bezweifeln, beiden Arbeiten ein eingehendes Studium beider Philo- sophen voraus. Während seiner Vorbereitung für den Cursus über den großen Amsterdamer Philosophen mochte Büchner zu der Ansicht gekommen sein, daß es sich im Interesse der Klarheit und des pragmatischen Zusammenhangs beider Systeme empfehlen werde, mit einem Cursus über Cartesius zu beginnen. Darum arbeitete er dann auch hiefür einen Leitfaden aus.
Die Monographie über Spinoza zerfällt, der eingehaltenen Methode nach, in zwei verschiedene Theile. Der erste, vierzehn Bogen stark, enthält eine vollständige Uebersetzung des ersten Abschnitts der Ethik des Spinoza: "De Deo". Der Uebersetzung beigefügt sind erläuternde oder polemische Anmerkungen. Daß Büchner sich entschloß, den ersten und wichtigsten Theil der Ethik selbst zu über- setzen, hat darin seinen Grund, weil er keine klare und correcte Uebersetzung vorfand. Berthold Auerbachs treffliche Verdeutschung (Stuttgart 1841) war damals noch nicht erschienen. Die Ueber- setzung der Ethik, welche Wolff 1744 hatte erscheinen lassen, war völlig veraltet, die Uebersetzung der sämmtlichen Werke, welche Ewald vierzig Jahre vorher (Gera 1791-1793) herausgegeben, mochte Büchner schon deßhalb ungenügend scheinen, weil ihr ein ungenügend recensirter Text zu Grunde lag, und die relativ jüngste Arbeit endlich, die Uebersetzung von Schmitt (Berlin 1811), war ihm wohl ihrer sprachlichen Unklarheit wegen für seine Zwecke nicht entsprechend. Was nun seine eigene Arbeit betrifft, so ist sie sicherlich relativ ein Fortschritt, wird jedoch von denen seiner Nach- folger, Auerbach und v. Kirchmann (Berlin, 1869), übertroffen. Es erklärt sich dies zum Theil auch daraus, daß Büchner nur die mangelhafte Text-Recension von Paulus (Jena 1802-1803) zur Grundlage hatte. Die jetzt allgemein benützte Edition von Bruder (Leipzig 1843) war ihm natürlich nicht zugänglich.
Ueber das Verhältniß Büchners zu Spinoza und die charakte- ristische Bedeutung seiner Einwürfe habe ich bereits in der Einleitung gesprochen. Als Illustration hiezu mögen die beiden ersten Stellen dienen, die ich aus der Monographie mittheile. Leicht hätte ich eine Reihe ähnlicher Excurse hervorheben können, doch dürfen ja der- artige Bruchstücke nicht auf allgemeines Interesse zählen, und mein
bezweifeln, beiden Arbeiten ein eingehendes Studium beider Philo- ſophen voraus. Während ſeiner Vorbereitung für den Curſus über den großen Amſterdamer Philoſophen mochte Büchner zu der Anſicht gekommen ſein, daß es ſich im Intereſſe der Klarheit und des pragmatiſchen Zuſammenhangs beider Syſteme empfehlen werde, mit einem Curſus über Carteſius zu beginnen. Darum arbeitete er dann auch hiefür einen Leitfaden aus.
Die Monographie über Spinoza zerfällt, der eingehaltenen Methode nach, in zwei verſchiedene Theile. Der erſte, vierzehn Bogen ſtark, enthält eine vollſtändige Ueberſetzung des erſten Abſchnitts der Ethik des Spinoza: "De Deo". Der Ueberſetzung beigefügt ſind erläuternde oder polemiſche Anmerkungen. Daß Büchner ſich entſchloß, den erſten und wichtigſten Theil der Ethik ſelbſt zu über- ſetzen, hat darin ſeinen Grund, weil er keine klare und correcte Ueberſetzung vorfand. Berthold Auerbachs treffliche Verdeutſchung (Stuttgart 1841) war damals noch nicht erſchienen. Die Ueber- ſetzung der Ethik, welche Wolff 1744 hatte erſcheinen laſſen, war völlig veraltet, die Ueberſetzung der ſämmtlichen Werke, welche Ewald vierzig Jahre vorher (Gera 1791-1793) herausgegeben, mochte Büchner ſchon deßhalb ungenügend ſcheinen, weil ihr ein ungenügend recenſirter Text zu Grunde lag, und die relativ jüngſte Arbeit endlich, die Ueberſetzung von Schmitt (Berlin 1811), war ihm wohl ihrer ſprachlichen Unklarheit wegen für ſeine Zwecke nicht entſprechend. Was nun ſeine eigene Arbeit betrifft, ſo iſt ſie ſicherlich relativ ein Fortſchritt, wird jedoch von denen ſeiner Nach- folger, Auerbach und v. Kirchmann (Berlin, 1869), übertroffen. Es erklärt ſich dies zum Theil auch daraus, daß Büchner nur die mangelhafte Text-Recenſion von Paulus (Jena 1802-1803) zur Grundlage hatte. Die jetzt allgemein benützte Edition von Bruder (Leipzig 1843) war ihm natürlich nicht zugänglich.
