die Sagen sind schön, aber ich bin kein Verehrer der Manier a la Schwab und Uhland und der Partei, die immer rückwärts ins Mittelalter greift, weil sie in der Gegenwart keinen Platz ausfüllen kann. Doch ist mir das Büchlein lieb; sollten Sie nichts Günstiges darüber zu sagen wissen, so bitte ich Sie, lieber zu schweigen. Ich habe mich ganz hier in das Land hineingelebt; die Vogesen sind ein Gebirg, das ich liebe, wie eine Mutter, ich kenne jede Bergspitze und jedes Thal, und die alten Sagen sind so originell und heimlich, und die beiden Stöber sind alte Freunde, mit denen ich zum ersten Mal das Gebirg durchstrich. Adolph hat unstreitig Talent, auch wird Ihnen sein Name durch den Musenalmanach bekannt sein. August steht ihm nach, doch ist er gewandt in der Sprache.
Die Sache ist nicht ohne Bedeutung für das Elsaß, sie ist einer von den seltenen Versuchen, die noch manche Elsässer machen, um die deutsche Nationalität Frankreich gegenüber zu wahren und wenigstens das geistige Band zwischen ihnen und dem Vaterlande nicht reißen zu lassen. Es wäre traurig, wenn das Münster einmal ganz auf fremdem Boden stände. Die Absicht, welche zum Theil das Büchlein erstehen ließ, würde sehr gefördert werden, wenn das Unternehmen in Deutschland Anerkennung fände, und von der Seite empfehle ich es Ihnen besonders.
Ich werde ganz dumm in dem Studium der Philo- sophie; ich lerne die Armseligkeit des menschlichen Geistes
25 *
Sie mag ausſterben, das iſt das einzig Neue, was ſie noch erleben kann.
Sie erhalten hierbei ein Bändchen Gedichte von meinem Freunde Stöber. Die Sagen ſind ſchön, aber ich bin kein Verehrer der Manier à la Schwab und Uhland und der Partei, die immer rückwärts ins Mittelalter greift, weil ſie in der Gegenwart keinen Platz ausfüllen kann. Doch iſt mir das Büchlein lieb; ſollten Sie nichts Günſtiges darüber zu ſagen wiſſen, ſo bitte ich Sie, lieber zu ſchweigen. Ich habe mich ganz hier in das Land hineingelebt; die Vogeſen ſind ein Gebirg, das ich liebe, wie eine Mutter, ich kenne jede Bergſpitze und jedes Thal, und die alten Sagen ſind ſo originell und heimlich, und die beiden Stöber ſind alte Freunde, mit denen ich zum erſten Mal das Gebirg durchſtrich. Adolph hat unſtreitig Talent, auch wird Ihnen ſein Name durch den Muſenalmanach bekannt ſein. Auguſt ſteht ihm nach, doch iſt er gewandt in der Sprache.
Die Sache iſt nicht ohne Bedeutung für das Elſaß, ſie iſt einer von den ſeltenen Verſuchen, die noch manche Elſäſſer machen, um die deutſche Nationalität Frankreich gegenüber zu wahren und wenigſtens das geiſtige Band zwiſchen ihnen und dem Vaterlande nicht reißen zu laſſen. Es wäre traurig, wenn das Münſter einmal ganz auf fremdem Boden ſtände. Die Abſicht, welche zum Theil das Büchlein erſtehen ließ, würde ſehr gefördert werden, wenn das Unternehmen in Deutſchland Anerkennung fände, und von der Seite empfehle ich es Ihnen beſonders.
