des Vaters oder andere Störung: er war der Einzige, der um die Arbeit wußte. Da Georg, je mehr dieselbe fort- schritt, immer verstörter und aufgeregter wurde, so erlaubte sich der jüngere Bruder einmal eine abmahnende Bemerkung. Georg erwiderte heftig, er gehorche seinem innersten Drange und werde sein Werk selbst dann vollenden, wenn es ihm Verderben bringen müßte; übrigens tröste es ihn schon jetzt, indem es seine Aufmerksamkeit von den jämmerlichen Ver- hältnissen um ihn her ablenke, und werde ihm obendrein nach der Vollendung ein schön Stück Geld eintragen, dessen er dringend bedürfe. "Wozu?" fragte Wilhelm. -- "Es soll mir Freiheit und Leben retten!" war die Antwort. Ueb- rigens spielte er damals nur mit dem Gedanken der Flucht -- an eine ernstliche Gefahr glaubte er selbst dann nicht, als er Ende Januar eine zweite Vorladung erhielt, diesmal nach Friedberg. Abermals wurde er nur als Zeuge ver- nommen, höflich behandelt und sofort wieder entlassen. "Sie wissen nichts!" sagte er dem Bruder lachend, als er heim- kehrte, und ahnte nicht, daß ihn abermals nur Kuhl's directe Intervention gerettet hatte. Obwohl dieser nämlich keinerlei Aussagen gegen Büchner gemacht, ja sogar jeden Verdacht von ihm abzulenken versucht, war Rath Georgi doch durch die bisherigen Resultate der Untersuchung zu der Ueberzeugung von Büchners Schuld gekommen und unterließ nur deßhalb die Verhaftung, weil Kuhl feierlich dessen Unschuld declarirte. Zum Ersatz hierfür enthüllte der Mann das Bestehen der Darmstädter Gesellschaft, gab aber weder den Versammlungs- ort noch das Waffendepot an, obwohl ihm Beides wohl be- kannt war, sondern begnügte sich damit, drei jüngere, unbe- deutende Mitglieder zu denunciren. Und so ward Büchner
des Vaters oder andere Störung: er war der Einzige, der um die Arbeit wußte. Da Georg, je mehr dieſelbe fort- ſchritt, immer verſtörter und aufgeregter wurde, ſo erlaubte ſich der jüngere Bruder einmal eine abmahnende Bemerkung. Georg erwiderte heftig, er gehorche ſeinem innerſten Drange und werde ſein Werk ſelbſt dann vollenden, wenn es ihm Verderben bringen müßte; übrigens tröſte es ihn ſchon jetzt, indem es ſeine Aufmerkſamkeit von den jämmerlichen Ver- hältniſſen um ihn her ablenke, und werde ihm obendrein nach der Vollendung ein ſchön Stück Geld eintragen, deſſen er dringend bedürfe. "Wozu?" fragte Wilhelm. — "Es ſoll mir Freiheit und Leben retten!" war die Antwort. Ueb- rigens ſpielte er damals nur mit dem Gedanken der Flucht — an eine ernſtliche Gefahr glaubte er ſelbſt dann nicht, als er Ende Januar eine zweite Vorladung erhielt, diesmal nach Friedberg. Abermals wurde er nur als Zeuge ver- nommen, höflich behandelt und ſofort wieder entlaſſen. "Sie wiſſen nichts!" ſagte er dem Bruder lachend, als er heim- kehrte, und ahnte nicht, daß ihn abermals nur Kuhl's directe Intervention gerettet hatte. Obwohl dieſer nämlich keinerlei Ausſagen gegen Büchner gemacht, ja ſogar jeden Verdacht von ihm abzulenken verſucht, war Rath Georgi doch durch die bisherigen Reſultate der Unterſuchung zu der Ueberzeugung von Büchners Schuld gekommen und unterließ nur deßhalb die Verhaftung, weil Kuhl feierlich deſſen Unſchuld declarirte. Zum Erſatz hierfür enthüllte der Mann das Beſtehen der Darmſtädter Geſellſchaft, gab aber weder den Verſammlungs- ort noch das Waffendepôt an, obwohl ihm Beides wohl be- kannt war, ſondern begnügte ſich damit, drei jüngere, unbe- deutende Mitglieder zu denunciren. Und ſo ward Büchner
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[CLVI/0172]
des Vaters oder andere Störung: er war der Einzige, der
um die Arbeit wußte. Da Georg, je mehr dieſelbe fort-
ſchritt, immer verſtörter und aufgeregter wurde, ſo erlaubte
ſich der jüngere Bruder einmal eine abmahnende Bemerkung.
Georg erwiderte heftig, er gehorche ſeinem innerſten Drange
und werde ſein Werk ſelbſt dann vollenden, wenn es ihm
Verderben bringen müßte; übrigens tröſte es ihn ſchon jetzt,
indem es ſeine Aufmerkſamkeit von den jämmerlichen Ver-
hältniſſen um ihn her ablenke, und werde ihm obendrein
nach der Vollendung ein ſchön Stück Geld eintragen, deſſen
er dringend bedürfe. "Wozu?" fragte Wilhelm. — "Es ſoll
mir Freiheit und Leben retten!" war die Antwort. Ueb-
rigens ſpielte er damals nur mit dem Gedanken der Flucht
— an eine ernſtliche Gefahr glaubte er ſelbſt dann nicht,
als er Ende Januar eine zweite Vorladung erhielt, diesmal
nach Friedberg. Abermals wurde er nur als Zeuge ver-
nommen, höflich behandelt und ſofort wieder entlaſſen. "Sie
wiſſen nichts!" ſagte er dem Bruder lachend, als er heim-
kehrte, und ahnte nicht, daß ihn abermals nur Kuhl's directe
Intervention gerettet hatte. Obwohl dieſer nämlich keinerlei
Ausſagen gegen Büchner gemacht, ja ſogar jeden Verdacht
von ihm abzulenken verſucht, war Rath Georgi doch durch
die bisherigen Reſultate der Unterſuchung zu der Ueberzeugung
von Büchners Schuld gekommen und unterließ nur deßhalb
die Verhaftung, weil Kuhl feierlich deſſen Unſchuld declarirte.
Zum Erſatz hierfür enthüllte der Mann das Beſtehen der
Darmſtädter Geſellſchaft, gab aber weder den Verſammlungs-
ort noch das Waffendepôt an, obwohl ihm Beides wohl be-
kannt war, ſondern begnügte ſich damit, drei jüngere, unbe-
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Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. CLVI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/172>, abgerufen am 27.11.2024.
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