Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879.
schreien und der Zeter, die uns betäuben, ein Strom von Harmonien sind. Danton. Aber wir sind die armen Musikanten und unsere Körper die Instrumente. Sind denn die häßlichen Töne, welche auf ihnen herausgepfuscht werden, nur da, um höher und höher dringend und endlich leise verhallend wie ein wollüstiger Hauch in himmlischen Ohren zu sterben? Herault. Sind wir wie Ferkel, die man für fürstliche Tafeln mit Ruthen todt peitscht, damit ihr Fleisch schmack- hafter werde? Danton. Sind wir Kinder, die in den glühenden Molochsarmen dieser Welt gebraten und mit Lichtstrahlen gekitzelt werden, damit die Götter sich über ihr Lachen freuen? Camille. Ist denn der Aether mit seinen Goldaugen eine Schüssel mit Goldkarpfen, die am Tische der seligen Götter steht, und die seligen Götter lachen ewig, und die Fische sterben ewig, und die Götter erfreuen sich ewig am Farbenspiel des Todeskampfes? Danton. Die Welt ist das Chaos. Das Nichts ist der zu gebärende Weltgott. (Der Schließer tritt ein.) Schließer. Meine Herren, Sie können abfahren, die Wagen halten vor der Thür. Philippeau. Gute Nacht, meine Freunde, legen wir ruhig die große Decke über uns, unter welcher alle Herzen ausglühen und alle Augen zerfallen. (Sie umarmen einander.) Herault (nimmt Camille's Arm). Freue dich, Camille, wir bekommen eine schöne Nacht. Die Wolken hängen am stillen Abendhimmel wie ein ausglühender Olymp mit ver- bleichenden, versinkenden Göttergestalten. (Sie gehen ab.)
ſchreien und der Zeter, die uns betäuben, ein Strom von Harmonien ſind. Danton. Aber wir ſind die armen Muſikanten und unſere Körper die Inſtrumente. Sind denn die häßlichen Töne, welche auf ihnen herausgepfuſcht werden, nur da, um höher und höher dringend und endlich leiſe verhallend wie ein wollüſtiger Hauch in himmliſchen Ohren zu ſterben? Hérault. Sind wir wie Ferkel, die man für fürſtliche Tafeln mit Ruthen todt peitſcht, damit ihr Fleiſch ſchmack- hafter werde? Danton. Sind wir Kinder, die in den glühenden Molochsarmen dieſer Welt gebraten und mit Lichtſtrahlen gekitzelt werden, damit die Götter ſich über ihr Lachen freuen? Camille. Iſt denn der Aether mit ſeinen Goldaugen eine Schüſſel mit Goldkarpfen, die am Tiſche der ſeligen Götter ſteht, und die ſeligen Götter lachen ewig, und die Fiſche ſterben ewig, und die Götter erfreuen ſich ewig am Farbenſpiel des Todeskampfes? Danton. Die Welt iſt das Chaos. Das Nichts iſt der zu gebärende Weltgott. (Der Schließer tritt ein.) Schließer. Meine Herren, Sie können abfahren, die Wagen halten vor der Thür. Philippeau. Gute Nacht, meine Freunde, legen wir ruhig die große Decke über uns, unter welcher alle Herzen ausglühen und alle Augen zerfallen. (Sie umarmen einander.) Hérault (nimmt Camille's Arm). Freue dich, Camille, wir bekommen eine ſchöne Nacht. Die Wolken hängen am ſtillen Abendhimmel wie ein ausglühender Olymp mit ver- bleichenden, verſinkenden Göttergeſtalten. (Sie gehen ab.) <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div type="act" n="3"> <div type="scene" n="4"> <sp who="#PHI"> <p><pb facs="#f0288" n="92"/> ſchreien und der Zeter, die uns betäuben, ein Strom von<lb/> Harmonien ſind.</p> </sp><lb/> <sp who="#DANTON"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Danton.</hi> </hi> </speaker> <p>Aber wir ſind die armen Muſikanten und<lb/> unſere Körper die Inſtrumente. Sind denn die häßlichen<lb/> Töne, welche auf ihnen herausgepfuſcht werden, nur da, um<lb/> höher und höher dringend und endlich leiſe verhallend wie ein<lb/> wollüſtiger Hauch in himmliſchen Ohren zu ſterben?