Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879.

Bild:
<< vorherige Seite

sonst Ehrgefühl, ich glaube nicht, daß er seine Schande wird
ertragen können. Seine Familie verleugnet ihn, seinen
älteren Bruder ausgenommen, der eine Hauptrolle in der
Sache gespielt zu haben scheint. Es sind viel Leute dadurch
unglücklich geworden. Mit Minnigerode soll es besser gehen.
Hat denn Gladbach noch kein Urtheil? Das heiße ich
einen doch lebendig begraben. Mich schaudert, wenn ich denke,
was vielleicht mein Schicksal gewesen wäre! ......

34.


..... Ich habe mir hier allerhand interessante Notizen
über einen Freund Goethe's, einen unglücklichen Poeten
Namens Lenz verschafft, der sich gleichzeitig mit Goethe hier
aufhielt und halb verrückt wurde. Ich denke darüber einen
Aufsatz in der deutschen Revue erscheinen zu lassen. Auch
sehe ich mich eben nach Stoff zu einer Abhandlung über
einen philosophischen oder naturhistorischen Gegenstand um.
Jetzt noch eine Zeit lang anhaltendes Studium, und der Weg
ist gebrochen. Es gibt hier Leute, die mir eine glänzende
Zukunft prophezeien. Ich habe nichts dawider. .......

35.


..... Ich weiß bestimmt, daß man mir in Darmstadt
die abenteuerlichsten Dinge nachsagt; man hat mich bereits
dreimal an der Grenze verhaften lassen. Ich finde es natür-
lich; die außerordentliche Anzahl von Verhaftungen und
Steckbriefen muß Aufsehen machen, und da das Publikum

ſonſt Ehrgefühl, ich glaube nicht, daß er ſeine Schande wird
ertragen können. Seine Familie verleugnet ihn, ſeinen
älteren Bruder ausgenommen, der eine Hauptrolle in der
Sache geſpielt zu haben ſcheint. Es ſind viel Leute dadurch
unglücklich geworden. Mit Minnigerode ſoll es beſſer gehen.
Hat denn Gladbach noch kein Urtheil? Das heiße ich
einen doch lebendig begraben. Mich ſchaudert, wenn ich denke,
was vielleicht mein Schickſal geweſen wäre! ......

34.


..... Ich habe mir hier allerhand intereſſante Notizen
über einen Freund Goethe's, einen unglücklichen Poeten
Namens Lenz verſchafft, der ſich gleichzeitig mit Goethe hier
aufhielt und halb verrückt wurde. Ich denke darüber einen
Aufſatz in der deutſchen Revue erſcheinen zu laſſen. Auch
ſehe ich mich eben nach Stoff zu einer Abhandlung über
einen philoſophiſchen oder naturhiſtoriſchen Gegenſtand um.
Jetzt noch eine Zeit lang anhaltendes Studium, und der Weg
iſt gebrochen. Es gibt hier Leute, die mir eine glänzende
Zukunft prophezeien. Ich habe nichts dawider. .......

35.


..... Ich weiß beſtimmt, daß man mir in Darmſtadt
die abenteuerlichſten Dinge nachſagt; man hat mich bereits
dreimal an der Grenze verhaften laſſen. Ich finde es natür-
lich; die außerordentliche Anzahl von Verhaftungen und
Steckbriefen muß Aufſehen machen, und da das Publikum

