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Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879.

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Furcht überall anzustoßen, daß die schönen Figuren in Scher-
ben auf dem Boden lägen und ich vor der kahlen nackten
Wand stände.
Valerio. Ich bin verloren.
Leonce. Da wird Niemand einen Verlust dabei haben,
als wer dich findet.
Valerio. Ich werde mich nächstens in den Schatten
meines Schattens stellen.
Leonce. Du verflüchtigst dich ganz an der Sonne.
Siehst du die schöne Wolke da oben? Sie ist wenigstens
ein Viertel von dir. Sie sieht ganz wohlbehaglich auf deine
gröberen materiellen Stoffe herab.
Valerio. Die Wolke könnte Ihrem Kopfe nichts schaden,
wenn man sie Ihnen Tropfen für Tropfen darauf fallen ließe.
-- Ein köstlicher Einfall. Wir sind schon durch ein Dutzend
Fürstenthümer, durch ein halbes Dutzend Großherzogthümer
und durch ein paar Königreiche gelaufen, und das in der
größten Uebereilung in einem halben Tag -- und warum? Weil
man König werden und eine schöne Prinzessin heirathen soll.
Und Sie leben noch in einer solchen Lage? Ich begreife
Ihre Resignation nicht. Ich begreife nicht, daß Sie nicht
Arsenik genommen, sich auf das Geländer des Kirchthurms
gestellt und sich eine Kugel durch den Kopf gejagt haben,
um es ja nicht zu verfehlen.
Leonce. Aber Valerio, die Ideale! Ich habe das
Ideal eines Frauenzimmers in mir und muß es suchen. Sie
ist unendlich schön und unendlich geistlos. Die Schönheit
ist da so hilflos, so rührend, wie ein neugebornes Kind. Es
ist ein köstlicher Contrast: diese himmlisch stupiden Augen,
Furcht überall anzuſtoßen, daß die ſchönen Figuren in Scher-
ben auf dem Boden lägen und ich vor der kahlen nackten
Wand ſtände.
Valerio. Ich bin verloren.
Leonce. Da wird Niemand einen Verluſt dabei haben,
als wer dich findet.
Valerio. Ich werde mich nächſtens in den Schatten
meines Schattens ſtellen.
Leonce. Du verflüchtigſt dich ganz an der Sonne.
Siehſt du die ſchöne Wolke da oben? Sie iſt wenigſtens
ein Viertel von dir. Sie ſieht ganz wohlbehaglich auf deine
gröberen materiellen Stoffe herab.
Valerio. Die Wolke könnte Ihrem Kopfe nichts ſchaden,
wenn man ſie Ihnen Tropfen für Tropfen darauf fallen ließe.
— Ein köſtlicher Einfall. Wir ſind ſchon durch ein Dutzend
Fürſtenthümer, durch ein halbes Dutzend Großherzogthümer
und durch ein paar Königreiche gelaufen, und das in der
größten Uebereilung in einem halben Tag — und warum? Weil
man König werden und eine ſchöne Prinzeſſin heirathen ſoll.
Und Sie leben noch in einer ſolchen Lage? Ich begreife
Ihre Reſignation nicht. Ich begreife nicht, daß Sie nicht
Arſenik genommen, ſich auf das Geländer des Kirchthurms
geſtellt und ſich eine Kugel durch den Kopf gejagt haben,
um es ja nicht zu verfehlen.
Leonce. Aber Valerio, die Ideale! Ich habe das
Ideal eines Frauenzimmers in mir und muß es ſuchen. Sie
iſt unendlich ſchön und unendlich geiſtlos. Die Schönheit
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[136/0332] Furcht überall anzuſtoßen, daß die ſchönen Figuren in Scher- ben auf dem Boden lägen und ich vor der kahlen nackten Wand ſtände. Valerio. Ich bin verloren. Leonce. Da wird Niemand einen Verluſt dabei haben, als wer dich findet. Valerio. Ich werde mich nächſtens in den Schatten meines Schattens ſtellen. Leonce. Du verflüchtigſt dich ganz an der Sonne. Siehſt du die ſchöne Wolke da oben? Sie iſt wenigſtens ein Viertel von dir. Sie ſieht ganz wohlbehaglich auf deine gröberen materiellen Stoffe herab. Valerio. Die Wolke könnte Ihrem Kopfe nichts ſchaden, wenn man ſie Ihnen Tropfen für Tropfen darauf fallen ließe. — Ein köſtlicher Einfall. Wir ſind ſchon durch ein Dutzend Fürſtenthümer, durch ein halbes Dutzend Großherzogthümer und durch ein paar Königreiche gelaufen, und das in der größten Uebereilung in einem halben Tag — und warum? Weil man König werden und eine ſchöne Prinzeſſin heirathen ſoll. Und Sie leben noch in einer ſolchen Lage? Ich begreife Ihre Reſignation nicht. Ich begreife nicht, daß Sie nicht Arſenik genommen, ſich auf das Geländer des Kirchthurms geſtellt und ſich eine Kugel durch den Kopf gejagt haben, um es ja nicht zu verfehlen. Leonce. Aber Valerio, die Ideale! Ich habe das Ideal eines Frauenzimmers in mir und muß es ſuchen. Sie iſt unendlich ſchön und unendlich geiſtlos. Die Schönheit iſt da ſo hilflos, ſo rührend, wie ein neugebornes Kind. Es iſt ein köſtlicher Contraſt: dieſe himmliſch ſtupiden Augen,

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Zitationshilfe: Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/332>, abgerufen am 22.11.2024.