Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879.
Vorhergehenden nach also auch ihren Grund in sich oder in etwas haben muß, das nicht Gott ist, so kann es keinen Gott geben. Quod erat demonstrandum. Chaumette. Ei wahrhaftig, das gibt mir wieder Licht, ich danke, ich danke. Mercier. Halten Sie, Payne! Wenn aber die Schöpfung nun ewig ist?! Payne. Dann ist sie schon keine Schöpfung mehr, dann ist sie Eins mit Gott oder ein Attribut desselben, wie Spinoza sagt, dann ist Gott in Allem, in Ihnen, Werthester, im Philosophen Anaxagoras und in mir. Das wäre so übel nicht, aber Sie müssen mir zugestehen, daß es gerade nicht viel um die himmlische Majestät ist, wenn der liebe Herrgott in jedem von uns Zahnweh kriegen, den Aussatz haben, lebendig begraben werden, oder wenigstens die sehr unangenehmen Vorstellungen davon haben kann. Mercier. Aber eine Ursache muß doch da sein? Payne. Wer leugnet das? Aber wer sagt Ihnen denn, daß diese Ursache das sei, was wir uns als Gott, das heißt als das Vollkommenste denken? Halten Sie die Welt für vollkommen? Mercier. Nein. Payne. Wie wollen Sie denn aus einer unvollkom- menen Wirkung auf eine vollkommene Ursache schließen? -- Voltaire wagte es eben so wenig, es mit Gott, als mit den Königen zu verderben, deßwegen that er es. Wer einmal nichts hat, als Verstand, und ihn nicht einmal consequent zu gebrauchen weiß oder wagt, ist ein Stümper. Mercier. Ich frage dagegen, kann eine vollkommene Ursache eine vollkommene Wirkung haben, das heißt, kann
Vorhergehenden nach alſo auch ihren Grund in ſich oder in etwas haben muß, das nicht Gott iſt, ſo kann es keinen Gott geben. Quod erat demonstrandum. Chaumette. Ei wahrhaftig, das gibt mir wieder Licht, ich danke, ich danke. Mercier. Halten Sie, Payne! Wenn aber die Schöpfung nun ewig iſt?! Payne. Dann iſt ſie ſchon keine Schöpfung mehr, dann iſt ſie Eins mit Gott oder ein Attribut deſſelben, wie Spinoza ſagt, dann iſt Gott in Allem, in Ihnen, Wertheſter, im Philoſophen Anaxagoras und in mir. Das wäre ſo übel nicht, aber Sie müſſen mir zugeſtehen, daß es gerade nicht viel um die himmliſche Majeſtät iſt, wenn der liebe Herrgott in jedem von uns Zahnweh kriegen, den Ausſatz haben, lebendig begraben werden, oder wenigſtens die ſehr unangenehmen Vorſtellungen davon haben kann. Mercier. Aber eine Urſache muß doch da ſein? Payne. Wer leugnet das? Aber wer ſagt Ihnen denn, daß dieſe Urſache das ſei, was wir uns als Gott, das heißt als das Vollkommenſte denken? Halten Sie die Welt für vollkommen? Mercier. Nein. Payne. Wie wollen Sie denn aus einer unvollkom- menen Wirkung auf eine vollkommene Urſache ſchließen? — Voltaire wagte es eben ſo wenig, es mit Gott, als mit den Königen zu verderben, deßwegen that er es. Wer einmal nichts hat, als Verſtand, und ihn nicht einmal conſequent zu gebrauchen weiß oder wagt, iſt ein Stümper. Mercier. Ich frage dagegen, kann eine vollkommene Urſache eine vollkommene Wirkung haben, das heißt, kann <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div type="act" n="3"> <div type="scene" n="4"> <sp who="#PAY"> <p><pb facs="#f0254" n="58"/> Vorhergehenden nach alſo auch ihren Grund in ſich oder in<lb/> etwas haben muß, das nicht Gott iſt, ſo kann es keinen<lb/> Gott geben. <hi rendition="#aq">Quod erat demonstrandum.</hi></p> </sp><lb/> <sp who="#CHA"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Chaumette.</hi> </hi> </speaker> <p>Ei wahrhaftig, das gibt mir wieder Licht,<lb/> ich danke, ich danke.</p> </sp><lb/> <sp who="#MERCIER"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Mercier.