in meinen freien Stunden mit Lectüre ab, und wenn ich dann manchmal die Feder in die Hand nehme und schreibe über das Gelesene etwas nieder, so ist dieß keine so große Mühe und nimmt wenig Zeit weg. ... Der Geburtstag des Königs ging sehr still vorüber, Niemand fragt nach dergleichen, selbst die Republikaner sind ruhig; sie wollen keine Emeuten mehr, aber ihre Grundsätze finden von Tag zu Tag, namentlich bei der jungen Generation, mehr Anhang, und so wird wohl die Regierung nach und nach, ohne gewaltsame Umwälzung von selbst zusammenfallen. ... Sartorius ist verhaftet, sowie auch Becker. Heute habe ich auch die Verhaftung des Herrn Weidig und des Pfarrers Flick zu Petterweil erfahren. .....
26.
Straßburg, Mittwoch nach Pfingsten 1835.
..... Was ihr mir von dem in Darmstadt ver- breiteten Gerüchte hinsichtlich einer in Straßburg bestehenden Verbindung sagt, beunruhigt mich sehr. Es sind höchstens acht bis neun deutsche Flüchtlinge hier, ich komme fast in keine Berührung mit ihnen, und an eine politische Verbindung ist nicht zu denken. Sie sehen so gut wie ich ein, daß unter den jetzigen Umständen dergleichen im Ganzen unnütz und dem, der daran Theil nimmt, höchst verderblich ist. Sie haben nur einen Zweck, nämlich durch Arbeiten, Fleiß und gute Sitten das sehr gesunkene Ansehn der deutschen Flücht- linge wieder zu heben, und ich finde das sehr lobenswerth. Straßburg schien übrigens unserer Regierung höchst verdächtig und sehr gefährlich, es wundern mich daher die umgehenden Gerüchte nicht im Geringsten, nur macht es mich besorgt,
in meinen freien Stunden mit Lectüre ab, und wenn ich dann manchmal die Feder in die Hand nehme und ſchreibe über das Geleſene etwas nieder, ſo iſt dieß keine ſo große Mühe und nimmt wenig Zeit weg. ... Der Geburtstag des Königs ging ſehr ſtill vorüber, Niemand fragt nach dergleichen, ſelbſt die Republikaner ſind ruhig; ſie wollen keine Emeuten mehr, aber ihre Grundſätze finden von Tag zu Tag, namentlich bei der jungen Generation, mehr Anhang, und ſo wird wohl die Regierung nach und nach, ohne gewaltſame Umwälzung von ſelbſt zuſammenfallen. ... Sartorius iſt verhaftet, ſowie auch Becker. Heute habe ich auch die Verhaftung des Herrn Weidig und des Pfarrers Flick zu Petterweil erfahren. .....
26.
Straßburg, Mittwoch nach Pfingſten 1835.
..... Was ihr mir von dem in Darmſtadt ver- breiteten Gerüchte hinſichtlich einer in Straßburg beſtehenden Verbindung ſagt, beunruhigt mich ſehr. Es ſind höchſtens acht bis neun deutſche Flüchtlinge hier, ich komme faſt in keine Berührung mit ihnen, und an eine politiſche Verbindung iſt nicht zu denken. Sie ſehen ſo gut wie ich ein, daß unter den jetzigen Umſtänden dergleichen im Ganzen unnütz und dem, der daran Theil nimmt, höchſt verderblich iſt. Sie haben nur einen Zweck, nämlich durch Arbeiten, Fleiß und gute Sitten das ſehr geſunkene Anſehn der deutſchen Flücht- linge wieder zu heben, und ich finde das ſehr lobenswerth. Straßburg ſchien übrigens unſerer Regierung höchſt verdächtig und ſehr gefährlich, es wundern mich daher die umgehenden Gerüchte nicht im Geringſten, nur macht es mich beſorgt,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0544"n="348"/>
in meinen freien Stunden mit Lectüre ab, und wenn ich<lb/>
dann manchmal die Feder in die Hand nehme und ſchreibe<lb/>
über das Geleſene etwas nieder, ſo iſt dieß keine ſo große<lb/>
Mühe und nimmt wenig Zeit weg. ... Der Geburtstag<lb/>