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0556" n="360"/>
&#x017F;on&#x017F;t Ehrgefühl, ich glaube nicht, daß er &#x017F;eine Schande wird<lb/>
ertragen können. Seine <hi rendition="#g">Familie verleugnet</hi> ihn, &#x017F;einen<lb/>
älteren Bruder ausgenommen, der eine Hauptrolle in der<lb/>
Sache ge&#x017F;pielt zu haben &#x017F;cheint. Es &#x017F;ind viel Leute dadurch<lb/>
unglücklich geworden. Mit Minnigerode &#x017F;oll es be&#x017F;&#x017F;er gehen.<lb/>
Hat denn <hi rendition="#g">Gladbach</hi> noch kein Urtheil? Das heiße ich<lb/>
einen doch lebendig begraben. Mich &#x017F;chaudert, wenn ich denke,<lb/>
was vielleicht mein Schick&#x017F;al gewe&#x017F;en wäre! ......</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#c">34.</hi> </head><lb/>
            <dateline><hi rendition="#g">Straßburg</hi> im October 1835.</dateline><lb/>
            <p>..... Ich habe mir hier allerhand intere&#x017F;&#x017F;ante Notizen<lb/>
über einen Freund Goethe's, einen unglücklichen Poeten<lb/>
Namens <hi rendition="#g">Lenz</hi> ver&#x017F;chafft, der &#x017F;ich gleichzeitig mit Goethe hier<lb/>
aufhielt und halb verrückt wurde. Ich denke darüber einen<lb/>
Auf&#x017F;atz in der deut&#x017F;chen Revue er&#x017F;cheinen zu la&#x017F;&#x017F;en. Auch<lb/>
&#x017F;ehe ich mich eben nach Stoff zu einer Abhandlung über<lb/>
einen philo&#x017F;ophi&#x017F;chen oder naturhi&#x017F;tori&#x017F;chen Gegen&#x017F;tand um.<lb/>
Jetzt noch eine Zeit lang anhaltendes Studium, und der Weg<lb/>
i&#x017F;t gebrochen. Es gibt hier Leute, die mir eine glänzende<lb/>
Zukunft prophezeien. Ich habe nichts dawider. .......</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#c">35.</hi> </head><lb/>
            <dateline><hi rendition="#g">Straßburg</hi>, den 2. November 1835.</dateline><lb/>
            <p>..... Ich weiß be&#x017F;timmt, daß man mir in Darm&#x017F;tadt<lb/>
die abenteuerlich&#x017F;ten Dinge nach&#x017F;agt; man hat mich bereits<lb/>
dreimal an der Grenze verhaften la&#x017F;&#x017F;en. Ich finde es natür-<lb/>
lich; die außerordentliche Anzahl von Verhaftungen und<lb/>
Steckbriefen muß Auf&#x017F;ehen machen, und da das Publikum<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[360/0556] ſonſt Ehrgefühl, ich glaube nicht, daß er ſeine Schande wird ertragen können. Seine Familie verleugnet ihn, ſeinen älteren Bruder ausgenommen, der eine Hauptrolle in der Sache geſpielt zu haben ſcheint. Es ſind viel Leute dadurch unglücklich geworden. Mit Minnigerode ſoll es beſſer gehen. Hat denn Gladbach noch kein Urtheil? Das heiße ich einen doch lebendig begraben. Mich ſchaudert, wenn ich denke, was vielleicht mein Schickſal geweſen wäre! ...... 34. Straßburg im October 1835. ..... Ich habe mir hier allerhand intereſſante Notizen über einen Freund Goethe's, einen unglücklichen Poeten Namens Lenz verſchafft, der ſich gleichzeitig mit Goethe hier aufhielt und halb verrückt wurde. Ich denke darüber einen Aufſatz in der deutſchen Revue erſcheinen zu laſſen. Auch ſehe ich mich eben nach Stoff zu einer Abhandlung über einen philoſophiſchen oder naturhiſtoriſchen Gegenſtand um. Jetzt noch eine Zeit lang anhaltendes Studium, und der Weg iſt gebrochen. Es gibt hier Leute, die mir eine glänzende Zukunft prophezeien. Ich habe nichts dawider. ....... 35. Straßburg, den 2. November 1835. ..... Ich weiß beſtimmt, daß man mir in Darmſtadt die abenteuerlichſten Dinge nachſagt; man hat mich bereits dreimal an der Grenze verhaften laſſen. Ich finde es natür- lich; die außerordentliche Anzahl von Verhaftungen und Steckbriefen muß Aufſehen machen, und da das Publikum

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/556
Zitationshilfe: Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. 360. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/556>, abgerufen am 23.11.2024.