Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879.
wenn ich dich noch oft so küssen dürft. Aber ich darf nicht! -- Was zitterst? Marie. Der Nachtthau fällt. Wozzeck (flüstert vor sich hin). Wer kalt ist, den friert nicht mehr! Dich wird beim Morgenthau nicht frieren. -- Aber mich! Ach! es muß sein! Marie. Was sagst du da? Wozzeck. Nix. (Langes Schweigen.) Marie. Wie der Mond roth aufgeht! Wozzeck. Wie ein blutig Eisen! (zieht ein Messer.) Marie. Was zitterst so? (springt auf.) Was willst? Wozzeck. Ich nicht, Marie! und kein Anderer auch nicht! (stößt ihr das Messer in den Hals.) Marie. Hülfe! Hülfe! (sie sinkt nieder.) Wozzeck. Todt! (beugt sich über sie) Todt! Mörder! Mörder! (stürzt davon.) Wirthshaus. Bursche, Dirnen, Tanz. Wozzeck (abseit an einem Tische). Wozzeck. Tanzt Alle; tanzt nur zu, springt, schwitzt und stinkt, es holt Euch doch noch einmal alle der Teufel! (leert sein Glas, singt:) Es ritten drei Reiter wohl an den Rhein, Bei einer Frau Wirthin da kehrten sie ein. Mein Wein ist gut, mein Bier ist klar, Mein Töchterlein liegt auf der -- Verdammt! (springt auf.) He, Käthe! (tanzt mit ihr.) Komm,
wenn ich dich noch oft ſo küſſen dürft. Aber ich darf nicht! — Was zitterſt? Marie. Der Nachtthau fällt. Wozzeck (flüſtert vor ſich hin). Wer kalt iſt, den friert nicht mehr! Dich wird beim Morgenthau nicht frieren. — Aber mich! Ach! es muß ſein! Marie. Was ſagſt du da? Wozzeck. Nix. (Langes Schweigen.) Marie. Wie der Mond roth aufgeht! Wozzeck. Wie ein blutig Eiſen! (zieht ein Meſſer.) Marie. Was zitterſt ſo? (ſpringt auf.) Was willſt? Wozzeck. Ich nicht, Marie! und kein Anderer auch nicht! (ſtößt ihr das Meſſer in den Hals.) Marie. Hülfe! Hülfe! (ſie ſinkt nieder.) Wozzeck. Todt! (beugt ſich über ſie) Todt! Mörder! Mörder! (ſtürzt davon.) Wirthshaus. Burſche, Dirnen, Tanz. Wozzeck (abſeit an einem Tiſche). Wozzeck. Tanzt Alle; tanzt nur zu, ſpringt, ſchwitzt und ſtinkt, es holt Euch doch noch einmal alle der Teufel! (leert ſein Glas, ſingt:) Es ritten drei Reiter wohl an den Rhein, Bei einer Frau Wirthin da kehrten ſie ein. Mein Wein iſt gut, mein Bier iſt klar, Mein Töchterlein liegt auf der — Verdammt! (ſpringt auf.) He, Käthe! (tanzt mit ihr.) Komm, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3" type="scene"> <sp who="#WOZ"> <p><pb n="197" facs="#f0393"/> wenn ich dich noch oft ſo küſſen dürft. Aber ich darf nicht!<lb/> — Was zitterſt?</p> </sp><lb/> <sp who="#MARIE"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Marie.</hi> </hi> </speaker> <p>Der Nachtthau fällt.</p> </sp><lb/> <sp who="#WOZ"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Wozzeck</hi> </hi> </speaker> <stage>(flüſtert vor ſich hin).</stage> <p>Wer kalt iſt, den friert<lb/> nicht mehr! Dich wird beim Morgenthau nicht frieren. —<lb/> Aber mich! Ach! es muß ſein!</p> </sp><lb/> <sp who="#MARIE"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Marie.</hi> </hi> </speaker> <p>Was ſagſt du da?</p> </sp><lb/> <sp who="#WOZ"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Wozzeck.</hi> </hi> </speaker> <p>Nix.</p> <stage>(Langes Schweigen.)</stage> </sp><lb/> <sp who="#MARIE"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Marie.