"Ich habe mich verkältet und im Bett gelegen. Aber jetzt ist's besser. Wenn man so ein wenig unwohl ist, hat man ein so groß Gelüsten nach Faulheit; aber das Mühlrad dreht sich als fort ohne Rast und Ruh. ... Heute und gestern gönne ich mir jedoch ein wenig Ruhe und lese nicht; morgen geht's wieder im alten Trab, du glaubst nicht, wie regelmäßig und ordentlich. Ich gehe fast so richtig, wie eine Schwarzwälder Uhr. Doch ist's gut: auf all das auf- geregte, geistige Leben Ruhe, und dabei die Freude am Schaffen meiner poetischen Produkte. Der arme Shakspeare war Schreiber den Tag über und mußte Nachts dichten, und ich, der ich nicht werth bin, ihm die Schuhriemen zu lösen, hab's weit besser. -- ...... Lernst Du bis Ostern die Volkslieder singen, wenn's Dich nicht angreift? Man hört hier keine Stimme; das Volk singt nicht, und du weißt, wie ich die Frauenzimmer lieb habe, die in einer Soiree oder einem Concerte einige Töne todtschreien oder winseln. Ich komme dem Volk und dem Mittelalter immer näher, jeden Tag wird mir's heller -- und gelt, du singst die Lieder? Ich bekomme halb das Heimweh, wenn ich mir eine Melodie summe. ........ Jeden Abend sitz' ich eine oder zwei Stunden im Casino; Du kennst meine Vorliebe für schöne Säle, Lichter und Menschen um mich." ....
9.
Zürich, 27. Januar 1837.
"Mein lieb Kind, Du bist voll zärtlicher Besorgniß und willst krank werden vor Angst; ich glaube gar, Du
8.
Zürich, 20. Januar 1837.
"Ich habe mich verkältet und im Bett gelegen. Aber jetzt iſt's beſſer. Wenn man ſo ein wenig unwohl iſt, hat man ein ſo groß Gelüſten nach Faulheit; aber das Mühlrad dreht ſich als fort ohne Raſt und Ruh. ... Heute und geſtern gönne ich mir jedoch ein wenig Ruhe und leſe nicht; morgen geht's wieder im alten Trab, du glaubſt nicht, wie regelmäßig und ordentlich. Ich gehe faſt ſo richtig, wie eine Schwarzwälder Uhr. Doch iſt's gut: auf all das auf- geregte, geiſtige Leben Ruhe, und dabei die Freude am Schaffen meiner poetiſchen Produkte. Der arme Shakſpeare war Schreiber den Tag über und mußte Nachts dichten, und ich, der ich nicht werth bin, ihm die Schuhriemen zu löſen, hab's weit beſſer. — ...... Lernſt Du bis Oſtern die Volkslieder ſingen, wenn's Dich nicht angreift? Man hört hier keine Stimme; das Volk ſingt nicht, und du weißt, wie ich die Frauenzimmer lieb habe, die in einer Soiree oder einem Concerte einige Töne todtſchreien oder winſeln. Ich komme dem Volk und dem Mittelalter immer näher, jeden Tag wird mir's heller — und gelt, du ſingſt die Lieder? Ich bekomme halb das Heimweh, wenn ich mir eine Melodie ſumme. ........ Jeden Abend ſitz' ich eine oder zwei Stunden im Caſino; Du kennſt meine Vorliebe für ſchöne Säle, Lichter und Menſchen um mich." ....
9.
Zürich, 27. Januar 1837.
"Mein lieb Kind, Du biſt voll zärtlicher Beſorgniß und willſt krank werden vor Angſt; ich glaube gar, Du
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8.
Zürich, 20. Januar 1837.
"Ich habe mich verkältet und im Bett gelegen. Aber
jetzt iſt's beſſer. Wenn man ſo ein wenig unwohl iſt, hat
man ein ſo groß Gelüſten nach Faulheit; aber das Mühlrad
dreht ſich als fort ohne Raſt und Ruh. ... Heute und
geſtern gönne ich mir jedoch ein wenig Ruhe und leſe nicht;
morgen geht's wieder im alten Trab, du glaubſt nicht, wie
regelmäßig und ordentlich. Ich gehe faſt ſo richtig, wie
eine Schwarzwälder Uhr. Doch iſt's gut: auf all das auf-
geregte, geiſtige Leben Ruhe, und dabei die Freude am
Schaffen meiner poetiſchen Produkte. Der arme Shakſpeare
war Schreiber den Tag über und mußte Nachts dichten, und
ich, der ich nicht werth bin, ihm die Schuhriemen zu löſen,
hab's weit beſſer. — ...... Lernſt Du bis Oſtern die
Volkslieder ſingen, wenn's Dich nicht angreift? Man
hört hier keine Stimme; das Volk ſingt nicht, und du
weißt, wie ich die Frauenzimmer lieb habe, die in einer
Soiree oder einem Concerte einige Töne todtſchreien oder
winſeln. Ich komme dem Volk und dem Mittelalter immer
näher, jeden Tag wird mir's heller — und gelt, du ſingſt
die Lieder? Ich bekomme halb das Heimweh, wenn ich mir
eine Melodie ſumme. ........ Jeden Abend ſitz' ich eine
oder zwei Stunden im Caſino; Du kennſt meine Vorliebe
für ſchöne Säle, Lichter und Menſchen um mich." ....
9.
Zürich, 27. Januar 1837.
"Mein lieb Kind, Du biſt voll zärtlicher Beſorgniß
und willſt krank werden vor Angſt; ich glaube gar, Du
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Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. 379. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/575>, abgerufen am 22.12.2024.
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