Ich werde ganz dumm in dem Studium der Philo- ſophie; ich lerne die Armſeligkeit des menſchlichen Geiſtes
25 *
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0583"n="387"/>
Sie mag ausſterben, das iſt das einzig Neue, was ſie noch<lb/>
erleben kann.</p><lb/><p>Sie erhalten hierbei ein Bändchen Gedichte von<lb/>
meinem Freunde Stöber. Die Sagen ſind ſchön, aber ich<lb/>
bin kein Verehrer der Manier <hirendition="#aq">à la</hi> Schwab und Uhland<lb/>
und der Partei, die immer rückwärts ins Mittelalter greift,<lb/>
weil ſie in der Gegenwart keinen Platz ausfüllen kann.<lb/>
Doch iſt mir das Büchlein lieb; ſollten Sie nichts Günſtiges<lb/>
darüber zu ſagen wiſſen, ſo bitte ich Sie, lieber zu ſchweigen.<lb/>
Ich habe mich ganz hier in das Land hineingelebt; die<lb/>
Vogeſen ſind ein Gebirg, das ich liebe, wie eine Mutter,<lb/>
ich kenne jede Bergſpitze und jedes Thal, und die alten<lb/>
Sagen ſind ſo originell und heimlich, und die beiden<lb/>
Stöber ſind alte Freunde, mit denen ich zum erſten Mal<lb/>
das Gebirg durchſtrich. Adolph hat unſtreitig Talent, auch<lb/>
wird Ihnen ſein Name durch den Muſenalmanach bekannt<lb/>ſein. Auguſt ſteht ihm nach, doch iſt er gewandt in der<lb/>
Sprache.</p><lb/><p>Die Sache iſt nicht ohne Bedeutung für das Elſaß,<lb/>ſie iſt einer von den ſeltenen Verſuchen, die noch manche<lb/>
Elſäſſer machen, um die deutſche Nationalität Frankreich<lb/>
gegenüber zu wahren und wenigſtens das geiſtige Band<lb/>
zwiſchen ihnen und dem Vaterlande nicht reißen zu laſſen.<lb/>
Es wäre traurig, wenn das Münſter einmal ganz auf<lb/>
fremdem Boden ſtände. Die Abſicht, welche zum Theil das<lb/>
Büchlein erſtehen ließ, würde ſehr gefördert werden, wenn<lb/>
das Unternehmen in Deutſchland Anerkennung fände, und<lb/>
von der Seite empfehle ich es Ihnen beſonders.</p><lb/><p>Ich werde ganz dumm in dem Studium der Philo-<lb/>ſophie; ich lerne die Armſeligkeit des menſchlichen Geiſtes<lb/><fwplace="bottom"type="sig">25 *</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[387/0583]
Sie mag ausſterben, das iſt das einzig Neue, was ſie noch
erleben kann.
Sie erhalten hierbei ein Bändchen Gedichte von
meinem Freunde Stöber. Die Sagen ſind ſchön, aber ich
bin kein Verehrer der Manier à la Schwab und Uhland
und der Partei, die immer rückwärts ins Mittelalter greift,
weil ſie in der Gegenwart keinen Platz ausfüllen kann.
Doch iſt mir das Büchlein lieb; ſollten Sie nichts Günſtiges
darüber zu ſagen wiſſen, ſo bitte ich Sie, lieber zu ſchweigen.
Ich habe mich ganz hier in das Land hineingelebt; die
Vogeſen ſind ein Gebirg, das ich liebe, wie eine Mutter,
ich kenne jede Bergſpitze und jedes Thal, und die alten
Sagen ſind ſo originell und heimlich, und die beiden
Stöber ſind alte Freunde, mit denen ich zum erſten Mal
das Gebirg durchſtrich. Adolph hat unſtreitig Talent, auch
wird Ihnen ſein Name durch den Muſenalmanach bekannt
ſein. Auguſt ſteht ihm nach, doch iſt er gewandt in der
Sprache.
Die Sache iſt nicht ohne Bedeutung für das Elſaß,
ſie iſt einer von den ſeltenen Verſuchen, die noch manche
Elſäſſer machen, um die deutſche Nationalität Frankreich
gegenüber zu wahren und wenigſtens das geiſtige Band
zwiſchen ihnen und dem Vaterlande nicht reißen zu laſſen.
Es wäre traurig, wenn das Münſter einmal ganz auf
fremdem Boden ſtände. Die Abſicht, welche zum Theil das
Büchlein erſtehen ließ, würde ſehr gefördert werden, wenn
das Unternehmen in Deutſchland Anerkennung fände, und
von der Seite empfehle ich es Ihnen beſonders.
Ich werde ganz dumm in dem Studium der Philo-
ſophie; ich lerne die Armſeligkeit des menſchlichen Geiſtes
25 *
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. 387. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/583>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.