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Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879.

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haben hundert Kühe und bei neunzig Farren und Stiere auf
der Höhe. Bis Sonnenaufgang war der Himmel etwas
dunstig, die Sonne warf einen rothen Schein über die Land-
schaft. Ueber den Schwarzwald und den Jura schien das
Gewölk wie ein schäumender Wasserfall zu stürzen, nur die
Alpen standen hell darüber, wie eine blitzende Milchstraße.
Denkt Euch über der dunklen Kette des Jura und über dem
Gewölk im Süden, soweit der Blick reicht, eine ungeheure,
schimmernde Eiswand, nur noch oben durch die Zacken und
Spitzen der einzelnen Berge unterbrochen. Vom Bölgen
stiegen wir rechts herab in das sogenannte Amarinenthal,
das letzte Hauptthal der Vogesen. Wir gingen thalaufwärts.
Das Thal schließt sich mit einem schönen Wiesengrund im
wilden Gebirg. Ueber die Berge führte uns eine gut er-
haltene Bergstraße nach Lothringen zu den Quellen der Mosel.
Wir folgten eine Zeitlang dem Laufe des Wassers, wandten
uns dann nördlich und kehrten über mehrere interessante
Punkte nach Straßburg zurück.

Hier gieng es seit einigen Tagen etwas unruhig zu.
Ein ministerieller Deputirter, Herr Saglio, kam vor einigen
Tagen aus Paris zurück. Es kümmerte sich Niemand um
ihn. Eine bankerotte Ehrlichkeit ist heutzutage etwas zu
Gemeines, als daß ein Volksvertreter, der seinen Frack wie
einen Schandpfahl auf dem Rücken trägt, noch Jemand in-
teressiren könnte. Die Polizei war aber entgegengesetzter
Meinung und stellte deßhalb eine bedeutende Anzahl Soldaten
auf dem Paradeplatz und vor dem Hause des Herrn Saglio
auf. Dies lockte denn endlich am zweiten oder dritten Tage
die Menge herbei, gestern und vorgestern Abend wurde etwas
vor dem Hause gelärmt. Präfect und Maire hielten es für

haben hundert Kühe und bei neunzig Farren und Stiere auf
der Höhe. Bis Sonnenaufgang war der Himmel etwas
dunſtig, die Sonne warf einen rothen Schein über die Land-
ſchaft. Ueber den Schwarzwald und den Jura ſchien das
Gewölk wie ein ſchäumender Waſſerfall zu ſtürzen, nur die
Alpen ſtanden hell darüber, wie eine blitzende Milchſtraße.
Denkt Euch über der dunklen Kette des Jura und über dem
Gewölk im Süden, ſoweit der Blick reicht, eine ungeheure,
ſchimmernde Eiswand, nur noch oben durch die Zacken und
Spitzen der einzelnen Berge unterbrochen. Vom Bölgen
ſtiegen wir rechts herab in das ſogenannte Amarinenthal,
das letzte Hauptthal der Vogeſen. Wir gingen thalaufwärts.
Das Thal ſchließt ſich mit einem ſchönen Wieſengrund im
wilden Gebirg. Ueber die Berge führte uns eine gut er-
haltene Bergſtraße nach Lothringen zu den Quellen der Moſel.
Wir folgten eine Zeitlang dem Laufe des Waſſers, wandten
uns dann nördlich und kehrten über mehrere intereſſante
Punkte nach Straßburg zurück.

Hier gieng es ſeit einigen Tagen etwas unruhig zu.
Ein miniſterieller Deputirter, Herr Saglio, kam vor einigen
Tagen aus Paris zurück. Es kümmerte ſich Niemand um
ihn. Eine bankerotte Ehrlichkeit iſt heutzutage etwas zu
Gemeines, als daß ein Volksvertreter, der ſeinen Frack wie
einen Schandpfahl auf dem Rücken trägt, noch Jemand in-
tereſſiren könnte. Die Polizei war aber entgegengeſetzter
Meinung und ſtellte deßhalb eine bedeutende Anzahl Soldaten
auf dem Paradeplatz und vor dem Hauſe des Herrn Saglio
auf. Dies lockte denn endlich am zweiten oder dritten Tage
die Menge herbei, geſtern und vorgeſtern Abend wurde etwas
vor dem Hauſe gelärmt. Präfect und Maire hielten es für

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[333/0529] haben hundert Kühe und bei neunzig Farren und Stiere auf der Höhe. Bis Sonnenaufgang war der Himmel etwas dunſtig, die Sonne warf einen rothen Schein über die Land- ſchaft. Ueber den Schwarzwald und den Jura ſchien das Gewölk wie ein ſchäumender Waſſerfall zu ſtürzen, nur die Alpen ſtanden hell darüber, wie eine blitzende Milchſtraße. Denkt Euch über der dunklen Kette des Jura und über dem Gewölk im Süden, ſoweit der Blick reicht, eine ungeheure, ſchimmernde Eiswand, nur noch oben durch die Zacken und Spitzen der einzelnen Berge unterbrochen. Vom Bölgen ſtiegen wir rechts herab in das ſogenannte Amarinenthal, das letzte Hauptthal der Vogeſen. Wir gingen thalaufwärts. Das Thal ſchließt ſich mit einem ſchönen Wieſengrund im wilden Gebirg. Ueber die Berge führte uns eine gut er- haltene Bergſtraße nach Lothringen zu den Quellen der Moſel. Wir folgten eine Zeitlang dem Laufe des Waſſers, wandten uns dann nördlich und kehrten über mehrere intereſſante Punkte nach Straßburg zurück. Hier gieng es ſeit einigen Tagen etwas unruhig zu. Ein miniſterieller Deputirter, Herr Saglio, kam vor einigen Tagen aus Paris zurück. Es kümmerte ſich Niemand um ihn. Eine bankerotte Ehrlichkeit iſt heutzutage etwas zu Gemeines, als daß ein Volksvertreter, der ſeinen Frack wie einen Schandpfahl auf dem Rücken trägt, noch Jemand in- tereſſiren könnte. Die Polizei war aber entgegengeſetzter Meinung und ſtellte deßhalb eine bedeutende Anzahl Soldaten auf dem Paradeplatz und vor dem Hauſe des Herrn Saglio auf. Dies lockte denn endlich am zweiten oder dritten Tage die Menge herbei, geſtern und vorgeſtern Abend wurde etwas vor dem Hauſe gelärmt. Präfect und Maire hielten es für

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Zitationshilfe: Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/529>, abgerufen am 24.11.2024.