Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879.
tinen-Thermometer darf nicht fallen; noch wenige Grade, und der Wohlfahrts-Ausschuß kann sich sein Bett auf dem Revolutionsplatz suchen. Legendre. Was haben damit meine Büsten zu schaffen? Lacroix. Siehst du es noch nicht? Du hast die Contre- Revolution officiell bekannt gemacht, du hast die Decemvirn zur Energie gezwungen, du hast ihnen die Hand geführt. Das Volk ist ein Minotaurus, der wöchentlich seine Leichen haben muß, wenn er sie nicht auffressen soll. Legendre. Wo ist Danton? Lacroix. Was weiß ich! Er sucht eben die mediceische Venus stückweise bei allen Grisetten im Palais-Royal zu- sammen; er macht Mosaik, wie er sagt. Der Himmel weiß, bei welchem Glied er gerade ist. Es ist ein Jammer, daß die Natur die Schönheit, wie Medea ihren Bruder, zerstückt und sie so in Fragmenten in die Körper gesenkt hat. -- Gehn wir ins Palais-Royal! (Beide ab.) Ein Zimmer. Danton. Marion. Marion. Nein, laß mich! So zu deinen Füßen. Ich will dir erzählen! Danton. Du könntest deine Lippen besser gebrauchen. Marion. Nein, laß mich einmal so. Ich bin aus guter Familie. Meine Mutter war eine kluge Frau, sie gab mir eine sorgfältige Erziehung, sie sagte mir immer: die Keuschheit sei eine schöne Tugend. Wenn Leute ins Haus
tinen-Thermometer darf nicht fallen; noch wenige Grade, und der Wohlfahrts-Ausſchuß kann ſich ſein Bett auf dem Revolutionsplatz ſuchen. Legendre. Was haben damit meine Büſten zu ſchaffen? Lacroix. Siehſt du es noch nicht? Du haſt die Contre- Revolution officiell bekannt gemacht, du haſt die Decemvirn zur Energie gezwungen, du haſt ihnen die Hand geführt. Das Volk iſt ein Minotaurus, der wöchentlich ſeine Leichen haben muß, wenn er ſie nicht auffreſſen ſoll. Legendre. Wo iſt Danton? Lacroix. Was weiß ich! Er ſucht eben die mediceiſche Venus ſtückweiſe bei allen Griſetten im Palais-Royal zu- ſammen; er macht Moſaik, wie er ſagt. Der Himmel weiß, bei welchem Glied er gerade iſt. Es iſt ein Jammer, daß die Natur die Schönheit, wie Medea ihren Bruder, zerſtückt und ſie ſo in Fragmenten in die Körper geſenkt hat. — Gehn wir ins Palais-Royal! (Beide ab.) Ein Zimmer. Danton. Marion. Marion. Nein, laß mich! So zu deinen Füßen. Ich will dir erzählen! Danton. Du könnteſt deine Lippen beſſer gebrauchen. Marion. Nein, laß mich einmal ſo. Ich bin aus guter Familie. Meine Mutter war eine kluge Frau, ſie gab mir eine ſorgfältige Erziehung, ſie ſagte mir immer: die Keuſchheit ſei eine ſchöne Tugend. Wenn Leute ins Haus <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div type="act" n="3"> <div type="scene" n="4"> <sp who="#LAC"> <p><pb facs="#f0218" n="22"/> tinen-Thermometer darf nicht fallen; noch wenige Grade,<lb/> und der Wohlfahrts-Ausſchuß kann ſich ſein Bett auf dem<lb/> Revolutionsplatz ſuchen.</p> </sp><lb/> <sp who="#LEG"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Legendre.</hi> </hi> </speaker> <p>Was haben damit meine Büſten zu ſchaffen?</p> </sp><lb/> <sp who="#LAC"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Lacroix.</hi> </hi> </speaker> <p>Siehſt du es noch nicht? Du haſt die Contre-<lb/> Revolution officiell bekannt gemacht, du haſt die Decemvirn<lb/> zur Energie gezwungen, du haſt ihnen die Hand geführt.