Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879.

Bild:
<< vorherige Seite

aussehe, um für keinen Demagogen gehalten zu werden. Eine
solche Gewaltthat stillschweigend ertragen, hieße die Regierung
zur Mitschuldigen machen; hieße aussprechen, daß es keine
gesetzliche Garantie mehr gäbe; hieße erklären, daß das ver-
letzte Recht keine Genugthuung mehr erhalte. Ich will
unserer Regierung diese grobe Beleidigung nicht anthun.

Wir wissen nichts von Minnigerode; das Gerücht mit
Offenbach * ist jedenfalls reine Erfindung; daß ich auch schon
da gewesen, kann mich nicht mehr compromittiren, als jeden
anderen Reisenden. ... -- Sollte man, sowie man ohne
die gesetzlich nothwendige Ursache meine Papiere durchsuchte,
mich auch ohne dieselbe festnehmen, in Gottes Namen! ich
kann so wenig darüber hinaus, und es ist dies so wenig
meine Schuld, als wenn eine Heerde Banditen mich anhielte,
plünderte oder mordete. Es ist Gewalt, der man sich
fügen muß, wenn man nicht stark genug ist, ihr zu wider-
stehen; aus der Schwäche kann Einem kein Vorwurf gemacht
werden. ......

21.


Es sind jetzt fast drei Wochen seit der Haussuchung
verflossen, und man hat mir in Bezug darauf noch nicht die
mindeste Eröffnung gemacht. Die Vernehmung bei dem

* Das Gerücht, daß dort eine geheime Presse entdeckt worden.
Der Leser weiß, daß das Gerücht sehr begründet war, und daß
Büchner in erster Linie wußte, es sei durchaus keine "Erfindung".
Ueber die Absicht, welche Büchner durch diese und ähnliche Un-
richtigkeiten den besorgten Eltern gegenüber verfolgte, gibt die Ein-
leitung Aufschluß. F.

ausſehe, um für keinen Demagogen gehalten zu werden. Eine
ſolche Gewaltthat ſtillſchweigend ertragen, hieße die Regierung
zur Mitſchuldigen machen; hieße ausſprechen, daß es keine
geſetzliche Garantie mehr gäbe; hieße erklären, daß das ver-
letzte Recht keine Genugthuung mehr erhalte. Ich will
unſerer Regierung dieſe grobe Beleidigung nicht anthun.

Wir wiſſen nichts von Minnigerode; das Gerücht mit
Offenbach * iſt jedenfalls reine Erfindung; daß ich auch ſchon
da geweſen, kann mich nicht mehr compromittiren, als jeden
anderen Reiſenden. ... — Sollte man, ſowie man ohne
die geſetzlich nothwendige Urſache meine Papiere durchſuchte,
mich auch ohne dieſelbe feſtnehmen, in Gottes Namen! ich
kann ſo wenig darüber hinaus, und es iſt dies ſo wenig
meine Schuld, als wenn eine Heerde Banditen mich anhielte,
plünderte oder mordete. Es iſt Gewalt, der man ſich
fügen muß, wenn man nicht ſtark genug iſt, ihr zu wider-
ſtehen; aus der Schwäche kann Einem kein Vorwurf gemacht
werden. ......

21.


Es ſind jetzt faſt drei Wochen ſeit der Hausſuchung
verfloſſen, und man hat mir in Bezug darauf noch nicht die
mindeſte Eröffnung gemacht. Die Vernehmung bei dem

