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Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879.

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ihrer "Deutschen Geschichte" (Leipzig, Thomas 1875), "war die
Erbitterung groß, weil dort noch die Feudallasten neben den Staats-
lasten auf das geringe Volk drückten. Dies war auch die Veran-
lassung, warum gerade in Oberhessen, wo sich noch sehr viele
Standesherrschaften befinden, die Empörung in eine Art von Bauern-
krieg ausartete. Sonst nirgends war dem kleinen Manne die Steuer-
last so empfindlich als dort, auf einen Kopf allein konnte man
6 fl. 12 kr. rechnen. Eine Reise des neuen Regenten Ludwig II.,
die er bei seiner Thronbesteigung durch das Land gemacht, hatte
100,000 fl. gekostet; vorhergehende Zerwürfnisse mit den Ständen,
welche die Forderung eines neuen Schloßbaues für den nunmehrigen
Erbprinzen abgelehnt hatten, verbitterten die Stimmung noch mehr,
namentlich in Betracht, daß die Schuldenlast des Großherzoglichen
Hauses bereits eine zu den Kräften des Ländchens unverhältniß-
mäßige Höhe gewonnen hatte. Dieser oberhessische Aufstand war in
den Septembertagen 1830 ausgebrochen; unter Trommelschlag,
einem steten Anschwellen ihrer Haufen mit den Rufen: "Freiheit
und Gleichheit!" zogen die Bauerntrupps von Ort zu Ort. In
Büdingen zwangen sie den Grafen Isenburg, eine Strecke weit mit
ihnen zu ziehen, von da wandten sie sich gegen Ortenberg, zerstörten
in Nidda das Haus des Landrichters und breiteten sich dann in
drei Richtungen nach der Wetterau, dem Vogelsberg und nach
Butzbach hin aus. Das traurige Zwischenspiel fand dort ein Ende,
während man sich in Darmstadt im Schlosse schon zur Flucht vor-
bereitete, und selbst der Bundestag in Frankfurt gezittert hatte.
Der Prinz Emil, ein Bruder des Großherzogs, wurde nach Ober-
hessen entsendet, und drei Militärcolonnen sollten den Aufstand ein-
schließen, als ein blutiges Zusammentreffen bei dem Dorfe Södel
die Sache schnell beendigte, aber auch eine furchtbare Erbitterung
zurückließ. Die Dragoner, die man von Butzbach berufen, hatten
ohne weiteres, vor der gesetzlichen Aufforderung an die Leute, aus-
einander zu gehen, in das unbewaffnete Volk scharf eingehauen und
dabei Leute verletzt und getödtet, die sich gerade bemühten, die
Haufen durch vernünftiges Zureden zu zerstreuen. Es war eine
große, unverantwortliche Brutalität, die dort begangen wurde, ein
bedeutungsvolles Zeichen der Animosität, mit der sich bald aller-
ihrer "Deutſchen Geſchichte" (Leipzig, Thomas 1875), "war die
Erbitterung groß, weil dort noch die Feudallaſten neben den Staats-
laſten auf das geringe Volk drückten. Dies war auch die Veran-
laſſung, warum gerade in Oberheſſen, wo ſich noch ſehr viele
Standesherrſchaften befinden, die Empörung in eine Art von Bauern-
krieg ausartete. Sonſt nirgends war dem kleinen Manne die Steuer-
laſt ſo empfindlich als dort, auf einen Kopf allein konnte man
6 fl. 12 kr. rechnen. Eine Reiſe des neuen Regenten Ludwig II.,
die er bei ſeiner Thronbeſteigung durch das Land gemacht, hatte
100,000 fl. gekoſtet; vorhergehende Zerwürfniſſe mit den Ständen,
welche die Forderung eines neuen Schloßbaues für den nunmehrigen
Erbprinzen abgelehnt hatten, verbitterten die Stimmung noch mehr,
namentlich in Betracht, daß die Schuldenlaſt des Großherzoglichen
Hauſes bereits eine zu den Kräften des Ländchens unverhältniß-
mäßige Höhe gewonnen hatte. Dieſer oberheſſiſche Aufſtand war in
den Septembertagen 1830 ausgebrochen; unter Trommelſchlag,
einem ſteten Anſchwellen ihrer Haufen mit den Rufen: "Freiheit
und Gleichheit!" zogen die Bauerntrupps von Ort zu Ort. In
Büdingen zwangen ſie den Grafen Iſenburg, eine Strecke weit mit
ihnen zu ziehen, von da wandten ſie ſich gegen Ortenberg, zerſtörten
in Nidda das Haus des Landrichters und breiteten ſich dann in
drei Richtungen nach der Wetterau, dem Vogelsberg und nach
Butzbach hin aus. Das traurige Zwiſchenſpiel fand dort ein Ende,
während man ſich in Darmſtadt im Schloſſe ſchon zur Flucht vor-
bereitete, und ſelbſt der Bundestag in Frankfurt gezittert hatte.