</hi> </hi> </speaker> <p>Halten Sie, Payne! Wenn aber die Schöpfung<lb/> nun ewig iſt?!</p> </sp><lb/> <sp who="#PAY"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Payne.</hi> </hi> </speaker> <p>Dann iſt ſie ſchon keine Schöpfung mehr,<lb/> dann iſt ſie Eins mit Gott oder ein Attribut deſſelben, wie<lb/> Spinoza ſagt, dann iſt Gott in Allem, in Ihnen, Wertheſter,<lb/> im Philoſophen Anaxagoras und in mir. Das wäre ſo<lb/> übel nicht, aber Sie müſſen mir zugeſtehen, daß es gerade<lb/> nicht viel um die himmliſche Majeſtät iſt, wenn der liebe<lb/> Herrgott in jedem von uns Zahnweh kriegen, den Ausſatz<lb/> haben, lebendig begraben werden, oder wenigſtens die ſehr<lb/> unangenehmen Vorſtellungen davon haben kann.</p> </sp><lb/> <sp who="#MERCIER"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Mercier.</hi> </hi> </speaker> <p>Aber eine Urſache muß doch da ſein?</p> </sp><lb/> <sp who="#PAY"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Payne.</hi> </hi> </speaker> <p>Wer leugnet das? Aber wer ſagt Ihnen denn,<lb/> daß dieſe Urſache das ſei, was wir uns als Gott, das heißt<lb/> als das Vollkommenſte denken? Halten Sie die Welt für<lb/> vollkommen?</p> </sp><lb/> <sp who="#MERCIER"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Mercier.</hi> </hi> </speaker> <p>Nein.</p> </sp><lb/> <sp who="#PAY"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Payne.</hi> </hi> </speaker> <p>Wie wollen Sie denn aus einer unvollkom-<lb/> menen Wirkung auf eine vollkommene Urſache ſchließen? —<lb/> Voltaire wagte es eben ſo wenig, es mit Gott, als mit den<lb/> Königen zu verderben, deßwegen that er es. Wer einmal<lb/> nichts hat, als Verſtand, und ihn nicht einmal conſequent<lb/> zu gebrauchen weiß oder wagt, iſt ein Stümper.</p> </sp><lb/> <sp who="#MERCIER"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Mercier.</hi> </hi> </speaker> <p>Ich frage dagegen, kann eine vollkommene<lb/> Urſache eine vollkommene Wirkung haben, das heißt, kann<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [58/0254]
Vorhergehenden nach alſo auch ihren Grund in ſich oder in
etwas haben muß, das nicht Gott iſt, ſo kann es keinen
Gott geben. Quod erat demonstrandum.
Chaumette. Ei wahrhaftig, das gibt mir wieder Licht,
ich danke, ich danke.
Mercier. Halten Sie, Payne! Wenn aber die Schöpfung
nun ewig iſt?!
Payne. Dann iſt ſie ſchon keine Schöpfung mehr,
dann iſt ſie Eins mit Gott oder ein Attribut deſſelben, wie
Spinoza ſagt, dann iſt Gott in Allem, in Ihnen, Wertheſter,
im Philoſophen Anaxagoras und in mir. Das wäre ſo
übel nicht, aber Sie müſſen mir zugeſtehen, daß es gerade
nicht viel um die himmliſche Majeſtät iſt, wenn der liebe
Herrgott in jedem von uns Zahnweh kriegen, den Ausſatz
haben, lebendig begraben werden, oder wenigſtens die ſehr
unangenehmen Vorſtellungen davon haben kann.
Mercier. Aber eine Urſache muß doch da ſein?
Payne. Wer leugnet das? Aber wer ſagt Ihnen denn,
daß dieſe Urſache das ſei, was wir uns als Gott, das heißt
als das Vollkommenſte denken? Halten Sie die Welt für
vollkommen?
Mercier. Nein.
Payne. Wie wollen Sie denn aus einer unvollkom-
menen Wirkung auf eine vollkommene Urſache ſchließen? —
Voltaire wagte es eben ſo wenig, es mit Gott, als mit den
Königen zu verderben, deßwegen that er es. Wer einmal
nichts hat, als Verſtand, und ihn nicht einmal conſequent
zu gebrauchen weiß oder wagt, iſt ein Stümper.
Mercier. Ich frage dagegen, kann eine vollkommene
Urſache eine vollkommene Wirkung haben, das heißt, kann
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Zitationshilfe: | Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/254>, abgerufen am 16.07.2024. |