Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879. Payne. Erst beweist ihr Gott aus der Moral und dann die Moral aus Gott. Ein schöner Cirkelschluß, der sich selbst den Hintern leckt. Was wollt ihr denn mit eurer Moral? Ich weiß nicht, ob es an und für sich was Böses oder was Gutes gibt, und habe deßwegen doch nicht nöthig, meine Handlungsweise zu ändern. Ich handle meiner Natur gemäß; was ihr angemessen, ist für mich gut und ich thue es, und was ihr zuwider, ist für mich bös, und ich thue es nicht und vertheidige mich dagegen, wenn es mir in den Weg kommt. Sie können, wie man so sagt, tugendhaft bleiben und sich gegen das sogenannte Laster wehren, ohne deßwegen Ihren Gegner verachten zu müssen, was ein gar trauriges Gefühl ist. Chaumette. Wahr, sehr wahr! Herault. O Philosoph Anaxagoras, man könnte aber auch sagen: damit Gott Alles sei, müsse er auch sein eignes Gegentheil sein, das heißt vollkommen und unvollkommen, bös und gut, selig und leidend; das Resultat freilich würde gleich Null sein, es würde sich gegenseitig heben, wir kämen zu Nichts. -- Freue dich, du kommst glücklich durch, du kannst ganz ruhig in Madame Momoro das Meisterstück der Natur anbeten; wenigstens hat sie dir die Rosenkränze dazu in den Leisten gelassen. Chaumette. Ich danke Ihnen verbindlichst, meine Herren. (Ab.) Payne. Er traut noch nicht, er wird sich zu guter Letzt noch die Oelung geben, die Füße nach Mekka zu legen, und sich beschneiden lassen, um ja keinen Weg zu verfehlen. (Danton, Lacroix, Camille, Philippeau werden hereingeführt.) Payne. Erſt beweiſt ihr Gott aus der Moral und dann die Moral aus Gott. Ein ſchöner Cirkelſchluß, der ſich ſelbſt den Hintern leckt. Was wollt ihr denn mit eurer Moral? Ich weiß nicht, ob es an und für ſich was Böſes oder was Gutes gibt, und habe deßwegen doch nicht nöthig, meine Handlungsweiſe zu ändern. Ich handle meiner Natur gemäß; was ihr angemeſſen, iſt für mich gut und ich thue es, und was ihr zuwider, iſt für mich bös, und ich thue es nicht und vertheidige mich dagegen, wenn es mir in den Weg kommt. Sie können, wie man ſo ſagt, tugendhaft bleiben und ſich gegen das ſogenannte Laſter wehren, ohne deßwegen Ihren Gegner verachten zu müſſen, was ein gar trauriges Gefühl iſt. Chaumette. Wahr, ſehr wahr! Hérault. O Philoſoph Anaxagoras, man könnte aber auch ſagen: damit Gott Alles ſei, müſſe er auch ſein eignes Gegentheil ſein, das heißt vollkommen und unvollkommen, bös und gut, ſelig und leidend; das Reſultat freilich würde gleich Null ſein, es würde ſich gegenſeitig heben, wir kämen zu Nichts. — Freue dich, du kommſt glücklich durch, du kannſt ganz ruhig in Madame Momoro das Meiſterſtück der Natur anbeten; wenigſtens hat ſie dir die Roſenkränze dazu in den Leiſten gelaſſen. Chaumette. Ich danke Ihnen verbindlichſt, meine Herren. (Ab.) Payne. Er traut noch nicht, er wird ſich zu guter Letzt noch die Oelung geben, die Füße nach Mekka zu legen, und ſich beſchneiden laſſen, um ja keinen Weg zu verfehlen. (Danton, Lacroix, Camille, Philippeau werden hereingeführt.) <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div type="act" n="3"> <div type="scene" n="4"> <pb facs="#f0256" n="60"/> <sp who="#PAY"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Payne.</hi> </hi> </speaker> <p>Erſt beweiſt ihr Gott aus der Moral und<lb/> dann die Moral aus Gott. Ein ſchöner Cirkelſchluß, der<lb/> ſich ſelbſt den Hintern leckt. Was wollt ihr denn mit eurer<lb/> Moral? Ich weiß nicht, ob es an und für ſich was Böſes<lb/> oder was Gutes gibt, und habe deßwegen doch nicht nöthig,<lb/> meine Handlungsweiſe zu ändern. Ich handle meiner Natur<lb/> gemäß; was ihr angemeſſen, iſt für mich gut und ich thue<lb/> es, und was ihr zuwider, iſt für mich bös, und ich thue<lb/> es nicht und vertheidige mich dagegen, wenn es mir in den<lb/> Weg kommt. 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dann die Moral aus Gott. Ein ſchöner Cirkelſchluß, der
ſich ſelbſt den Hintern leckt. Was wollt ihr denn mit eurer
Moral? Ich weiß nicht, ob es an und für ſich was Böſes
oder was Gutes gibt, und habe deßwegen doch nicht nöthig,
meine Handlungsweiſe zu ändern. Ich handle meiner Natur
gemäß; was ihr angemeſſen, iſt für mich gut und ich thue
es, und was ihr zuwider, iſt für mich bös, und ich thue
es nicht und vertheidige mich dagegen, wenn es mir in den
Weg kommt. Sie können, wie man ſo ſagt, tugendhaft
bleiben und ſich gegen das ſogenannte Laſter wehren, ohne
deßwegen Ihren Gegner verachten zu müſſen, was ein gar
trauriges Gefühl iſt.
Chaumette. Wahr, ſehr wahr!
Hérault. O Philoſoph Anaxagoras, man könnte aber
auch ſagen: damit Gott Alles ſei, müſſe er auch ſein eignes
Gegentheil ſein, das heißt vollkommen und unvollkommen,
bös und gut, ſelig und leidend; das Reſultat freilich würde
gleich Null ſein, es würde ſich gegenſeitig heben, wir kämen
zu Nichts. — Freue dich, du kommſt glücklich durch, du
kannſt ganz ruhig in Madame Momoro das Meiſterſtück der
Natur anbeten; wenigſtens hat ſie dir die Roſenkränze dazu
in den Leiſten gelaſſen.
Chaumette. Ich danke Ihnen verbindlichſt, meine
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