Ueber das Verhältniß Büchners zu Spinoza und die charakte- riſtiſche Bedeutung ſeiner Einwürfe habe ich bereits in der Einleitung geſprochen. Als Illuſtration hiezu mögen die beiden erſten Stellen dienen, die ich aus der Monographie mittheile. Leicht hätte ich eine Reihe ähnlicher Excurſe hervorheben können, doch dürfen ja der- artige Bruchſtücke nicht auf allgemeines Intereſſe zählen, und mein
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ſophen voraus. Während ſeiner Vorbereitung für den Curſus über
den großen Amſterdamer Philoſophen mochte Büchner zu der Anſicht
gekommen ſein, daß es ſich im Intereſſe der Klarheit und des
pragmatiſchen Zuſammenhangs beider Syſteme empfehlen werde,
mit einem Curſus über Carteſius zu beginnen. Darum arbeitete
er dann auch hiefür einen Leitfaden aus.
Die Monographie über Spinoza zerfällt, der eingehaltenen
Methode nach, in zwei verſchiedene Theile. Der erſte, vierzehn Bogen
ſtark, enthält eine vollſtändige Ueberſetzung des erſten Abſchnitts
der Ethik des Spinoza: "De Deo". Der Ueberſetzung beigefügt
ſind erläuternde oder polemiſche Anmerkungen. Daß Büchner ſich
entſchloß, den erſten und wichtigſten Theil der Ethik ſelbſt zu über-
ſetzen, hat darin ſeinen Grund, weil er keine klare und correcte
Ueberſetzung vorfand. Berthold Auerbachs treffliche Verdeutſchung
(Stuttgart 1841) war damals noch nicht erſchienen. Die Ueber-
ſetzung der Ethik, welche Wolff 1744 hatte erſcheinen laſſen, war
völlig veraltet, die Ueberſetzung der ſämmtlichen Werke, welche
Ewald vierzig Jahre vorher (Gera 1791-1793) herausgegeben,
mochte Büchner ſchon deßhalb ungenügend ſcheinen, weil ihr ein
ungenügend recenſirter Text zu Grunde lag, und die relativ jüngſte
Arbeit endlich, die Ueberſetzung von Schmitt (Berlin 1811), war
ihm wohl ihrer ſprachlichen Unklarheit wegen für ſeine Zwecke nicht
entſprechend. Was nun ſeine eigene Arbeit betrifft, ſo iſt ſie
ſicherlich relativ ein Fortſchritt, wird jedoch von denen ſeiner Nach-
folger, Auerbach und v. Kirchmann (Berlin, 1869), übertroffen. Es
erklärt ſich dies zum Theil auch daraus, daß Büchner nur die
mangelhafte Text-Recenſion von Paulus (Jena 1802-1803) zur
Grundlage hatte. Die jetzt allgemein benützte Edition von Bruder
(Leipzig 1843) war ihm natürlich nicht zugänglich.
Ueber das Verhältniß Büchners zu Spinoza und die charakte-
riſtiſche Bedeutung ſeiner Einwürfe habe ich bereits in der Einleitung
geſprochen. Als Illuſtration hiezu mögen die beiden erſten Stellen
dienen, die ich aus der Monographie mittheile. Leicht hätte ich eine
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Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/516>, abgerufen am 24.11.2024.
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