</p> </sp><lb/> <sp who="#HARAU"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">H<hi rendition="#aq">é</hi>rault.</hi> </hi> </speaker> <p>Sind wir wie Ferkel, die man für fürſtliche<lb/> Tafeln mit Ruthen todt peitſcht, damit ihr Fleiſch ſchmack-<lb/> hafter werde?</p> </sp><lb/> <sp who="#DANTON"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Danton.</hi> </hi> </speaker> <p>Sind wir Kinder, die in den glühenden<lb/> Molochsarmen dieſer Welt gebraten und mit Lichtſtrahlen<lb/> gekitzelt werden, damit die Götter ſich über ihr Lachen freuen?</p> </sp><lb/> <sp who="#CAM"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Camille.</hi> </hi> </speaker> <p>Iſt denn der Aether mit ſeinen Goldaugen<lb/> eine Schüſſel mit Goldkarpfen, die am Tiſche der ſeligen<lb/> Götter ſteht, und die ſeligen Götter lachen ewig, und die<lb/> Fiſche ſterben ewig, und die Götter erfreuen ſich ewig am<lb/> Farbenſpiel des Todeskampfes?</p> </sp><lb/> <sp who="#DANTON"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Danton.</hi> </hi> </speaker> <p>Die Welt iſt das Chaos. Das Nichts iſt<lb/> der zu gebärende Weltgott.</p><lb/> <stage>(Der Schließer tritt ein.)</stage> </sp><lb/> <sp who="#SCHLIESSER"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Schließer.</hi> </hi> </speaker> <p>Meine Herren, Sie können abfahren, die<lb/> Wagen halten vor der Thür.</p> </sp><lb/> <sp who="#PHI"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Philippeau.</hi> </hi> </speaker> <p>Gute Nacht, meine Freunde, legen wir<lb/> ruhig die große Decke über uns, unter welcher alle Herzen<lb/> ausglühen und alle Augen zerfallen.</p> <stage>(Sie umarmen einander.)</stage> </sp><lb/> <sp who="#HARAU"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">H<hi rendition="#aq">é</hi>rault</hi> </hi> </speaker> <stage>(nimmt Camille's Arm).</stage> <p>Freue dich, Camille,<lb/> wir bekommen eine ſchöne Nacht. Die Wolken hängen am<lb/> ſtillen Abendhimmel wie ein ausglühender Olymp mit ver-<lb/> bleichenden, verſinkenden Göttergeſtalten.</p> <stage> <hi rendition="#et">(Sie gehen ab.)</hi> </stage> </sp> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [92/0288]
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Harmonien ſind.
Danton. Aber wir ſind die armen Muſikanten und
unſere Körper die Inſtrumente. Sind denn die häßlichen
Töne, welche auf ihnen herausgepfuſcht werden, nur da, um
höher und höher dringend und endlich leiſe verhallend wie ein
wollüſtiger Hauch in himmliſchen Ohren zu ſterben?
Hérault. Sind wir wie Ferkel, die man für fürſtliche
Tafeln mit Ruthen todt peitſcht, damit ihr Fleiſch ſchmack-
hafter werde?
Danton. Sind wir Kinder, die in den glühenden
Molochsarmen dieſer Welt gebraten und mit Lichtſtrahlen
gekitzelt werden, damit die Götter ſich über ihr Lachen freuen?
Camille. Iſt denn der Aether mit ſeinen Goldaugen
eine Schüſſel mit Goldkarpfen, die am Tiſche der ſeligen
Götter ſteht, und die ſeligen Götter lachen ewig, und die
Fiſche ſterben ewig, und die Götter erfreuen ſich ewig am
Farbenſpiel des Todeskampfes?
Danton. Die Welt iſt das Chaos. Das Nichts iſt
der zu gebärende Weltgott.
(Der Schließer tritt ein.)
Schließer. Meine Herren, Sie können abfahren, die
Wagen halten vor der Thür.
Philippeau. Gute Nacht, meine Freunde, legen wir
ruhig die große Decke über uns, unter welcher alle Herzen
ausglühen und alle Augen zerfallen. (Sie umarmen einander.)
Hérault (nimmt Camille's Arm). Freue dich, Camille,
wir bekommen eine ſchöne Nacht. Die Wolken hängen am
ſtillen Abendhimmel wie ein ausglühender Olymp mit ver-
bleichenden, verſinkenden Göttergeſtalten. (Sie gehen ab.)
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