Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879.

Bild:
<< vorherige Seite
Danton. Und Adelaide ist sittsam-interessant geworden;
eine pikante Abwechslung. Ihr Gesicht sieht aus wie ein
Feigenblatt, das sie sich vor den ganzen Leib hält. So ein
Feigenbaum an einer so gangbaren Straße gibt einen er-
quicklichen Schatten.
Adelaide. Ich wäre ein Heerdweg, wenn Monsieur --
Danton. Ich verstehe; nur nicht böse, mein Fräulein!
Lacroix. So höre doch; ein moderner Adonis wird
nicht von einem Eber, sondern von Säuen zerrissen; er be-
kommt seine Wunde nicht am Schenkel, sondern in den
Leisten, und aus seinem Blute sprossen nicht Rosen hervor,
sondern schießen Quecksilberblüthen an.
Danton. O laß das; Fräulein Rosalie ist ein restau-
rirter Torso, woran nur die Hüften und Füße antik sind.
Sie ist eine Magnetnadel; was der Pol-Kopf abstößt, zieht
der Pol-Fuß an; die Mitte ist ein Aequator, wo jeder die
Sublimattaufe nöthig hat, der zum Erstenmal die Linie
passirt.
Lacroix. Zwei barmherzige Schwestern; jede dient in
einem Spital, d. h. in ihrem eignen Körper.
Rosalie. Schämen Sie sich, unsere Ohren roth zu
machen!
Adelaide. Sie sollten mehr Lebensart haben.
(Adelaide und Rosalie ab.)
Danton. Gute Nacht, ihr hübschen Kinder!
Lacroix. Gute Nacht, ihr Quecksilber-Gruben.
Danton. Sie dauern mich, sie kommen um ihr Nacht-
essen.
Lacroix. Höre, Danton, ich komme von den Jakobinern.
Danton. Nichts weiter?

Danton. Und Adelaide iſt ſittſam-intereſſant geworden;
eine pikante Abwechslung. Ihr Geſicht ſieht aus wie ein
Feigenblatt, das ſie ſich vor den ganzen Leib hält. So ein
Feigenbaum an einer ſo gangbaren Straße gibt einen er-
quicklichen Schatten.
Adelaide. Ich wäre ein Heerdweg, wenn Monſieur —
Danton. Ich verſtehe; nur nicht böſe, mein Fräulein!
Lacroix. So höre doch; ein moderner Adonis wird
nicht von einem Eber, ſondern von Säuen zerriſſen; er be-
kommt ſeine Wunde nicht am Schenkel, ſondern in den
Leiſten, und aus ſeinem Blute ſproſſen nicht Roſen hervor,
ſondern ſchießen Queckſilberblüthen an.
Danton. O laß das; Fräulein Roſalie iſt ein reſtau-
rirter Torſo, woran nur die Hüften und Füße antik ſind.
Sie iſt eine Magnetnadel; was der Pol-Kopf abſtößt, zieht
der Pol-Fuß an; die Mitte iſt ein Aequator, wo jeder die
Sublimattaufe nöthig hat, der zum Erſtenmal die Linie
paſſirt.
Lacroix. Zwei barmherzige Schweſtern; jede dient in
einem Spital, d. h. in ihrem eignen Körper.
Roſalie. Schämen Sie ſich, unſere Ohren roth zu
machen!
Adelaide. Sie ſollten mehr Lebensart haben.
(Adelaide und Roſalie ab.)
Danton. Gute Nacht, ihr hübſchen Kinder!
Lacroix. Gute Nacht, ihr Queckſilber-Gruben.
Danton. Sie dauern mich, ſie kommen um ihr Nacht-
eſſen.
Lacroix. Höre, Danton, ich komme von den Jakobinern.
Danton. Nichts weiter?