des Königs ging ſehr ſtill vorüber, Niemand fragt nach<lb/>
dergleichen, ſelbſt die Republikaner ſind ruhig; ſie wollen<lb/>
keine Emeuten mehr, aber ihre Grundſätze finden von Tag<lb/>
zu Tag, namentlich bei der jungen Generation, mehr Anhang,<lb/>
und ſo wird wohl die Regierung nach und nach, ohne<lb/>
gewaltſame Umwälzung von ſelbſt zuſammenfallen. ...<lb/><hirendition="#g">Sartorius</hi> iſt verhaftet, ſowie auch <hirendition="#g">Becker</hi>. Heute habe<lb/>
ich auch die Verhaftung des Herrn <hirendition="#g">Weidig</hi> und des Pfarrers<lb/><hirendition="#g">Flick</hi> zu Petterweil erfahren. .....</p></div><lb/><divn="3"><head><hirendition="#c">26.</hi></head><lb/><dateline><hirendition="#g">Straßburg</hi>, Mittwoch nach Pfingſten 1835.</dateline><lb/><p>..... Was ihr mir von dem in Darmſtadt ver-<lb/>
breiteten Gerüchte hinſichtlich einer in Straßburg beſtehenden<lb/>
Verbindung ſagt, beunruhigt mich ſehr. Es ſind höchſtens<lb/>
acht bis neun deutſche Flüchtlinge hier, ich komme faſt in<lb/>
keine Berührung mit ihnen, und an eine politiſche Verbindung<lb/>
iſt nicht zu denken. Sie ſehen ſo gut wie ich ein, daß unter<lb/>
den jetzigen Umſtänden dergleichen im Ganzen unnütz und<lb/>
dem, der daran Theil nimmt, höchſt verderblich iſt. Sie<lb/>
haben nur einen Zweck, nämlich durch Arbeiten, Fleiß und<lb/>
gute Sitten das ſehr geſunkene Anſehn der deutſchen Flücht-<lb/>
linge wieder zu heben, und ich finde das ſehr lobenswerth.<lb/>
Straßburg ſchien übrigens unſerer Regierung höchſt verdächtig<lb/>
und ſehr gefährlich, es wundern mich daher die umgehenden<lb/>
Gerüchte nicht im Geringſten, nur macht es mich beſorgt,<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[348/0544]
in meinen freien Stunden mit Lectüre ab, und wenn ich
dann manchmal die Feder in die Hand nehme und ſchreibe
über das Geleſene etwas nieder, ſo iſt dieß keine ſo große
Mühe und nimmt wenig Zeit weg. ... Der Geburtstag
des Königs ging ſehr ſtill vorüber, Niemand fragt nach
dergleichen, ſelbſt die Republikaner ſind ruhig; ſie wollen
keine Emeuten mehr, aber ihre Grundſätze finden von Tag
zu Tag, namentlich bei der jungen Generation, mehr Anhang,
und ſo wird wohl die Regierung nach und nach, ohne
gewaltſame Umwälzung von ſelbſt zuſammenfallen. ...
Sartorius iſt verhaftet, ſowie auch Becker. Heute habe
ich auch die Verhaftung des Herrn Weidig und des Pfarrers
Flick zu Petterweil erfahren. .....
26.
Straßburg, Mittwoch nach Pfingſten 1835.
..... Was ihr mir von dem in Darmſtadt ver-
breiteten Gerüchte hinſichtlich einer in Straßburg beſtehenden
Verbindung ſagt, beunruhigt mich ſehr. Es ſind höchſtens
acht bis neun deutſche Flüchtlinge hier, ich komme faſt in
keine Berührung mit ihnen, und an eine politiſche Verbindung
iſt nicht zu denken. Sie ſehen ſo gut wie ich ein, daß unter
den jetzigen Umſtänden dergleichen im Ganzen unnütz und
dem, der daran Theil nimmt, höchſt verderblich iſt. Sie
haben nur einen Zweck, nämlich durch Arbeiten, Fleiß und
gute Sitten das ſehr geſunkene Anſehn der deutſchen Flücht-
linge wieder zu heben, und ich finde das ſehr lobenswerth.
Straßburg ſchien übrigens unſerer Regierung höchſt verdächtig
und ſehr gefährlich, es wundern mich daher die umgehenden
Gerüchte nicht im Geringſten, nur macht es mich beſorgt,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/544>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.