Treiben unter den Flüchtlingen hier herrscht; die vielen und guten Examina, die hier gemacht werden, beweisen hinläng- lich das Gegentheil. Uebrigens sind wir Flüchtigen und Verhafteten gerade nicht die Unwissendsten, Einfältigsten oder Liederlichsten! Ich sage nicht zuviel, daß bis jetzt die besten Schüler des Gymnasiums und die fleißigsten und unter- richtetsten Studenten dieß Schicksal getroffen hat, die mit- gerechnet, welche von Examen und Staatsdienst zurückgewiesen sind. Es ist doch im Ganzen ein armseliges, junges Ge- schlecht, was eben in Darmstadt herumläuft und sich ein Aemtchen zu erkriechen sucht!
38.
Straßburg, im Mai 1836.
..... Ich bin fest entschlossen, bis zum nächsten Herbste hier zu bleiben. Die letzten Vorfälle in Zürich geben mir einen Hauptgrund dazu. Ihr wißt vielleicht, daß man unter dem Vorwande, die deutschen Flüchtlinge beabsichtigten einen Einfall in Deutschland, Verhaftungen unter denselben vor- genommen hat. Das Nämliche geschah an anderen Punkten der Schweiz. Selbst hier äußerte die einfältige Geschichte ihre Wirkung, und es war ziemlich ungewiß, ob wir hier bleiben dürften, weil man wissen wollte, daß wir (höchstens noch sieben bis acht an der Zahl) mit bewaffneter Hand über den Rhein gehen sollten! Doch hat sich Alles in Güte gemacht, und wir haben keine weiteren Schwierigkeiten zu besorgen. Unsere hessische Regierung scheint unserer zu- weilen mit Liebe zu gedenken. .....
..... Was an der ganzen Sache eigentlich ist, weiß
Treiben unter den Flüchtlingen hier herrſcht; die vielen und guten Examina, die hier gemacht werden, beweiſen hinläng- lich das Gegentheil. Uebrigens ſind wir Flüchtigen und Verhafteten gerade nicht die Unwiſſendſten, Einfältigſten oder Liederlichſten! Ich ſage nicht zuviel, daß bis jetzt die beſten Schüler des Gymnaſiums und die fleißigſten und unter- richtetſten Studenten dieß Schickſal getroffen hat, die mit- gerechnet, welche von Examen und Staatsdienſt zurückgewieſen ſind. Es iſt doch im Ganzen ein armſeliges, junges Ge- ſchlecht, was eben in Darmſtadt herumläuft und ſich ein Aemtchen zu erkriechen ſucht!
38.
Straßburg, im Mai 1836.
..... Ich bin feſt entſchloſſen, bis zum nächſten Herbſte hier zu bleiben. Die letzten Vorfälle in Zürich geben mir einen Hauptgrund dazu. Ihr wißt vielleicht, daß man unter dem Vorwande, die deutſchen Flüchtlinge beabſichtigten einen Einfall in Deutſchland, Verhaftungen unter denſelben vor- genommen hat. Das Nämliche geſchah an anderen Punkten der Schweiz. Selbſt hier äußerte die einfältige Geſchichte ihre Wirkung, und es war ziemlich ungewiß, ob wir hier bleiben dürften, weil man wiſſen wollte, daß wir (höchſtens noch ſieben bis acht an der Zahl) mit bewaffneter Hand über den Rhein gehen ſollten! Doch hat ſich Alles in Güte gemacht, und wir haben keine weiteren Schwierigkeiten zu beſorgen. Unſere heſſiſche Regierung ſcheint unſerer zu- weilen mit Liebe zu gedenken. .....
..... Was an der ganzen Sache eigentlich iſt, weiß
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Treiben unter den Flüchtlingen hier herrſcht; die vielen und
guten Examina, die hier gemacht werden, beweiſen hinläng-
lich das Gegentheil. Uebrigens ſind wir Flüchtigen und
Verhafteten gerade nicht die Unwiſſendſten, Einfältigſten oder
Liederlichſten! Ich ſage nicht zuviel, daß bis jetzt die beſten
Schüler des Gymnaſiums und die fleißigſten und unter-
richtetſten Studenten dieß Schickſal getroffen hat, die mit-
gerechnet, welche von Examen und Staatsdienſt zurückgewieſen
ſind. Es iſt doch im Ganzen ein armſeliges, junges Ge-
ſchlecht, was eben in Darmſtadt herumläuft und ſich ein
Aemtchen zu erkriechen ſucht!
38.
Straßburg, im Mai 1836.
..... Ich bin feſt entſchloſſen, bis zum nächſten Herbſte
hier zu bleiben. Die letzten Vorfälle in Zürich geben mir
einen Hauptgrund dazu. Ihr wißt vielleicht, daß man unter
dem Vorwande, die deutſchen Flüchtlinge beabſichtigten einen
Einfall in Deutſchland, Verhaftungen unter denſelben vor-
genommen hat. Das Nämliche geſchah an anderen Punkten
der Schweiz. Selbſt hier äußerte die einfältige Geſchichte
ihre Wirkung, und es war ziemlich ungewiß, ob wir hier
bleiben dürften, weil man wiſſen wollte, daß wir (höchſtens
noch ſieben bis acht an der Zahl) mit bewaffneter Hand
über den Rhein gehen ſollten! Doch hat ſich Alles in
Güte gemacht, und wir haben keine weiteren Schwierigkeiten
zu beſorgen. Unſere heſſiſche Regierung ſcheint unſerer zu-
weilen mit Liebe zu gedenken. .....
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Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. 365. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/561>, abgerufen am 21.11.2024.
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