</hi> </hi> </speaker> <p>Wie der Mond roth aufgeht!</p> </sp><lb/> <sp who="#WOZ"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Wozzeck.</hi> </hi> </speaker> <p>Wie ein blutig Eiſen!</p> <stage>(zieht ein Meſſer.)</stage> </sp><lb/> <sp who="#MARIE"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Marie.</hi> </hi> </speaker> <p>Was zitterſt ſo? <stage>(ſpringt auf.)</stage> Was willſt?</p> </sp><lb/> <sp who="#WOZ"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Wozzeck.</hi> </hi> </speaker> <p>Ich nicht, Marie! und kein Anderer auch<lb/> nicht!</p> <stage>(ſtößt ihr das Meſſer in den Hals.)</stage> </sp><lb/> <sp who="#MARIE"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Marie.</hi> </hi> </speaker> <p>Hülfe! Hülfe!</p> <stage>(ſie ſinkt nieder.)</stage> </sp><lb/> <sp who="#WOZ"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Wozzeck.</hi> </hi> </speaker> <p>Todt! <stage>(beugt ſich über ſie)</stage> Todt! Mörder!<lb/> Mörder!</p> <stage>(ſtürzt davon.)</stage> </sp> </div><lb/> <milestone unit="section" rendition="#hr"/> <div n="3" type="scene"> <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Wirthshaus</hi>.</hi> </hi> </hi> </head><lb/> <stage> <hi rendition="#c">Burſche, Dirnen, Tanz. <hi rendition="#fr"><hi rendition="#b">Wozzeck</hi></hi> (abſeit an einem Tiſche).</hi> </stage><lb/> <sp who="#WOZ"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Wozzeck.</hi> </hi> </speaker> <p>Tanzt Alle; tanzt nur zu, ſpringt, ſchwitzt<lb/> und ſtinkt, es holt Euch doch noch einmal alle der Teufel!</p><lb/> <stage>(leert ſein Glas, ſingt:)</stage><lb/> <lg type="poem"> <l>Es ritten drei Reiter wohl an den Rhein,</l><lb/> <l>Bei einer Frau Wirthin da kehrten ſie ein.</l><lb/> <l>Mein Wein iſt gut, mein Bier iſt klar,</l><lb/> <l>Mein Töchterlein liegt auf der —</l> </lg><lb/> <p>Verdammt! <stage>(ſpringt auf.)</stage> He, Käthe! <stage>(tanzt mit ihr.)</stage> Komm,<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [197/0393]
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Wozzeck (flüſtert vor ſich hin). Wer kalt iſt, den friert
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Aber mich! Ach! es muß ſein!
Marie. Was ſagſt du da?
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Marie. Was zitterſt ſo? (ſpringt auf.) Was willſt?
Wozzeck. Ich nicht, Marie! und kein Anderer auch
nicht! (ſtößt ihr das Meſſer in den Hals.)
Marie. Hülfe! Hülfe! (ſie ſinkt nieder.)
Wozzeck. Todt! (beugt ſich über ſie) Todt! Mörder!
Mörder! (ſtürzt davon.)
Wirthshaus.
Burſche, Dirnen, Tanz. Wozzeck (abſeit an einem Tiſche).
Wozzeck. Tanzt Alle; tanzt nur zu, ſpringt, ſchwitzt
und ſtinkt, es holt Euch doch noch einmal alle der Teufel!
(leert ſein Glas, ſingt:)
Es ritten drei Reiter wohl an den Rhein,
Bei einer Frau Wirthin da kehrten ſie ein.
Mein Wein iſt gut, mein Bier iſt klar,
Mein Töchterlein liegt auf der —
Verdammt! (ſpringt auf.) He, Käthe! (tanzt mit ihr.) Komm,
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Zitationshilfe: | Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/393>, abgerufen am 03.03.2025. |