Der Prinz Emil, ein Bruder des Großherzogs, wurde nach Ober-
heſſen entſendet, und drei Militärcolonnen ſollten den Aufſtand ein-
ſchließen, als ein blutiges Zuſammentreffen bei dem Dorfe Södel
die Sache ſchnell beendigte, aber auch eine furchtbare Erbitterung
zurückließ. Die Dragoner, die man von Butzbach berufen, hatten
ohne weiteres, vor der geſetzlichen Aufforderung an die Leute, aus-
einander zu gehen, in das unbewaffnete Volk ſcharf eingehauen und
dabei Leute verletzt und getödtet, die ſich gerade bemühten, die
Haufen durch vernünftiges Zureden zu zerſtreuen. Es war eine
große, unverantwortliche Brutalität, die dort begangen wurde, ein
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[287/0483] ihrer "Deutſchen Geſchichte" (Leipzig, Thomas 1875), "war die Erbitterung groß, weil dort noch die Feudallaſten neben den Staats- laſten auf das geringe Volk drückten. Dies war auch die Veran- laſſung, warum gerade in Oberheſſen, wo ſich noch ſehr viele Standesherrſchaften befinden, die Empörung in eine Art von Bauern- krieg ausartete. Sonſt nirgends war dem kleinen Manne die Steuer- laſt ſo empfindlich als dort, auf einen Kopf allein konnte man 6 fl. 12 kr. rechnen. Eine Reiſe des neuen Regenten Ludwig II., die er bei ſeiner Thronbeſteigung durch das Land gemacht, hatte 100,000 fl. gekoſtet; vorhergehende Zerwürfniſſe mit den Ständen, welche die Forderung eines neuen Schloßbaues für den nunmehrigen Erbprinzen abgelehnt hatten, verbitterten die Stimmung noch mehr, namentlich in Betracht, daß die Schuldenlaſt des Großherzoglichen Hauſes bereits eine zu den Kräften des Ländchens unverhältniß- mäßige Höhe gewonnen hatte. Dieſer oberheſſiſche Aufſtand war in den Septembertagen 1830 ausgebrochen; unter Trommelſchlag, einem ſteten Anſchwellen ihrer Haufen mit den Rufen: "Freiheit und Gleichheit!" zogen die Bauerntrupps von Ort zu Ort. In Büdingen zwangen ſie den Grafen Iſenburg, eine Strecke weit mit ihnen zu ziehen, von da wandten ſie ſich gegen Ortenberg, zerſtörten in Nidda das Haus des Landrichters und breiteten ſich dann in drei Richtungen nach der Wetterau, dem Vogelsberg und nach Butzbach hin aus. Das traurige Zwiſchenſpiel fand dort ein Ende, während man ſich in Darmſtadt im Schloſſe ſchon zur Flucht vor- bereitete, und ſelbſt der Bundestag in Frankfurt gezittert hatte. Der Prinz Emil, ein Bruder des Großherzogs, wurde nach Ober- heſſen entſendet, und drei Militärcolonnen ſollten den Aufſtand ein- ſchließen, als ein blutiges Zuſammentreffen bei dem Dorfe Södel die Sache ſchnell beendigte, aber auch eine furchtbare Erbitterung zurückließ. Die Dragoner, die man von Butzbach berufen, hatten ohne weiteres, vor der geſetzlichen Aufforderung an die Leute, aus- einander zu gehen, in das unbewaffnete Volk ſcharf eingehauen und dabei Leute verletzt und getödtet, die ſich gerade bemühten, die Haufen durch vernünftiges Zureden zu zerſtreuen. Es war eine große, unverantwortliche Brutalität, die dort begangen wurde, ein bedeutungsvolles Zeichen der Animoſität, mit der ſich bald aller-

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Zitationshilfe: Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/483>, abgerufen am 25.11.2024.