Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879. Marie. Das muß ich sehen! (Klettert auf eine Bank.) Wozzeck. -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- Stube. Marie (sitzt, ihr Kind auf dem Schooß, ein Stückchen Spiegel in der Hand. Bespiegelt sich.) Was die Steine glänzen? Was sind's für welche? Was hat er gesagt? -- -- Schlaf Bub! Drück die Augen zu, fest. (Das Kind versteckt die Augen hinter den Händen.) Noch fester! Bleib so -- still! oder er holt Dich! (Singt.) Mädel, mach's Lädel zu! 's kommt ein Zigeunerbu, Führt dich an seiner Hand Fort ins Zigeunerland. (Spiegelt sich wieder.) 's ist gewiß Gold! Unsereins hat nur ein Eckchen in der Welt und ein Stückchen Spiegel, und doch hab' ich einen so rothen Mund, als die großen Ma- damen mit ihren Spiegeln von oben bis unten und ihren schönen Herren, die ihnen die Händ' küssen, und ich bin nur ein arm Weibsbild! .. (Das Kind richtet sich auf.) Still, Bub, die Augen zu! Das Schlafengelchen! .. (sie blinkt mit dem Glas) .. wie's an der Wand läuft! -- Die Augen zu, oder es sieht dir hinein, daß du blind wirst. (Wozzeck tritt herein, hinter sie. Sie fährt auf, mit den Händen nach den Ohren.) Marie. Das muß ich ſehen! (Klettert auf eine Bank.) Wozzeck. — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — Stube. Marie (ſitzt, ihr Kind auf dem Schooß, ein Stückchen Spiegel in der Hand. Beſpiegelt ſich.) Was die Steine glänzen? Was ſind's für welche? Was hat er geſagt? — — Schlaf Bub! Drück die Augen zu, feſt. (Das Kind verſteckt die Augen hinter den Händen.) Noch feſter! Bleib ſo — ſtill! oder er holt Dich! (Singt.) Mädel, mach's Lädel zu! 's kommt ein Zigeunerbu, Führt dich an ſeiner Hand Fort ins Zigeunerland. (Spiegelt ſich wieder.) 's iſt gewiß Gold! Unſereins hat nur ein Eckchen in der Welt und ein Stückchen Spiegel, und doch hab' ich einen ſo rothen Mund, als die großen Ma- damen mit ihren Spiegeln von oben bis unten und ihren ſchönen Herren, die ihnen die Händ' küſſen, und ich bin nur ein arm Weibsbild! .. (Das Kind richtet ſich auf.) Still, Bub, die Augen zu! Das Schlafengelchen! .. (ſie blinkt mit dem Glas) .. wie's an der Wand läuft! — Die Augen zu, oder es ſieht dir hinein, daß du blind wirſt. (Wozzeck tritt herein, hinter ſie. Sie fährt auf, mit den Händen nach den Ohren.) <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3" type="scene"> <pb n="168" facs="#f0364"/> <sp who="#MARIE"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Marie.</hi> </hi> </speaker> <p>Das muß ich ſehen!</p> <stage>(Klettert auf eine Bank.)</stage> </sp><lb/> <sp who="#WOZ"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Wozzeck.</hi> </hi> </speaker> <p> — — — — — — — — — — —<lb/> — — — — — — — — — — — — — — —</p> </sp> </div><lb/> <milestone unit="section" rendition="#hr"/> <div n="3" type="scene"> <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Stube</hi>.</hi> </hi> </hi> </head><lb/> <sp who="#MARIE"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Marie</hi> </hi> </speaker> <stage>(ſitzt, ihr Kind auf dem Schooß, ein Stückchen Spiegel<lb/> in der Hand. Beſpiegelt ſich.)</stage> <p>Was die Steine glänzen? Was<lb/> ſind's für welche? Was hat er geſagt? — — Schlaf Bub!<lb/> Drück die Augen zu, feſt. <stage>(Das Kind verſteckt die Augen hinter<lb/> den Händen.)</stage> Noch feſter! Bleib ſo — ſtill! oder er holt<lb/> Dich! </p> <stage>(Singt.)</stage><lb/> <lg type="poem"> <l>Mädel, mach's Lädel zu!</l><lb/> <l>'s kommt ein Zigeunerbu,</l><lb/> <l>Führt dich an ſeiner Hand</l><lb/> <l>Fort ins Zigeunerland.</l> </lg><lb/> <stage>(Spiegelt ſich wieder.)</stage> <p> 's iſt gewiß Gold! Unſereins hat nur<lb/> ein Eckchen in der Welt und ein Stückchen Spiegel, und<lb/> doch hab' ich einen ſo rothen Mund, als die großen Ma-<lb/> damen mit ihren Spiegeln von oben bis unten und ihren<lb/> ſchönen Herren, die ihnen die Händ' küſſen, und ich bin nur<lb/> ein arm Weibsbild! .. <stage>(Das Kind richtet ſich auf.)</stage> Still,<lb/> Bub, die Augen zu! Das Schlafengelchen! .. <stage>(ſie blinkt<lb/> mit dem Glas)</stage> .. wie's an der Wand läuft! — Die Augen<lb/> zu, oder es ſieht dir hinein, daß du blind wirſt.</p><lb/> <stage>(<hi rendition="#fr"><hi rendition="#b">Wozzeck</hi></hi> tritt herein, hinter ſie. Sie fährt auf, mit den Händen<lb/> nach den Ohren.)</stage> </sp><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [168/0364]
Marie. Das muß ich ſehen! (Klettert auf eine Bank.)
Wozzeck. — — — — — — — — — — —
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Stube.
Marie (ſitzt, ihr Kind auf dem Schooß, ein Stückchen Spiegel
in der Hand. Beſpiegelt ſich.) Was die Steine glänzen? Was
ſind's für welche? Was hat er geſagt? — — Schlaf Bub!
Drück die Augen zu, feſt. (Das Kind verſteckt die Augen hinter
den Händen.) Noch feſter! Bleib ſo — ſtill! oder er holt
Dich! (Singt.)
Mädel, mach's Lädel zu!
's kommt ein Zigeunerbu,
Führt dich an ſeiner Hand
Fort ins Zigeunerland.
(Spiegelt ſich wieder.) 's iſt gewiß Gold! Unſereins hat nur
ein Eckchen in der Welt und ein Stückchen Spiegel, und
doch hab' ich einen ſo rothen Mund, als die großen Ma-
damen mit ihren Spiegeln von oben bis unten und ihren
ſchönen Herren, die ihnen die Händ' küſſen, und ich bin nur
ein arm Weibsbild! .. (Das Kind richtet ſich auf.) Still,
Bub, die Augen zu! Das Schlafengelchen! .. (ſie blinkt
mit dem Glas) .. wie's an der Wand läuft! — Die Augen
zu, oder es ſieht dir hinein, daß du blind wirſt.
(Wozzeck tritt herein, hinter ſie. Sie fährt auf, mit den Händen
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Zitationshilfe: | Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/364>, abgerufen am 03.03.2025. |