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div type="act" n="3">
            <div type="scene" n="4">
              <pb facs="#f0222" n="26"/>
              <sp who="#DANTON">
                <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Danton.</hi> </hi> </speaker>
                <p>Und Adelaide i&#x017F;t &#x017F;itt&#x017F;am-intere&#x017F;&#x017F;ant geworden;<lb/>
eine pikante Abwechslung. Ihr Ge&#x017F;icht &#x017F;ieht aus wie ein<lb/>
Feigenblatt, das &#x017F;ie &#x017F;ich vor den ganzen Leib hält. So ein<lb/>
Feigenbaum an einer &#x017F;o gangbaren Straße gibt einen er-<lb/>
quicklichen Schatten.</p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#ADE">
                <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Adelaide.</hi> </hi> </speaker>
                <p>Ich wäre ein Heerdweg, wenn Mon&#x017F;ieur &#x2014;</p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#DANTON">
                <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Danton.</hi> </hi> </speaker>
                <p>Ich ver&#x017F;tehe; nur nicht bö&#x017F;e, mein Fräulein!</p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#LAC">
                <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Lacroix.</hi> </hi> </speaker>
                <p>So höre doch; ein moderner Adonis wird<lb/>
nicht von einem Eber, &#x017F;ondern von Säuen zerri&#x017F;&#x017F;en; er be-<lb/>
kommt &#x017F;eine Wunde nicht am Schenkel, &#x017F;ondern in den<lb/>
Lei&#x017F;ten, und aus &#x017F;einem Blute &#x017F;pro&#x017F;&#x017F;en nicht Ro&#x017F;en hervor,<lb/>
&#x017F;ondern &#x017F;chießen Queck&#x017F;ilberblüthen an.</p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#DANTON">
                <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Danton.</hi> </hi> </speaker>
                <p>O laß das; Fräulein Ro&#x017F;alie i&#x017F;t ein re&#x017F;tau-<lb/>
rirter Tor&#x017F;o, woran nur die Hüften und Füße antik &#x017F;ind.<lb/>
Sie i&#x017F;t eine Magnetnadel; was der Pol-Kopf ab&#x017F;tößt, zieht<lb/>
der Pol-Fuß an; die Mitte i&#x017F;t ein Aequator, wo jeder die<lb/>
Sublimattaufe nöthig hat, der zum Er&#x017F;tenmal die Linie<lb/>
pa&#x017F;&#x017F;irt.</p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#LAC">
                <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Lacroix.</hi> </hi> </speaker>
                <p>Zwei barmherzige Schwe&#x017F;tern; jede dient in<lb/>
einem Spital, d. h. in ihrem eignen Körper.</p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#ROSALIE">
                <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Ro&#x017F;alie.</hi> </hi> </speaker>
                <p>Schämen Sie &#x017F;ich, un&#x017F;ere Ohren roth zu<lb/>
machen!</p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#ADE">
                <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Adelaide.</hi> </hi> </speaker>
                <p>Sie &#x017F;ollten mehr Lebensart haben.</p><lb/>
                <stage>(<hi rendition="#fr"><hi rendition="#b">Adelaide</hi></hi> und <hi rendition="#fr"><hi rendition="#b">Ro&#x017F;alie</hi></hi> ab.)</stage>
              </sp><lb/>
              <sp who="#DANTON">
                <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Danton.</hi> </hi> </speaker>
                <p>Gute Nacht, ihr hüb&#x017F;chen Kinder!</p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#LAC">
                <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Lacroix.</hi> </hi> </speaker>
                <p>Gute Nacht, ihr Queck&#x017F;ilber-Gruben.</p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#DANTON">
                <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Danton.</hi> </hi> </speaker>
                <p>Sie dauern mich, &#x017F;ie kommen um ihr Nacht-<lb/>
e&#x017F;&#x017F;en.</p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#LAC">
                <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Lacroix.</hi> </hi> </speaker>
                <p>Höre, Danton, ich komme von den Jakobinern.</p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#DANTON">
                <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Danton.</hi> </hi> </speaker>
                <p>Nichts weiter?</p>
              </sp><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[26/0222] Danton. Und Adelaide iſt ſittſam-intereſſant geworden; eine pikante Abwechslung. Ihr Geſicht ſieht aus wie ein Feigenblatt, das ſie ſich vor den ganzen Leib hält. So ein Feigenbaum an einer ſo gangbaren Straße gibt einen er- quicklichen Schatten. Adelaide. Ich wäre ein Heerdweg, wenn Monſieur — Danton. Ich verſtehe; nur nicht böſe, mein Fräulein! Lacroix. So höre doch; ein moderner Adonis wird nicht von einem Eber, ſondern von Säuen zerriſſen; er be- kommt ſeine Wunde nicht am Schenkel, ſondern in den Leiſten, und aus ſeinem Blute ſproſſen nicht Roſen hervor, ſondern ſchießen Queckſilberblüthen an. Danton. O laß das; Fräulein Roſalie iſt ein reſtau- rirter Torſo, woran nur die Hüften und Füße antik ſind. Sie iſt eine Magnetnadel; was der Pol-Kopf abſtößt, zieht der Pol-Fuß an; die Mitte iſt ein Aequator, wo jeder die Sublimattaufe nöthig hat, der zum Erſtenmal die Linie paſſirt. Lacroix. Zwei barmherzige Schweſtern; jede dient in einem Spital, d. h. in ihrem eignen Körper. Roſalie. Schämen Sie ſich, unſere Ohren roth zu machen! Adelaide. Sie ſollten mehr Lebensart haben. (Adelaide und Roſalie ab.) Danton. Gute Nacht, ihr hübſchen Kinder! Lacroix. Gute Nacht, ihr Queckſilber-Gruben. Danton. Sie dauern mich, ſie kommen um ihr Nacht- eſſen. Lacroix. Höre, Danton, ich komme von den Jakobinern. Danton. Nichts weiter?

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/222
Zitationshilfe: Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/222>, abgerufen am 24.11.2024.