nach Darmstadt und Herr du Thil nach Erhalt der Nach- richt eine solche nach Frankfurt abschickte, so gelangte diese Warnung an den regierenden Bürgermeister doch erst am 3. April um 10 Uhr Abends, also zu einer Zeit, wo der Putsch bereits erfolgt war und nur eine halbe Stunde vor dessen völliger Unterdrückung. Kuhl, welcher seit Monaten das Project, seit Tagen die Stunde des Aufruhrs gekannt, hatte die Anzeige deßhalb so spät gemacht, weil es ihm gar nicht darum zu thun war, die Revolution zu hemmen, son- dern nur, von der Regierung Geld zu erhalten. Gleichwohl erwiderte er auf Stein's Frage, warum er nicht früher ge- kommen: er sei zwar sonst in alle Pläne der Verschworenen auf das Genaueste eingeweiht, habe aber gerade dieses Detail nicht früher erfahren können. Obwohl nun Eines von Beiden sichtlich eine Lüge war, obwohl er ferner gleichzeitig für diese Anzeige eine bedeutende Geldsumme forderte und er- hielt, so faßte die Regierung gleichwohl die beste Meinung von seinem Charakter -- oder wie Herr du Thil schreibt -- "durch diese Angabe, der die Bestätigung auf dem Fuße folgte, bewies er sowohl seine Vertrautheit mit den Plänen der Verschwörer, als die Glaubhaftigkeit seiner Aussagen und zeigte sich in dem Lichte eines Mannes, der in red- licher und achtbarer Absicht dazu beitragen wollte, das Unglück zu verhindern, welches Revolutionen stets in ihrem Gefolge führen. Dies war die Meinung, welche Seine Königliche Hoheit der Großherzog und auch ich von ihm faßten". Im Zusammenhalt mit diesem glänzenden Ehren- zeugniß macht das Folgende, was wir nun in den Acten lesen, einen unsäglich komischen Eindruck. Kuhl erbat sich nämlich nun Umschreibung jener Urkunde auf seinen Namen
nach Darmſtadt und Herr du Thil nach Erhalt der Nach- richt eine ſolche nach Frankfurt abſchickte, ſo gelangte dieſe Warnung an den regierenden Bürgermeiſter doch erſt am 3. April um 10 Uhr Abends, alſo zu einer Zeit, wo der Putſch bereits erfolgt war und nur eine halbe Stunde vor deſſen völliger Unterdrückung. Kuhl, welcher ſeit Monaten das Project, ſeit Tagen die Stunde des Aufruhrs gekannt, hatte die Anzeige deßhalb ſo ſpät gemacht, weil es ihm gar nicht darum zu thun war, die Revolution zu hemmen, ſon- dern nur, von der Regierung Geld zu erhalten. Gleichwohl erwiderte er auf Stein's Frage, warum er nicht früher ge- kommen: er ſei zwar ſonſt in alle Pläne der Verſchworenen auf das Genaueſte eingeweiht, habe aber gerade dieſes Detail nicht früher erfahren können. Obwohl nun Eines von Beiden ſichtlich eine Lüge war, obwohl er ferner gleichzeitig für dieſe Anzeige eine bedeutende Geldſumme forderte und er- hielt, ſo faßte die Regierung gleichwohl die beſte Meinung von ſeinem Charakter — oder wie Herr du Thil ſchreibt — "durch dieſe Angabe, der die Beſtätigung auf dem Fuße folgte, bewies er ſowohl ſeine Vertrautheit mit den Plänen der Verſchwörer, als die Glaubhaftigkeit ſeiner Ausſagen und zeigte ſich in dem Lichte eines Mannes, der in red- licher und achtbarer Abſicht dazu beitragen wollte, das Unglück zu verhindern, welches Revolutionen ſtets in ihrem Gefolge führen. Dies war die Meinung, welche Seine Königliche Hoheit der Großherzog und auch ich von ihm faßten". Im Zuſammenhalt mit dieſem glänzenden Ehren- zeugniß macht das Folgende, was wir nun in den Acten leſen, einen unſäglich komiſchen Eindruck. Kuhl erbat ſich nämlich nun Umſchreibung jener Urkunde auf ſeinen Namen
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[CXXXVII/0153]
nach Darmſtadt und Herr du Thil nach Erhalt der Nach-
richt eine ſolche nach Frankfurt abſchickte, ſo gelangte dieſe
Warnung an den regierenden Bürgermeiſter doch erſt am
3. April um 10 Uhr Abends, alſo zu einer Zeit, wo der
Putſch bereits erfolgt war und nur eine halbe Stunde vor
deſſen völliger Unterdrückung. Kuhl, welcher ſeit Monaten
das Project, ſeit Tagen die Stunde des Aufruhrs gekannt,
hatte die Anzeige deßhalb ſo ſpät gemacht, weil es ihm gar
nicht darum zu thun war, die Revolution zu hemmen, ſon-
dern nur, von der Regierung Geld zu erhalten. Gleichwohl
erwiderte er auf Stein's Frage, warum er nicht früher ge-
kommen: er ſei zwar ſonſt in alle Pläne der Verſchworenen
auf das Genaueſte eingeweiht, habe aber gerade dieſes Detail
nicht früher erfahren können. Obwohl nun Eines von Beiden
ſichtlich eine Lüge war, obwohl er ferner gleichzeitig für
dieſe Anzeige eine bedeutende Geldſumme forderte und er-
hielt, ſo faßte die Regierung gleichwohl die beſte Meinung
von ſeinem Charakter — oder wie Herr du Thil ſchreibt
— "durch dieſe Angabe, der die Beſtätigung auf dem Fuße
folgte, bewies er ſowohl ſeine Vertrautheit mit den Plänen
der Verſchwörer, als die Glaubhaftigkeit ſeiner Ausſagen
und zeigte ſich in dem Lichte eines Mannes, der in red-
licher und achtbarer Abſicht dazu beitragen wollte, das
Unglück zu verhindern, welches Revolutionen ſtets in ihrem
Gefolge führen. Dies war die Meinung, welche Seine
Königliche Hoheit der Großherzog und auch ich von ihm
faßten". Im Zuſammenhalt mit dieſem glänzenden Ehren-
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Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. CXXXVII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/153>, abgerufen am 23.11.2024.
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