<lb/> Das Volk iſt ein Minotaurus, der wöchentlich ſeine Leichen<lb/> haben muß, wenn er ſie nicht auffreſſen ſoll.</p> </sp><lb/> <sp who="#LEG"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Legendre.</hi> </hi> </speaker> <p>Wo iſt Danton?</p> </sp><lb/> <sp who="#LAC"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Lacroix.</hi> </hi> </speaker> <p>Was weiß ich! Er ſucht eben die mediceiſche<lb/> Venus ſtückweiſe bei allen Griſetten im Palais-Royal zu-<lb/> ſammen; er macht Moſaik, wie er ſagt. Der Himmel weiß,<lb/> bei welchem Glied er gerade iſt. Es iſt ein Jammer, daß<lb/> die Natur die Schönheit, wie Medea ihren Bruder, zerſtückt<lb/> und ſie ſo in Fragmenten in die Körper geſenkt hat. —<lb/> Gehn wir ins Palais-Royal!</p> <stage> <hi rendition="#et">(Beide ab.)</hi> </stage> </sp> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div type="scene" n="4"> <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Ein Zimmer</hi>.</hi> </hi> </hi> </head><lb/> <stage> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Danton. Marion.</hi> </hi> </hi> </stage><lb/> <sp who="#MARION"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Marion.</hi> </hi> </speaker> <p>Nein, laß mich! So zu deinen Füßen. Ich<lb/> will dir erzählen!</p> </sp><lb/> <sp who="#DANTON"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Danton.</hi> </hi> </speaker> <p>Du könnteſt deine Lippen beſſer gebrauchen.</p> </sp><lb/> <sp who="#MARION"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Marion.</hi> </hi> </speaker> <p>Nein, laß mich einmal ſo. Ich bin aus<lb/> guter Familie. Meine Mutter war eine kluge Frau, ſie<lb/> gab mir eine ſorgfältige Erziehung, ſie ſagte mir immer:<lb/> die Keuſchheit ſei eine ſchöne Tugend. Wenn Leute ins Haus<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [22/0218]
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und der Wohlfahrts-Ausſchuß kann ſich ſein Bett auf dem
Revolutionsplatz ſuchen.
Legendre. Was haben damit meine Büſten zu ſchaffen?
Lacroix. Siehſt du es noch nicht? Du haſt die Contre-
Revolution officiell bekannt gemacht, du haſt die Decemvirn
zur Energie gezwungen, du haſt ihnen die Hand geführt.
Das Volk iſt ein Minotaurus, der wöchentlich ſeine Leichen
haben muß, wenn er ſie nicht auffreſſen ſoll.
Legendre. Wo iſt Danton?
Lacroix. Was weiß ich! Er ſucht eben die mediceiſche
Venus ſtückweiſe bei allen Griſetten im Palais-Royal zu-
ſammen; er macht Moſaik, wie er ſagt. Der Himmel weiß,
bei welchem Glied er gerade iſt. Es iſt ein Jammer, daß
die Natur die Schönheit, wie Medea ihren Bruder, zerſtückt
und ſie ſo in Fragmenten in die Körper geſenkt hat. —
Gehn wir ins Palais-Royal! (Beide ab.)
Ein Zimmer.
Danton. Marion.
Marion. Nein, laß mich! So zu deinen Füßen. Ich
will dir erzählen!
Danton. Du könnteſt deine Lippen beſſer gebrauchen.
Marion. Nein, laß mich einmal ſo. Ich bin aus
guter Familie. Meine Mutter war eine kluge Frau, ſie
gab mir eine ſorgfältige Erziehung, ſie ſagte mir immer:
die Keuſchheit ſei eine ſchöne Tugend. Wenn Leute ins Haus
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