* Das Gerücht, daß dort eine geheime Preſſe entdeckt worden.
Der Leſer weiß, daß das Gerücht ſehr begründet war, und daß
Büchner in erſter Linie wußte, es ſei durchaus keine "Erfindung".
Ueber die Abſicht, welche Büchner durch dieſe und ähnliche Un-
richtigkeiten den beſorgten Eltern gegenüber verfolgte, gibt die Ein-
leitung Aufſchluß. F.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0538" n="342"/>
aus&#x017F;ehe, um für keinen Demagogen gehalten zu werden. Eine<lb/>
&#x017F;olche Gewaltthat &#x017F;till&#x017F;chweigend ertragen, hieße die Regierung<lb/>
zur Mit&#x017F;chuldigen machen; hieße aus&#x017F;prechen, daß es keine<lb/>
ge&#x017F;etzliche Garantie mehr gäbe; hieße erklären, daß das ver-<lb/>
letzte Recht keine Genugthuung mehr erhalte. Ich will<lb/>
un&#x017F;erer Regierung die&#x017F;e grobe Beleidigung nicht anthun.</p><lb/>
            <p>Wir wi&#x017F;&#x017F;en nichts von Minnigerode; das Gerücht mit<lb/>
Offenbach <note place="foot" n="*">Das Gerücht, daß dort eine geheime Pre&#x017F;&#x017F;e entdeckt worden.<lb/>
Der Le&#x017F;er weiß, daß das Gerücht &#x017F;ehr begründet war, und daß<lb/>
Büchner in <hi rendition="#g">er&#x017F;ter</hi> Linie wußte, es &#x017F;ei durchaus <hi rendition="#g">keine</hi> "Erfindung".<lb/>
Ueber die Ab&#x017F;icht, welche Büchner durch die&#x017F;e und ähnliche Un-<lb/>
richtigkeiten den be&#x017F;orgten Eltern gegenüber verfolgte, gibt die Ein-<lb/>
leitung Auf&#x017F;chluß. <hi rendition="#et">F.</hi></note> i&#x017F;t jedenfalls reine Erfindung; daß ich auch &#x017F;chon<lb/>
da gewe&#x017F;en, kann mich nicht mehr compromittiren, als jeden<lb/>
anderen Rei&#x017F;enden. ... &#x2014; Sollte man, &#x017F;owie man ohne<lb/>
die ge&#x017F;etzlich nothwendige Ur&#x017F;ache meine Papiere durch&#x017F;uchte,<lb/>
mich auch ohne die&#x017F;elbe fe&#x017F;tnehmen, in Gottes Namen! ich<lb/>
kann &#x017F;o wenig darüber hinaus, und es i&#x017F;t dies &#x017F;o wenig<lb/>
meine Schuld, als wenn eine Heerde Banditen mich anhielte,<lb/>
plünderte oder mordete. Es i&#x017F;t Gewalt, der man &#x017F;ich<lb/>
fügen muß, wenn man nicht &#x017F;tark genug i&#x017F;t, ihr zu wider-<lb/>
&#x017F;tehen; aus der Schwäche kann Einem kein Vorwurf gemacht<lb/>
werden. ......</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#c">21.</hi> </head><lb/>
            <dateline><hi rendition="#g">Gießen</hi>, Ende Augu&#x017F;t 1834.</dateline><lb/>
            <p>Es &#x017F;ind jetzt fa&#x017F;t drei Wochen &#x017F;eit der Haus&#x017F;uchung<lb/>
verflo&#x017F;&#x017F;en, und man hat mir in Bezug darauf noch nicht die<lb/><hi rendition="#g">minde&#x017F;te</hi> Eröffnung gemacht. Die Vernehmung bei dem<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[342/0538] ausſehe, um für keinen Demagogen gehalten zu werden. Eine ſolche Gewaltthat ſtillſchweigend ertragen, hieße die Regierung zur Mitſchuldigen machen; hieße ausſprechen, daß es keine geſetzliche Garantie mehr gäbe; hieße erklären, daß das ver- letzte Recht keine Genugthuung mehr erhalte. Ich will unſerer Regierung dieſe grobe Beleidigung nicht anthun. Wir wiſſen nichts von Minnigerode; das Gerücht mit Offenbach * iſt jedenfalls reine Erfindung; daß ich auch ſchon da geweſen, kann mich nicht mehr compromittiren, als jeden anderen Reiſenden. ... — Sollte man, ſowie man ohne die geſetzlich nothwendige Urſache meine Papiere durchſuchte, mich auch ohne dieſelbe feſtnehmen, in Gottes Namen! ich kann ſo wenig darüber hinaus, und es iſt dies ſo wenig meine Schuld, als wenn eine Heerde Banditen mich anhielte, plünderte oder mordete. Es iſt Gewalt, der man ſich fügen muß, wenn man nicht ſtark genug iſt, ihr zu wider- ſtehen; aus der Schwäche kann Einem kein Vorwurf gemacht werden. ...... 21. Gießen, Ende Auguſt 1834. Es ſind jetzt faſt drei Wochen ſeit der Hausſuchung verfloſſen, und man hat mir in Bezug darauf noch nicht die mindeſte Eröffnung gemacht. Die Vernehmung bei dem * Das Gerücht, daß dort eine geheime Preſſe entdeckt worden. Der Leſer weiß, daß das Gerücht ſehr begründet war, und daß Büchner in erſter Linie wußte, es ſei durchaus keine "Erfindung". Ueber die Abſicht, welche Büchner durch dieſe und ähnliche Un- richtigkeiten den beſorgten Eltern gegenüber verfolgte, gibt die Ein- leitung Aufſchluß. F.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/538
Zitationshilfe: Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/538>, abgerufen am 22.12.2024.