Streich in einem satyrischen Gedichte: "Herr du Thil mit der Eisenstirn und Schreinermeister Kraus zu Butzbach" ver- herrlichte, daß ferner Kuhl den Druck dieses Poems auf jener geheimen Presse und dessen Verbreitung veranlaßte, und daß endlich derselbe Kuhl nach einiger Zeit nicht blos den Ort, wo jene Druckerei wirklich stand, bei Marburg in Kurhessen, sondern auch Becker als Absender der falschen Anzeige und jenen Butzbacher als Verfasser der Satyre denuncirte! Wahr- lich, von diesem Manne hätten selbst die "weißen Blousen" Napoleon's III. noch etwas hinzulernen können! Sehr be- zeichnend ist ferner die Art, wie Büchner seinen Eltern jene qualvolle, nächtliche Wanderung von Gießen nach Frankfurt be- richtet: als eine fröhliche Vergnügungstour -- "ich wählte die Nacht der gewaltigen Hitze wegen, und so wanderte ich in der lieb- lichen Kühle unter hellem Sternenhimmel, an dessen fernstem Ho- rizonte ein beständiges Blitzen leuchtete. Theils zu Fuß, theils fahrend mit Postillonen und sonstigem Gesindel legte ich während der Nacht den größten Theil des Weges zurück. Ich ruhte mehrmals unterwegs u. s. w." Man sieht, Büchner versteht nicht blos zu erfinden, sondern auch auszumalen; aus dem wüsten Nachtstück gestaltet sich "in usum -- patris" eine Idylle a la Eichendorff. Auch seinen Aufenthalt in Offenbach motivirt er, "weil es von dieser Seite leichter ist, in die Stadt zu kommen". Der Brief ist in Frankfurt, während des Beisammenseins mit Boeckel geschrieben, der nächste Brief, Gießen, 5. August, muß freilich einen anderen Ton anschlagen, er kann den Eltern die Haussuchung und Vernehmung nicht verschweigen, aber er thut es im Tone ungerecht verfolgter Unschuld. Als er durch weitere drei Tage auf freiem Fuße bleibt, steigert sich seine Zuversicht
Streich in einem ſatyriſchen Gedichte: "Herr du Thil mit der Eiſenſtirn und Schreinermeiſter Kraus zu Butzbach" ver- herrlichte, daß ferner Kuhl den Druck dieſes Poems auf jener geheimen Preſſe und deſſen Verbreitung veranlaßte, und daß endlich derſelbe Kuhl nach einiger Zeit nicht blos den Ort, wo jene Druckerei wirklich ſtand, bei Marburg in Kurheſſen, ſondern auch Becker als Abſender der falſchen Anzeige und jenen Butzbacher als Verfaſſer der Satyre denuncirte! Wahr- lich, von dieſem Manne hätten ſelbſt die "weißen Blouſen" Napoleon's III. noch etwas hinzulernen können! Sehr be- zeichnend iſt ferner die Art, wie Büchner ſeinen Eltern jene qualvolle, nächtliche Wanderung von Gießen nach Frankfurt be- richtet: als eine fröhliche Vergnügungstour — "ich wählte die Nacht der gewaltigen Hitze wegen, und ſo wanderte ich in der lieb- lichen Kühle unter hellem Sternenhimmel, an deſſen fernſtem Ho- rizonte ein beſtändiges Blitzen leuchtete. Theils zu Fuß, theils fahrend mit Poſtillonen und ſonſtigem Geſindel legte ich während der Nacht den größten Theil des Weges zurück. Ich ruhte mehrmals unterwegs u. ſ. w." Man ſieht, Büchner verſteht nicht blos zu erfinden, ſondern auch auszumalen; aus dem wüſten Nachtſtück geſtaltet ſich "in usum — patris" eine Idylle à la Eichendorff. Auch ſeinen Aufenthalt in Offenbach motivirt er, "weil es von dieſer Seite leichter iſt, in die Stadt zu kommen". Der Brief iſt in Frankfurt, während des Beiſammenſeins mit Boeckel geſchrieben, der nächſte Brief, Gießen, 5. Auguſt, muß freilich einen anderen Ton anſchlagen, er kann den Eltern die Hausſuchung und Vernehmung nicht verſchweigen, aber er thut es im Tone ungerecht verfolgter Unſchuld. Als er durch weitere drei Tage auf freiem Fuße bleibt, ſteigert ſich ſeine Zuverſicht
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[CXLII/0158]
Streich in einem ſatyriſchen Gedichte: "Herr du Thil mit
der Eiſenſtirn und Schreinermeiſter Kraus zu Butzbach" ver-
herrlichte, daß ferner Kuhl den Druck dieſes Poems auf jener
geheimen Preſſe und deſſen Verbreitung veranlaßte, und daß
endlich derſelbe Kuhl nach einiger Zeit nicht blos den Ort,
wo jene Druckerei wirklich ſtand, bei Marburg in Kurheſſen,
ſondern auch Becker als Abſender der falſchen Anzeige und
jenen Butzbacher als Verfaſſer der Satyre denuncirte! Wahr-
lich, von dieſem Manne hätten ſelbſt die "weißen Blouſen"
Napoleon's III. noch etwas hinzulernen können! Sehr be-
zeichnend iſt ferner die Art, wie Büchner ſeinen Eltern jene
qualvolle, nächtliche Wanderung von Gießen nach Frankfurt be-
richtet: als eine fröhliche Vergnügungstour — "ich wählte die
Nacht der gewaltigen Hitze wegen, und ſo wanderte ich in der lieb-
lichen Kühle unter hellem Sternenhimmel, an deſſen fernſtem Ho-
rizonte ein beſtändiges Blitzen leuchtete. Theils zu Fuß, theils
fahrend mit Poſtillonen und ſonſtigem Geſindel legte ich
während der Nacht den größten Theil des Weges zurück. Ich
ruhte mehrmals unterwegs u. ſ. w." Man ſieht, Büchner
verſteht nicht blos zu erfinden, ſondern auch auszumalen;
aus dem wüſten Nachtſtück geſtaltet ſich "in usum — patris"
eine Idylle à la Eichendorff. Auch ſeinen Aufenthalt in
Offenbach motivirt er, "weil es von dieſer Seite leichter iſt,
in die Stadt zu kommen". Der Brief iſt in Frankfurt,
während des Beiſammenſeins mit Boeckel geſchrieben, der
nächſte Brief, Gießen, 5. Auguſt, muß freilich einen anderen
Ton anſchlagen, er kann den Eltern die Hausſuchung und
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ungerecht verfolgter Unſchuld. Als er durch weitere drei
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Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. CXLII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/158>, abgerufen am 27.11.2024.
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