Existenz nicht ein, dies ist aber widersinnig, also existirt Gott nothwendig."
Dagegen bemerke ich:
Dieser Beweis läuft ziemlich auf den hinaus, daß Gott nicht anders als seiend gedacht werden könnte; was zwingt uns aber ein Wesen zu denken, das nicht anders als seiend gedacht werden kann?
Oder selbst zugegeben, wir seien durch den Lehrsatz von dem, was in sich oder in etwas Anderem ist, gezwungen, auf etwas zu kommen, was nicht anders als seiend gedacht werden kann, was berechtigt uns aber deßwegen, aus diesem Wesen das absolut Vollkommene -- Gott zu machen?
Wenn man auf die Definition von Gott eingeht, so muß man auch das Dasein Gottes zugeben. Was berechtigt uns aber diese Definition zu machen?
Der Verstand? Er kennt das Unvollkommene. Das Gefühl? Es kennt den Schmerz.
Stößt man sich an das Wort "Gott" nicht, lernt man die Art begreifen, wie es Spinoza anwendet, so wird man sich mit diesem Philosophen befreunden können, welcher Glaubens- losigkeit auch immer man sein mag ...
Schon das erste Wissen des Spinozismus bringt un- endliche Ruhe. Alle Glückseligkeit ist allein im Anschauen des Ewigen-Unveränderlichen. Nicht von dem Endlichen soll zum Unendlichen, nicht von den Dingen soll zu Gott fort- geschritten werden, sondern aus Gott heraus soll Alles
Exiſtenz nicht ein, dies iſt aber widerſinnig, alſo exiſtirt Gott nothwendig."
Dagegen bemerke ich:
Dieſer Beweis läuft ziemlich auf den hinaus, daß Gott nicht anders als ſeiend gedacht werden könnte; was zwingt uns aber ein Weſen zu denken, das nicht anders als ſeiend gedacht werden kann?
Oder ſelbſt zugegeben, wir ſeien durch den Lehrſatz von dem, was in ſich oder in etwas Anderem iſt, gezwungen, auf etwas zu kommen, was nicht anders als ſeiend gedacht werden kann, was berechtigt uns aber deßwegen, aus dieſem Weſen das abſolut Vollkommene — Gott zu machen?
Wenn man auf die Definition von Gott eingeht, ſo muß man auch das Daſein Gottes zugeben. Was berechtigt uns aber dieſe Definition zu machen?
Der Verſtand? Er kennt das Unvollkommene. Das Gefühl? Es kennt den Schmerz.
Stößt man ſich an das Wort "Gott" nicht, lernt man die Art begreifen, wie es Spinoza anwendet, ſo wird man ſich mit dieſem Philoſophen befreunden können, welcher Glaubens- loſigkeit auch immer man ſein mag ...
Schon das erſte Wiſſen des Spinozismus bringt un- endliche Ruhe. Alle Glückſeligkeit iſt allein im Anſchauen des Ewigen-Unveränderlichen. Nicht von dem Endlichen ſoll zum Unendlichen, nicht von den Dingen ſoll zu Gott fort- geſchritten werden, ſondern aus Gott heraus ſoll Alles
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Exiſtenz nicht ein, dies iſt aber widerſinnig, alſo exiſtirt
Gott nothwendig."
Dagegen bemerke ich:
Dieſer Beweis läuft ziemlich auf den hinaus, daß Gott
nicht anders als ſeiend gedacht werden könnte; was zwingt
uns aber ein Weſen zu denken, das nicht anders als ſeiend
gedacht werden kann?
Oder ſelbſt zugegeben, wir ſeien durch den Lehrſatz von
dem, was in ſich oder in etwas Anderem iſt, gezwungen, auf
etwas zu kommen, was nicht anders als ſeiend gedacht
werden kann, was berechtigt uns aber deßwegen, aus dieſem
Weſen das abſolut Vollkommene — Gott zu machen?
Wenn man auf die Definition von Gott eingeht, ſo
muß man auch das Daſein Gottes zugeben. Was berechtigt
uns aber dieſe Definition zu machen?
Der Verſtand?
Er kennt das Unvollkommene.
Das Gefühl?
Es kennt den Schmerz.
Stößt man ſich an das Wort "Gott" nicht, lernt man
die Art begreifen, wie es Spinoza anwendet, ſo wird man
ſich mit dieſem Philoſophen befreunden können, welcher Glaubens-
loſigkeit auch immer man ſein mag ...
Schon das erſte Wiſſen des Spinozismus bringt un-
endliche Ruhe. Alle Glückſeligkeit iſt allein im Anſchauen
des Ewigen-Unveränderlichen. Nicht von dem Endlichen ſoll
zum Unendlichen, nicht von den Dingen ſoll zu Gott fort-
geſchritten werden, ſondern aus Gott heraus ſoll Alles
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Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/505>, abgerufen am 24.11.2024.
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