Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879.

Bild:
<< vorherige Seite
Man will euch Furcht einflößen vor dem Mißbrauche einer
Gewalt, die ihr selbst ausgeübt hat. Man schreit über den
Despotismus der Ausschüsse, als ob das Vertrauen, welches
das Volk euch geschenkt, und das ihr diesen Ausschüssen über-
tragen habt, nicht eine sichere Garantie ihres Patriotismus
wäre. Man stellt sich, als zittre man. Aber ich sage euch,
wer in diesem Augenblicke zittert, ist schuldig, denn nie zittert
die Unschuld vor der öffentlichen Wachsamkeit. (Allgemeiner
Beifall.)
Man hat auch mich schrecken wollen; man gab mir
zu verstehen, daß die Gefahr, indem sie sich Danton nähere,
auch bis zu mir dringen könne. -- Man schrieb mir, Dan-
ton's Freunde hielten mich umlagert, in der Meinung, die
Erinnerung an eine alte Verbindung, der blinde Glaube an
erheuchelte Tugenden könnten mich bestimmen, meinen Eifer
und meine Leidenschaften für die Freiheit zu mäßigen. --
So erkläre ich denn: nichts soll mich aufhalten, und sollte
auch Danton's Gefahr die meinige werden. Wir haben alle
etwas Muth und etwas Seelengröße nöthig. Nur Verbrecher
und gemeine Seelen fürchten, Ihresgleichen an ihrer Seite
fallen zu sehen, weil sie, wenn keine Schaar von Mitschul-
digen sie mehr versteckt, sich dem Lichte der Wahrheit aus-
gesetzt sehen. Aber wenn es dergleichen Seelen in dieser
Versammlung gibt, so gibt es in ihr auch heroische. Die
Zahl der Schurken ist nicht groß; wir haben nur wenige
Köpfe zu treffen und das Vaterland ist gerettet. (Beifall.) Ich
verlange, daß Legendre's Vorschlag zurückgewiesen werde.

(Die Delegirten erheben sich sämmtlich zum Zeichen
allgemeiner Beistimmung.)
St. Just. Es scheint in dieser Versammlung einige
empfindliche Ohren zu geben, die das Wort: Blut nicht wohl
Man will euch Furcht einflößen vor dem Mißbrauche einer
Gewalt, die ihr ſelbſt ausgeübt hat. Man ſchreit über den
Deſpotismus der Ausſchüſſe, als ob das Vertrauen, welches
das Volk euch geſchenkt, und das ihr dieſen Ausſchüſſen über-
tragen habt, nicht eine ſichere Garantie ihres Patriotismus
wäre. Man ſtellt ſich, als zittre man. Aber ich ſage euch,
wer in dieſem Augenblicke zittert, iſt ſchuldig, denn nie zittert
die Unſchuld vor der öffentlichen Wachſamkeit. (Allgemeiner
Beifall.)
Man hat auch mich ſchrecken wollen; man gab mir
zu verſtehen, daß die Gefahr, indem ſie ſich Danton nähere,
auch bis zu mir dringen könne. — Man ſchrieb mir, Dan-
ton's Freunde hielten mich umlagert, in der Meinung, die
Erinnerung an eine alte Verbindung, der blinde Glaube an
erheuchelte Tugenden könnten mich beſtimmen, meinen Eifer
und meine Leidenſchaften für die Freiheit zu mäßigen. —
So erkläre ich denn: nichts ſoll mich aufhalten, und ſollte
auch Danton's Gefahr die meinige werden. Wir haben alle
etwas Muth und etwas Seelengröße nöthig. Nur Verbrecher
und gemeine Seelen fürchten, Ihresgleichen an ihrer Seite
fallen zu ſehen, weil ſie, wenn keine Schaar von Mitſchul-
digen ſie mehr verſteckt, ſich dem Lichte der Wahrheit aus-
geſetzt ſehen. Aber wenn es dergleichen Seelen in dieſer
Verſammlung gibt, ſo gibt es in ihr auch heroiſche. Die
Zahl der Schurken iſt nicht groß; wir haben nur wenige
Köpfe zu treffen und das Vaterland iſt gerettet. (Beifall.) Ich
verlange, daß Legendre's Vorſchlag zurückgewieſen werde.

