Großherzog mit dem Bemerken, daß er die Annahme dringend befürworten müsse, weil ihm der betreffende Bürger als ein wahrheitsliebender, verläßlicher Mann bekannt sei, welcher nur durch sein besonderes Vertrauen in Herrn v. Stein's Cha- rakter zu jener Anzeige bewogen worden. Der Großherzog berieth sich mit seinem Staatsminister du Thil und -- schreibt dieser -- "daß Seine Königliche Hoheit ein Ihnen so dargebotenes Mittel, Gefahren abzuwenden, die dem Staate und selbst Ihrer Person drohten, nicht unbeachtet lassen konnten, versteht sich von selbst". "Selbstverständlich" also schrieb, und siegelte Ludwig II. zu Darmstadt, am 12. März 1833, eine Urkunde, welche genau dem von Kuhl gewünschten Wortlaute entsprach. Dieselbe wurde von du Thil an Stein abgesendet, jedoch mit der Bedingung, dieselbe dem anonymen, durch Herrn von Stein's edlen Charakter für die gute Sache entflammten Patrioten nicht eher einzuhändigen, als bis dieser in der That wichtige Angaben gemacht. Da- von wollte aber Kuhl nichts wissen und nun begann eine gar sonderbarliche Verhandlung zwischen Herrn Kuhl einer- seits und der Regierung andrerseits, welche sich im Wesent- lichen darum drehte, welcher Theil dem anderen zuerst Ver- trauen schenken solle. Endlich errang Kuhl den Sieg. Der Mann machte nämlich, so lange er die Urkunde nicht besaß, lauter Angaben, welche für die Polizei völlig werthlos waren, versprach aber für den Fall, als man sein Begehren erfülle, so wichtige Enthüllungen, daß ihm Herr du Thil endlich nachgab. Nun erst rückte Kuhl mit seiner ersten wichtigen Denunciation heraus: er verrieth Herrn von Stein am 3. April, daß am nächsten Tage ein Aufstand in Frankfurt losbrechen werde. Obwohl nun Stein sofort eine Stafette
Großherzog mit dem Bemerken, daß er die Annahme dringend befürworten müſſe, weil ihm der betreffende Bürger als ein wahrheitsliebender, verläßlicher Mann bekannt ſei, welcher nur durch ſein beſonderes Vertrauen in Herrn v. Stein's Cha- rakter zu jener Anzeige bewogen worden. Der Großherzog berieth ſich mit ſeinem Staatsminiſter du Thil und — ſchreibt dieſer — "daß Seine Königliche Hoheit ein Ihnen ſo dargebotenes Mittel, Gefahren abzuwenden, die dem Staate und ſelbſt Ihrer Perſon drohten, nicht unbeachtet laſſen konnten, verſteht ſich von ſelbſt". "Selbſtverſtändlich" alſo ſchrieb, und ſiegelte Ludwig II. zu Darmſtadt, am 12. März 1833, eine Urkunde, welche genau dem von Kuhl gewünſchten Wortlaute entſprach. Dieſelbe wurde von du Thil an Stein abgeſendet, jedoch mit der Bedingung, dieſelbe dem anonymen, durch Herrn von Stein's edlen Charakter für die gute Sache entflammten Patrioten nicht eher einzuhändigen, als bis dieſer in der That wichtige Angaben gemacht. Da- von wollte aber Kuhl nichts wiſſen und nun begann eine gar ſonderbarliche Verhandlung zwiſchen Herrn Kuhl einer- ſeits und der Regierung andrerſeits, welche ſich im Weſent- lichen darum drehte, welcher Theil dem anderen zuerſt Ver- trauen ſchenken ſolle. Endlich errang Kuhl den Sieg. Der Mann machte nämlich, ſo lange er die Urkunde nicht beſaß, lauter Angaben, welche für die Polizei völlig werthlos waren, verſprach aber für den Fall, als man ſein Begehren erfülle, ſo wichtige Enthüllungen, daß ihm Herr du Thil endlich nachgab. Nun erſt rückte Kuhl mit ſeiner erſten wichtigen Denunciation heraus: er verrieth Herrn von Stein am 3. April, daß am nächſten Tage ein Aufſtand in Frankfurt losbrechen werde. Obwohl nun Stein ſofort eine Stafette
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[CXXXVI/0152]
Großherzog mit dem Bemerken, daß er die Annahme dringend
befürworten müſſe, weil ihm der betreffende Bürger als ein
wahrheitsliebender, verläßlicher Mann bekannt ſei, welcher
nur durch ſein beſonderes Vertrauen in Herrn v. Stein's Cha-
rakter zu jener Anzeige bewogen worden. Der Großherzog
berieth ſich mit ſeinem Staatsminiſter du Thil und —
ſchreibt dieſer — "daß Seine Königliche Hoheit ein Ihnen
ſo dargebotenes Mittel, Gefahren abzuwenden, die dem Staate
und ſelbſt Ihrer Perſon drohten, nicht unbeachtet laſſen
konnten, verſteht ſich von ſelbſt". "Selbſtverſtändlich" alſo
ſchrieb, und ſiegelte Ludwig II. zu Darmſtadt, am 12. März
1833, eine Urkunde, welche genau dem von Kuhl gewünſchten
Wortlaute entſprach. Dieſelbe wurde von du Thil an
Stein abgeſendet, jedoch mit der Bedingung, dieſelbe dem
anonymen, durch Herrn von Stein's edlen Charakter für die
gute Sache entflammten Patrioten nicht eher einzuhändigen,
als bis dieſer in der That wichtige Angaben gemacht. Da-
von wollte aber Kuhl nichts wiſſen und nun begann eine
gar ſonderbarliche Verhandlung zwiſchen Herrn Kuhl einer-
ſeits und der Regierung andrerſeits, welche ſich im Weſent-
lichen darum drehte, welcher Theil dem anderen zuerſt Ver-
trauen ſchenken ſolle. Endlich errang Kuhl den Sieg. Der
Mann machte nämlich, ſo lange er die Urkunde nicht beſaß,
lauter Angaben, welche für die Polizei völlig werthlos waren,
verſprach aber für den Fall, als man ſein Begehren erfülle,
ſo wichtige Enthüllungen, daß ihm Herr du Thil endlich
nachgab. Nun erſt rückte Kuhl mit ſeiner erſten wichtigen
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Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. CXXXVI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/152>, abgerufen am 23.11.2024.
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