(Die Delegirten erheben ſich ſämmtlich zum Zeichen
allgemeiner Beiſtimmung.)
St. Juſt. Es ſcheint in dieſer Verſammlung einige
empfindliche Ohren zu geben, die das Wort: Blut nicht wohl
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div type="act" n="3">
            <div type="scene" n="4">
              <sp who="#ROB">
                <p><pb facs="#f0250" n="54"/>
Man will euch Furcht einflößen vor dem Mißbrauche einer<lb/>
Gewalt, die ihr &#x017F;elb&#x017F;t ausgeübt hat. Man &#x017F;chreit über den<lb/>
De&#x017F;potismus der Aus&#x017F;chü&#x017F;&#x017F;e, als ob das Vertrauen, welches<lb/>
das Volk euch ge&#x017F;chenkt, und das ihr die&#x017F;en Aus&#x017F;chü&#x017F;&#x017F;en über-<lb/>
tragen habt, nicht eine &#x017F;ichere Garantie ihres Patriotismus<lb/>
wäre. Man &#x017F;tellt &#x017F;ich, als zittre man. Aber ich &#x017F;age euch,<lb/>
wer in die&#x017F;em Augenblicke zittert, i&#x017F;t &#x017F;chuldig, denn nie zittert<lb/>
die Un&#x017F;chuld vor der öffentlichen Wach&#x017F;amkeit. <stage>(Allgemeiner<lb/>
Beifall.)</stage> Man hat auch mich &#x017F;chrecken wollen; man gab mir<lb/>
zu ver&#x017F;tehen, daß die Gefahr, indem &#x017F;ie &#x017F;ich Danton nähere,<lb/>
auch bis zu mir dringen könne. &#x2014; Man &#x017F;chrieb mir, Dan-<lb/>
ton's Freunde hielten mich umlagert, in der Meinung, die<lb/>
Erinnerung an eine alte Verbindung, der blinde Glaube an<lb/>
erheuchelte Tugenden könnten mich be&#x017F;timmen, meinen Eifer<lb/>
und meine Leiden&#x017F;chaften für die Freiheit zu mäßigen. &#x2014;<lb/>
So erkläre ich denn: nichts &#x017F;oll mich aufhalten, und &#x017F;ollte<lb/>
auch Danton's Gefahr die meinige werden. Wir haben alle<lb/>
etwas Muth und etwas Seelengröße nöthig. Nur Verbrecher<lb/>
und gemeine Seelen fürchten, Ihresgleichen an ihrer Seite<lb/>
fallen zu &#x017F;ehen, weil &#x017F;ie, wenn keine Schaar von Mit&#x017F;chul-<lb/>
digen &#x017F;ie mehr ver&#x017F;teckt, &#x017F;ich dem Lichte der Wahrheit aus-<lb/>
ge&#x017F;etzt &#x017F;ehen. Aber wenn es dergleichen Seelen in die&#x017F;er<lb/>
Ver&#x017F;ammlung gibt, &#x017F;o gibt es in ihr auch heroi&#x017F;che. Die<lb/>
Zahl der Schurken i&#x017F;t nicht groß; wir haben nur wenige<lb/>
Köpfe zu treffen und das Vaterland i&#x017F;t gerettet. <stage>(Beifall.)</stage> Ich<lb/>
verlange, daß Legendre's Vor&#x017F;chlag zurückgewie&#x017F;en werde.</p><lb/>
                <stage>(Die Delegirten erheben &#x017F;ich &#x017F;ämmtlich zum Zeichen<lb/>
allgemeiner Bei&#x017F;timmung.)</stage>
              </sp><lb/>
              <sp who="#ST ">
                <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">St. Ju&#x017F;t.</hi> </hi> </speaker>
                <p>Es &#x017F;cheint in die&#x017F;er Ver&#x017F;ammlung einige<lb/>
empfindliche Ohren zu geben, die das Wort: Blut nicht wohl<lb/></p>
              </sp>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[54/0250] Man will euch Furcht einflößen vor dem Mißbrauche einer Gewalt, die ihr ſelbſt ausgeübt hat. Man ſchreit über den Deſpotismus der Ausſchüſſe, als ob das Vertrauen, welches das Volk euch geſchenkt, und das ihr dieſen Ausſchüſſen über- tragen habt, nicht eine ſichere Garantie ihres Patriotismus wäre. Man ſtellt ſich, als zittre man. Aber ich ſage euch, wer in dieſem Augenblicke zittert, iſt ſchuldig, denn nie zittert die Unſchuld vor der öffentlichen Wachſamkeit. (Allgemeiner Beifall.) Man hat auch mich ſchrecken wollen; man gab mir zu verſtehen, daß die Gefahr, indem ſie ſich Danton nähere, auch bis zu mir dringen könne. — Man ſchrieb mir, Dan- ton's Freunde hielten mich umlagert, in der Meinung, die Erinnerung an eine alte Verbindung, der blinde Glaube an erheuchelte Tugenden könnten mich beſtimmen, meinen Eifer und meine Leidenſchaften für die Freiheit zu mäßigen. — So erkläre ich denn: nichts ſoll mich aufhalten, und ſollte auch Danton's Gefahr die meinige werden. Wir haben alle etwas Muth und etwas Seelengröße nöthig. Nur Verbrecher und gemeine Seelen fürchten, Ihresgleichen an ihrer Seite fallen zu ſehen, weil ſie, wenn keine Schaar von Mitſchul- digen ſie mehr verſteckt, ſich dem Lichte der Wahrheit aus- geſetzt ſehen. Aber wenn es dergleichen Seelen in dieſer Verſammlung gibt, ſo gibt es in ihr auch heroiſche. Die Zahl der Schurken iſt nicht groß; wir haben nur wenige Köpfe zu treffen und das Vaterland iſt gerettet. (Beifall.) Ich verlange, daß Legendre's Vorſchlag zurückgewieſen werde. (Die Delegirten erheben ſich ſämmtlich zum Zeichen allgemeiner Beiſtimmung.) St. Juſt. Es ſcheint in dieſer Verſammlung einige empfindliche Ohren zu geben, die das Wort: Blut nicht wohl

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/250
Zitationshilfe: Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/250>, abgerufen am 21.11.2024.